Die Wettbewerbsfilme der 66. Berlinale vom 11. bis 21. Februar 2016, Die Jury, Film 0

 

Claudia Schulmerich

 

Berlin (Weltexpresso) – Traditionell beginnt der Eröffnungstag der Berlinale am Morgen mit einer Pressekonferenz, auf der sich die Jury für den Wettbewerb vorstellt und wo Fragen gestellt werden können. Unter dem Vorsitz von Schauspielerin Meryl Streep entscheidet die Internationale Jury über die Vergabe des Goldenen und der Silbernen Bären im Wettbewerb der Berlinale 2016.

 

Die weiteren Jury-Mitglieder sind der Schauspieler Lars Eidinger (Deutschland), auch als Theaterschauspieler derzeit in aller Munde, der Filmkritiker Nick James (Großbritannien), hier weniger bekannt, die Fotografin Brigitte Lacombe Frankreich), die auch in Deutschland einen Namen hat, der Schauspieler Clive Owen (Großbritannien), der einer ist, dessen Filme man nicht herunterzählen kann, den man aber kennt, beispielsweise von DER ROSAROTE PANTHER her, die Schauspielerin Alba Rohrwacher (Italien),die schon öfter zur Berlinale in der Stadt war, einen Nachwuchspreis erhalten hatte und letztes Jahr im Wettbewerb dabei war sowie die Regisseurin Ma?gorzata Szumowska (Polen), die mit ihrem Film BODY im letzten Jahr den Silbernen Bären, den Regiepreis der Berlinale erhielt, ein wirklich bedeutender Film.

 

Weltexpresso hatte die Namen der Jury schon im Vorfeld mitgeteilt und zu ihren Personen ausführliche Informationen weitergegeben. Dies ist die wichtigste, aber nicht die einzige Jury, denn die anderen Programme haben ihre eigenen Jurys. Der Wettbewerb aber ist das Aushängeschild, weshalb ja auch die Berlinale zu den wichtigsten europäischen Filmfestivals gehört. Interessant ist es, sich über das Zusammenspiel der Jury auf der ersten öffentlichen Jurysitzung Gedanken zu machen: volle Harmonie und souveräne Leitung von Meryl Streep.

 

Daran ließ die so beliebte Schauspielerin, die noch niemals einer Jury bei Filmfestspielen vorsaß, keinen Zweifel: sie wird ihre Führungsrolle ausfüllen und gleichzeitig für eine offene und gleichberechtigte Diskussion sorgen. Daß ihr das gelingen wird, daran zweifelte man nach dieser harmonischen Vorstellung nicht, wobei hier Harmonie nicht ausdrücken soll, daß etwas verkleistert wird, sondern daß in der Jury eine Arbeitsatmosphäre herrscht, die von Respekt und Wohlwollen getragen ist, aber nichts unter den Teppich kehren will.

 

So ist das halt, wenn hier ein Weltstar mit wichtigen Stars zusammenkommt. Alle wollen etwas von Meryl Streep wissen, wobei die Frage nach dem ersten Mal, also den ersten Juryvorsitz vorherrschte. Warum? Wenn uns dauernd das Wörtchen 'souverän' im Zusammenhang mit Meryl Streep einfällt, liegt das an ihrer so offenen wie deutlichen Ausdrucksweise. Daß sie stolz ist, hier in Berlin der Jury vorzusitzen, das kann man noch als Kompliment für die, die sie auswählten, ansehen. Aber dann verband sie geschickt ihr erstes Mal - „Ich habe keine Ahnung, wie man das macht“ - mit dem Vergnügen, das es ihr bereitet, in solcher Ruhe über Tage hinweg mit ihrer Jury die Filme anzuschauen, wo sie natürlich der Boß sei, eine Rolle, die sie aus ihrer Familie kennt.

 

Auf Lars Eidinger angesprochen, der ja kein zahnloser Schauspieler ist, sondern sonst ebenfalls deutlich seine Meinung sagt, hier weitgehend stumm blieb, fügte sie hinzu: „Er steht schon unter meiner Fuchtel!“, was sie gleich mit „Jetzt im Ernst...“ ins Lot brachte. Ihr ist wichtig, daß die Berlinale ein politisches Filmfestival ist, stärker als andere, und sich für die Menschenrechte engagiert, was ihr eigenes Programm ist, wobei sie zusätzlich einfordert, daß es auch um Frauenrechte ginge, weshalb ihr die Zusammensetzung des Podiums mit 4 Frauen: 3 Männern gut gefalle, „Das ist phantastisch!“, denn das gäbees bei Jurys sonst nicht.

 

Auf eine Vermutung hin, daß sie als Schauspielerin Filme hauptsächlich unter dem Aspekt des Schauspielerischen anschaue und bewerte, konnte sie nur mit Kopf schütteln und den Film als ein Gesamtkunstwerk herausstellen, wo sie die Position von Julian Schnabel teile, der gesagt hatte: Filme muß man gar nicht verstehen, man muß sie mitempfinden.

 

In der lebhaften Pressekonferenz herrschte nur einmal Stille. Das war auf die Frage hin, was allen sieben Jurymitgliedern einfalle, wenn sie das Stichwort DEUTSCHER FILM hörten, an welchen Film sie dächten. Stille. Dann rief die Polin Ma?gorzata Szumowska „NOSFERATU“, immerhin ein Film von 1922 von Friedrich Wilhelm Murnau und ein beeindruckendes Beispiel für frühe Filmkunst. Dann weiterhin Schweigen. Schließlich mußte die Fragende die Frage wiederholen und Meryl Streep antwortete schließlich, sie habe im letzten Jahr A MOST WANTED MAN gesehen, was sie sehr beeindruckt habe.

 

Der Film, der in Hamburg spielt nach einem Roman von John le Carré, in dem der kurz darauf verstorbene Philip Seymour Hofman die Rolle eines deutschen Geheimdienstlers spielt, hatte auch uns sehr beeindruckt, allerdings kann man ihn nicht als einen deutschen Film ansehen. Er ist auch keiner, denn der Regisseur Anton Corbijn ist ein holländischer Fotograf und es handelt sich um eine englische Produktion. So viel zum Stichwort deutscher Film in der Welt. Und soviel auch zu einem Jurymitglied, der von Beruf Filmkritiker ist. Daß sich dagegen Lars Eidinger zurückgehalten hat, ist verständlich. Zu leicht wird man Musterschüler und er war ja auch nicht gemeint.

 

Doch, mit den fehlenden Antworten der Internationalen Jury müßte man sich weiterhin beschäftigen. Auch die Berlinale und ihre Administration. Denn, daß nur ein einziger deutscher Film innerhalb der 23 Wettbewerbsfilme gezeigt wird, von denen sowieso nur 18 in der Konkurrenz dabei sind, finden wir bedauerlich, aber auch Ausdruck dieser Situation, die durch die Frage der Journalistin in Gang kam.

 

Fotos:

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