Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 18. Februar 2016, Teil 2
Kirsten Liese
Berlin (Weltexpresso) - In Santiago ist die Hölle los. Hunderttausende protestieren im September 1973 auf den Straßen gegen den sich an die Macht putschenden General Pinochet. Unter den Demonstranten sind auch Lena (Emma Watson), eine junge deutsche Stewardess, und ihr Freund Daniel (Daniel Brühl), ein Fotograf.
Im Chaos werden die beiden verhaftet. Lena kommt zwar bald wieder frei, Daniel aber, den ein Spitzel als einen von Allendes Sympathisanten denunziert, verschleppt die Geheimpolizei in die „Colonia Dignidad“, das streng abgeschottete Arbeitslager einer fundamentalistischen Sekte. Hier herrscht der ehemalige deutsche Laienprediger Paul Schäfer (Michal Nyquist), ein grausamer Psychopath. Er unterstützt die Junta beim Foltern Oppositioneller, vergeht sich zudem an minderjährigen Jungen. Um Daniel zu Hilfe zu kommen, schließt sich Lena der Sekte an.
Die unfassbaren, menschenverachtenden Zustände in dem totalitären System, das seine Mitglieder brutal ausbeutete, haben nach Schäfers Verhaftung im Jahr 2010 schon einmal zwei Dokumentarfilmer zu ihrer Spurensuche „Deutsche Seelen- Leben nach der Colonia Dignidad“ inspiriert. Sie gaben den Menschen eine Stimme, die ihre Selbstbestimmung einbüßten und einen Neuanfang wagten, in dem sie die Festung zu einem Hotel umbauten.
Auch der Regisseur Florian Gallenberger hat für seinen Film intensiv recherchiert. Das deutsche Liebespärchen ist zwar frei erfunden, gleichwohl orientiert sich das Szenario beängstigend präzise an den realen Ereignissen. Die Inszenierung macht deutlich, wie sich ein irrwitziges System von Befehl und Gehorsam etablieren konnte.
Es ist ein Glücksfall, dass Michael Nyquist die Rolle des pädophilen Gurus angenommen hat, nachdem sich erstaunlicherweise deutsche Schauspieler mit dem Scheusal nicht identifizieren wollten. Eben noch der unerschrockene Journalist in der Adaption von Larssons „Milleniums“-Trilogie, gibt der Schwede nun den denkbar widerwärtigsten Fiesling.
Sein starker Gegenpol ist Lena, eine Frau so mutig und stark wie eine der schönsten Opernfiguren, die Leonore in Beethovens „Fidelio“. Emma Watson gibt ihr zudem eine zarte Schönheit und eine Leidensbereitschaft, die schon ans Übermenschliche grenzt, sie riskiert ihr eigenes Leben, um den Liebsten zu befreien. So wie ihr Peiniger strikt Männer, Frauen und Kinder voneinander trennt, muss sie sich jedoch lange gedulden, bevor sich eine Gelegenheit findet, bei der sie Daniel endlich wiedersehen kann.
Nach schrecklichen Elektroschock-Torturen muss er den hirngeschädigten Idioten geben, um zu überleben. Großartig, wie Brühl diese Wandlung vom lässigen Revoluzzer zum vermeintlichen Narren hinbekommt. Tatsächlich entkommen die Liebenden schließlich ihrem Martyrium, was in Wirklichkeit den wenigsten gelang.
Die abenteuerreiche Flucht rückt zwar die politische Dimension des Thrillers etwas in den Hintergrund, dafür bleibt es im Finale auf dem Rollfeld eines Flughafens wie in „Casablanca“ spannend bis zur letzten Minute.
Die brisante Rolle der damaligen deutschen Botschaft in Santiago, die zu der Sekte beste Beziehungen unterhielt, spielt der Film dabei keineswegs herunter. Bis heute wurde die undurchsichtige Rolle deutscher Behörden und so führender Politiker wie Franz-Josef Strauss nicht aufgedeckt.