Die Wettbewerbsfilme der 66. Berlinale vom 11. bis 21. Februar 2016, Film 17/23

 

Claudia Schulmerich

 

Berlin (Weltexpresso) – Bei diesem Dokumentarfilm kommt man nicht auf die Idee, überhaupt nach besonderen filmisch-dramaturgischen Mitteln zu fragen, weil man viel zu sehr mit dem Inhalt beschäftigt ist, wie durch Fragen an Experten und deren Stellungnahmen sich immer mehr verdichtet, daß der gemeingefährliche Computervirus namens STUXNET von zwei Staaten in gemeinsamer Aktion in die Computerwelt und insbesondere das iranisch Atomprogramm eingeschleust wurde und den erhofften Schaden anrichtete.

 

Der sogenannte Wurm war 2010 in Weißrußland entdeckt worden, von jemandem, der mit dem Iran Geschäfte gemacht hat.Und auch, wenn er über die Welt verteilt entdeckt wurde, war das Nest, also die gewaltigste Infizierung im Iran selbst und dort bei den Firmen festzustellen, die mit Urananreicherungen zu tun haben, bzw. die Atomkraftwerke und die vielen Zulieferfirmen betreiben.

 

In der anschließenden Pressekonferenz bejahte Regisseur Alex Gibney die Frage nach der Relevanz der von Edward Snowden abgeschöpften Informationen staatlicher Stellen. Snowden war maßgeblich beteiligt, weil ein Großteil seiner Leaks verwendet werden konnten. „Ohne seine Ergebnisse wäre der Film nicht entstanden.“ Der Film selbst stellt schon am Anfang wie eine These heraus, daß eine so komplexe Infiltration, wie es dieser Computervirus darstellt, nur in machtvollen Staaten ihre Urheberschaft haben könne. Denn es gebe nur drei Arten von Interessenten: diejenigen, die damit illegale Profite machen wollen, was hier auszuschließen ist, Hacker, die das aus Spaß machen, wobei dieser Wurm einfach zu komplex ist und „machtvolle Staaten“, die interessengeleitet handeln können.

 

 

Im Film wird nun technisch minutiös nachvollzogen, wie man den Weg von STUXNET – so genannt nach einer Verballhornung der Endungen der Absender – durch die Welt nachvollzieht. Dadurch kommt man sowohl auf die Art der Verbreitung, wie auch die spezielle Gefährlichkeit dessen, wie ein solcher Virus wirkt. Er führt zur Lahmlegung aller mit dem Atomprogramm des Iran zusammenhängenden Gesellschaften, Firmen und Institutionen. Im Zuge der Verfolgung wird auch deutlich, daß der Iran und Pakistan in der Vergangenheit die engste Zusammenarbeit gepflegt hatten und eigentlich das darstellen, was Bush in seiner berühmten Rede von der Achse des Bösen beschwor. Der Film ist auch ein kurzer historischer Abriß der Geschichte, Einflußnahme und Beherrschung der Welt durch die USA.

 

Daß sich so nebenbei die Erkenntnis gewinnen läßt, daß jegliche Aktion der Vereinigten Staaten, die sie erst recht in diesem Jahrhundert und neuem Jahrtausend in die Welt setzten, wie ein Bumerang auf sie zurückfällt, ist ein wichtiges politisches Ergebnis dieser Recherchearbeit, das nebenbei abfällt. Man selbst staunt auch immer wieder darüber, daß einerseits die Amerikaner mit ihren Geheimdiensten, von denen hier ausführlich die Rede ist, die schlimmsten Akteure in der Welt sind, gleichzeitig aber auch die schärfsten Aufklärer hervorbringen, die in diesem völlig sachlichen Film die ganze Welt über politische Schandtaten ihrer Regierung informieren.

 

Es sind ausnahmslos Männer, die hier mit Namensnennung und ihrer wissenschaftliche oder politischen und wirtschaftlichen Funktion ihre aufklärenden oder auch beschönigenden Worte vorbringen. Dann aber nimmt zunehmend Raum eine Frau ein, die in einer seltsamen, sehr eindringlichen technischen Auflösung ihrer Figur, wo das Gesicht fließend wird, die unglaublichsten Details aus der Arbeit von FBI, CIA und Regierungsstellen berichtet. Völlig neutral, als ob hier Kuchenrezepte weitergegeben werden, wichtige Rezepte, denn die Stimme bekommt eine immer stärkere Eindringlichkeit. Und man wundert sich, an wie vielen politischen Prozessen diese Frau beteiligt ist, wie umfangreich und differenziert ihr Wissen ist. Ganz am Schluß taucht diese Frau als sie selbst auf der Leinwand auf und betont, sie sei nur eine Schauspielerin, die hier Aussagen von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen wiedergegeben habe.

 

Zur Funktion dieser Figur im Film führt dann Alex Gibney aus, er habe mit Absicht diese von einer Frau sprechen lassen, die auch die Warnungen vor dem Geheimhalten solcher Informationen mit dem Aussprechen dieser verbunden habe.

 

Hauptaussage des Films, der einen auch verstört ob der als Tatsache hingestellten vielfachen Ermordung von iranischen Atomwissenschaftler durch den israelischen Geheimdienst Mossad, ist es, daß von heute her diese Schadsoftware, die als Decknamen durch die Betreiber OLYMPIC GAMES genannt wurde, für ihre Verursacher, die USA und Israel, selbst schädlich war. Dabei geht es nicht nur um die politische Dimension, sondern ganz konkret darum, daß nun auch deren Gegner wissen, wie man in einem Bruchteil von Sekunden die Infrastruktur ganzer Staaten lahmlegen kann, ohne daß herausgefunden werden könnte, wer die Verursacher sind.

 

Es geht um die Folgen einer entfesselter Technologien und einer völlig unkontrollierten politischen Macht. Man verläßt den Film mit dem Gefühl der Gefahr, aber auch der Bewunderung, daß sich genug Geldgeber und Enthusiasten gefunden hatten, die Welt über diese Machenschaften aufzuklären.