Die Wettbewerbsfilme der 66. Berlinale vom 11. bis 21. Februar 2016, Film 1
Claudia Schulmerich
Berlin (Weltexpresso) – Wer Filme liebt, wird diesen Film in sein Herz schließen, denn er ist ein selbstreferenzielles Kunstwerk der Brüder Coen, die sich und uns einen Spaß machen, in die Filmgeschichte einzutauchen, wobei der Film zwischen Scherz, Satire, Ironie und tiefere Bedeutung changiert.
Ja, natürlich ist das ein Hinweis auf Grabbes Stück von 1827, soll aber hier ausdrücken, daß sich jeder aus dem Film heraussuchen kann, was er will, denn es ist eine Komödie, eine Tragödie, ein Tanzfilm, ein Western, ein schwarzer Kriminalfilm, ein Geschichtsfilm, einer über das Kino und über die politischen Verhältnisse zu Zeiten der McCarthy Ära in den Vereinigten Staaten auch noch. Ach, wenn wir richtig überlegen, fiel der Name McCarthy gar nicht, aber sein System der Verfolgung von vermeintlichen oder wirklichen amerikanischen Kommunisten, die er alle in Hollywood vermutete, ist der Hintergrund dieser Geschichte, die also in der ersten Hälfte der 50er Jahre in Hollywood spielt.
Der, der alles in einem der großen Filmstudios zusammenhält ist Eddie Mannix (Josh Brolin), ein Vater für alle, wie er im Buche steht, ehrbar und zuverlässig, der Fels in der Brandung eines Filmgeschäftes, das immer am Rande des Wahnsinns dahintorkelt. Gläubig ist er auch noch, ein Katholik, denn so beginnt der Film, mit seiner Beichte – die vorherige ist 24 Stunden her. Er hat dreimal geraucht, obwohl er seiner Frau versprochen hatte, damit aufzuhören. Und 27 Stunden später beichtet er wieder, da hat er noch etwas dazu gesündigt.
Wie fein- und bildsinnig die Brüder Coen Filme machen, kann man schon in der allerersten Szene sehen. Da nämlich sehen wir einen Gekreuzigten in einer Kirche, nicht nur ein Dreinageltypus, sondern der innere Zusammenhalt mit dem Film im Film, an dessen Drehaufnahmen wir teilnehmen und wo es um Rom geht und einen in Rom groß und zum Römer Geworden, den Baird Withlock gibt, hinter dem sich George Clooney versteckt, der diesen Römer namens Autologus darstellt. Dies nun wiederum führt dazu, daß wir ihn ausschließlich im römischen Waffenrock sehen, was ja ein Waffenröckchen ist. Hinreißend.
Er kann sich auch überhaupt nicht umziehen, denn er wird entführt. Und das kommt so. Die von McCarthy mit Berufsverbot belegten 'kommunistischen' Drehbuchschreiber haben sich zusammengeschlossen und entführen den mittels Drogen in tiefen Schlaf gefallenen berühmten Schauspieler mitten aus der Produktion heraus und fordern für seine Freilassung 100 000 Dollar, die sie auch umgehend von Eddie Mannix erhalten. Aber wendet der gekidnappte Schauspieler in der halböffentlichen Versammlung der Autoren in Malibu ein, das wäre gar nicht nötig gewesen, denn er ist konform mit ihnen und ihren Ideen der gerechten Verteilung des Volkseigentums und unterschreibt flugs einen Aufnahmeantrag für die kommunistische Partei. Gleichzeitig fragt er, wie viel er von den 100 000 abbekommt.
Wohin die allerdings fließen, verraten wir nicht, denn das muß man sich schon selber anschauen, was an Filmzitaten, einschließlich eines russischen U-Bootes in amerikanischen Gewässern sowie Anrührungen an Stars der Vergangenheit und alte Filme hier zusammenkommt. Der Handlung kann man gut folgen, obwohl die Szenerien so wechseln, als ob man im Fernsehen permanent auf neue Sender umschaltet, dabei naturgemäß immer wieder die selben erwischt, wo sich die Handlungen – hier die Drehaufnahmen – fortsetzen.
Sie sehen so einen unglaublich gelenkigen, also tanzenden und singenden Channing Tatum, Respekt. Den gleichen bringen wir gegenüber dem jungen, zum ersten Mal in einer Coenproduktion spielenden Alden Ehrenreich auf, der mit Hobie Doyle einen Westernhelden mimt, wo sich der Schauspieler auf der Höhe von Rodeoreiten und Lassoschwingen als Meister zeigt. Wie witzig die Regisseure tatsächlich mit allem umgehen, zeigen dann so kleine Szenen, wo dieser Westernheld nun zu einem ordentlichen Schauspieler, der auch sprechen kann, umgewidmet wird („Das Studio ändert dein Image!“), in dem er nun eine öffentliche Figur wird, mit Freundin an seiner Seite, der er seinen Lassotrick an Spaghetti vormacht.
Man kann die vielen Szenen, die zusammen ein Ganzes bilden, gar nicht alle aufzählen, aber wichtig für den opulenten Eindruck sind auch die Aufnahmen, wo Wasserobernixe Deeanna Moran (Scarlett Johansson) in einem technisch und ästhetisch perfekten Ballett der Wassernixen unter den Klängen der Barcarole aus Hoffmanns Erzählungen von Jacques Offenbach vom Zehnmeterbrett nach unten in die Fluten gleitet – und nachher als ganz schön zickige, ja leicht vulgäre Schwangere andere Seiten aufzieht.
Tja, und ohne die Doppelrolle der Tilda Swinton, die zwei Schwestern darstellt, beide Journalistinnen, die eine für Klatsch, die andere seriös, wäre das Verhandlungsgeschick von Eddie Mannix, der eindeutig zusammen mit Clooney die Hauptrolle spielt, nie zum Tragen gekommen. Der bootet sie nämlich aus. Und jetzt hätte wir fast Ralph Fiennes vergessen, der als Laurence Laurentz den Hobie Doyle das Fürchten lehrt, denn dieser muß mit seinem gespreizten Reitergang im kleinen Schwarzen nun den Gesellschaftslöwen mimen – und sprechen!
Und so kommt ein Film zustande, der bei aller Kritik an den Verhältnissen und rüden Praktiken der Branche von damals doch auch mit Wehmut auf eine menschliche Dimension von Kinomachen zurückblickt, die von heute her so aufscheint, wo Film gleich Filmindustrie ist und nur noch von industrieller Filmfertigung gesprochen werden kann. Die Brüder Coen stehen dagegen.
In der Pressekonferenz, wo neben Clooney, den Brüder Coen auch Tatum, Tilda Swinton, Josh Brolin und Alden Ehrenreich anwesend waren, wurden meist dämliche Fragen gestellt, noch dazu hauptsächlich an George Clooney, der sich seiner Haut wehrte, denn allzu leicht wird sein politisches Engagement zur Krücke für dumme Fragen. Aber immerhin, daß er für Freitag mit Angela Merkel verabredet ist, imponiert dem Draufgänger dann schon, den er wies zweimal daraufhin. Ach so, an die beiden Regisseure wurden natürlich auch Fragen gestellt, die diese interessant beantworteten.
Foto:
Josh Brolin und Tilda Swinton
Der Film ist von einer Art, als ob er für die Eröffnung eines Filmfestivals gedreht worden wäre, so sinnig und stimmig zum Thema Film. Daß er außer Konkurrenz läuft, muß man gleich hinzufügen, denn so selbstreferenziell geht es dann doch nicht zu.