Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 28. Januar 2016, Teil 2

 

Claudia Schulmerich

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Mein Gott, was wird hier gequasselt: der Reden - das, was man heute kommunikative Kompetenz nennt - kein Ende. Aber das finden wir alles spannend. Wir sind voll dabei und kapieren nach und nach die Zusammenhänge, daß es kurz gesagt darum geht, daß eine Kutsche vor dem beginnenden Schneesturm Richtung Red Rock unterwegs ist, die zunächst nur mit dem Kopfgeldjäger Ruth (Kurt Russell) mit seiner Gefangenen bestückt ist.

 

Die Gefangene ist die mit Handschellen an ihn gefesselte und schrecklich zugerichtete Daisy Domergue und wird von Jennifer Jason Leigh verkörpert, die für ihre Darstellung für den Oscar als Beste weibliche Nebenrolle nominiert wurde. Allein, was mit diesen Handschellen in diesem Film passiert, welche Scherze, aber auch welche bittere Konsequenzen sie den wechselnden Trägern einbringen, ist einen eigene Film wert! Die Kutsche, deren Fahrt durch die weiße Landschaft wir gefühlte Stunden verfolgten, hält an, als der Kutscher den uns durch die Bildsequenzen schon bekannten Major Marquis Warren auf der zugeschneiten Straße entdeckt., der sich zudem als alter Bekannter von Ruth herausstellt.

 

Dieser nimmt ihn in der Kutsche mit, mitsamt seinen zwei steif gefrorenen Leichen auf dem Dach. Samuel L. Jackson spielt diese Rolle so eindrucksvoll, raumfüllend, gewichtig, gleichwohl mysteriös, er wird zu 'der'' Figur des Films, so daß es eine Unverschämtheit ist, daß er nicht für den Oscar für die männliche Hauptrolle vorgeschlagen wurde, für die, und darin liegt der Skandal, im Filmjahr 2016 nur 'weiße' Schauspieler nominiert wurden, wie ebenso für alle anderen Rollen und potentiellen Oscars. Wirklich skandalös und nicht hinnehmbar.

 

Auch Warren ist Kopfgeldjäger, aber hält's lieber mit den toten, per Steckbrief (Belohnung!) gesuchten Verbrecher. Und dann kommt auch noch Chris Mannix (Walton Goggins) hinzu, der sich als neuer Sheriff von Red Rock vorstellt, wobei wir Zuschauer nie wissen, genauso wenig wie die Insassen der Kutsche, was wahr und was gelogen ist, so gut wird gelogen. Und es wird ohne Unterlaß gequasselt.

 

Das ist aber nur die Vorgeschichte zu dem, was passiert, als die Vier unterwegs in „Minnie's Haberdashery“ Schutz suchen und Quartier nehmen. Die Inhaberin ist fort, aber ein dienstbeflissener, seltsam unkundiger Mexikaner (Demián Bichir) versorgt die Pferde, der Henker von Red Rock ist auch dabei, Ansprechpartner für den Kopfgeldjäger Ruth, der ihm die Gefangene als nächste Todeskandidatin vorstellt. Diesen Henker spielt Tim Roth, dessen Rolle und ihre Darstellung nicht zu Unrecht an den sprachlichen und körperlichen Verführungsgestus von Christoph Waltz erinnern, was Tarantino empört, weil er die Rolle einem britischen Schauspieler nachempfunden hat. Das mag sein, aber dennoch ist die Assoziation mit Waltz berechtigt, die sich auch auf die Körpersprache, vor allem aber auf den Sprachduktus bezieht.

 

Und dann gibt es da noch den Cowboy Joe Gage (Michael Madsen) sowie den Konföderierten General Sandford Smithers (Bruce Dern). Alles in allem eine komödiantische Truppe, eine echte Quasselbude, die uns lange gut unterhält, weil sie so schräg und putzig und schrecklich verbrecherisch daherkommt...und dann auf einmal wird uns das alles zu viel, viel zu viel.

 

Nein, nicht das Blut, obwohl wir es unnötig finden, in welchen Strömen es fließt, aber da sagt unser Kopf: „Ist nicht echt“, weshalb wir nur bei den schlimmsten Stellen die Augen schließen, zu denen gehört auch das Malträtieren der einen Frau unter den sieben Männern, die auch noch die Rolle der Hexe mitübernehmen muß. Nein, wir saßen gut unterhalten da, denn Tarantino holt alles raus aus dieser klaustrophobischen Situation - doch auf einmal fragten wir uns: Was hat das eigentlich mit uns zu tun, mit mir zu tun? “ Und langweilten uns augenblicklich.

 

Amerika und seine Filmproduktionen, auch in der Figur des unangepaßten Quentin Tarantino, ist längst Mittel unserer Gehirnwäsche geworden, wir ticken alle längst amerikanisch und ich wette, daß junge Leute bei uns aufgrund der vielen amerikanischen Geschichtsepen und Serien die Geschichte Amerikas, wenn auch durch die Brille Hollywoods, sehr viel besser kennen als ihre eigene, die deutsche Geschichte.

 

Auf einmal, ganz plötzlich, hatte ich genug davon, schon wieder die Scharmützel im Wilden Westen vor dem Sezessionskrieg in allen Feinheiten mir, meinem Verstand und meinem Filmherzen einverleiben zu müssen. Ich habe genug davon, daß wir die ganzen Jahrhunderte amerikanischer Geschichte in filmischen Riesenschinken in den letzten Jahren verstärkt auf der Leinwand zu uns nehmen sollen, nur weil die US-Amerikaner ein Problem mit ihrer nationalen Identifikation zwischen Weiß, Schwarz, Braun und Gelb haben, von den sozialen Ungleichheiten zwischen Reich und Arm ganz abgesehen. Das sollen die Amerikaner doch gefälligst unter sich ausmachen, für was sie stehen und was ihnen die „Vereinigten Staaten von Amerika“sind, von Filmen über Lincoln und die Sezessionskriege über die politisch sinnvollen Aufklärungen jüngster Geschichte, bis zu der nicht mehr zum Aushalten patriotische Ader in Spielbergs BRIDGE OF SPIES und anderen filmischen Selbstbeweihräucherungen.

 

Wir sind als Zuschauer zwangsverpflichtet, Amerikaner zu werden. Nein, lieber Mister Tarantino. Hier hört's auf! Enough is enough.

 

Foto:

Die Darsteller der Hatefull 8  von oben links nach rechts unten

Russell, Jackson, Leigh, Madsen,

Roth, Goggins, Dern, Demian, Bichir.