Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 3. März 2016, Teil 4
Hanswerner Kruse
Berlin (Weltexpresso) – „Ich brauche keine Drogen, keinen Alkohol, ich brauche einfach nur das Spielen!“ ist ihr Motto. Lea ist eine sehr charmante, aber bescheidene siebzehnjährige Gymnasiastin, die durch Theater-Workshops und Statistenrollen Lust auf die Filmarbeit bekam.
Für sie überraschend erhielt sie die Hauptrolle im Film „Kreuzweg“, der 2014 auf der Berlinale mit dem Silberbär für das Drehbuch prämiert wurde und spielte, das erwähnt sie so nebenbei, in der TV-Serie „Homeland“ mit. Für die Rolle der Anne Frank wurde sie von Regisseur Hans Steinbichler angefragt. Bis dahin hatte sie deren Tagebuch noch nicht gelesen, sich dann jedoch intensiv damit für das Casting und die Filmarbeit beschäftigt. Zur Vorbereitung der Rolle schrieb sie Briefe an Anne, in denen sie von sich und ihrem Alltag berichtete. Anfangs fand sie Anne respekteinflößend, doch dann wurde die „eine Art Freundin“ und Lea freute sich einfach nur noch auf den Dreh.
War Anne ein ganz normales Mädchen?
Ja, sie war zwar ihrem Alter weit voraus, hatte ein großes Schreibtalent, war viel selbstreflektierender als andere in dem Alter. Doch sie hatte die gleichen Probleme wie andere Dreizehn- oder Vierzehnjährige auch. Ihren Wunsch nach Leben, den kennen wir ja alle. Sie war ein besonderes, aber auch ein sehr normales Mädchen. Wir wollten sie vom Sockel herunterholen und mit ihren Ecken und Kanten zeigen.
Kann sie dennoch ein Vorbild für die Kids von heute sein?
Auf jeden Fall, ich finde ihre Gedanken sehr aktuell. Vor allem, wie sie Menschen beobachtet und über sich selber nachdenkt. Sie geht mit einer Tiefe und Ernsthaftigkeit, ja sogar Demut an das Leben heran, das tun nicht viele in dem Alter. Wenn ich sie treffen könnte, würde ich wahrscheinlich sagen, „Anne, lass uns Leute beobachten“ und mich mit ihr unterhalten, was sie sieht und denkt.
Sind manchmal die Grenzen zwischen der Rolle und Dir verschwommen?
Ja, manchmal schon, bei dem Film hatte ich manchmal das Gefühl, die Grenzen verschwimmen. Vor allem, als uns zum Schluss des Films im KZ die Haare geschnitten wurden. Das war schon krass, das waren ja wir Schauspielerinnen selbst, die da wirklich kahl geschoren wurden.
Starke Momente im Film sind die sogenannten „Speaches“, wo Du Annes Originalsätze direkt in die Kamera sprichst.
Das war zunächst schwierig, Du bekommst ja als Schauspielerin immer gesagt, bloß nicht in die Kamera gucken. Aber ich wollte ja Euch Zuschauer hinter der Kamera direkt ansprechen, das war die Aufgabe. Annes geschriebene Sätze sind sehr tief, sehr verschachtelt, es ging darum, ihre Schriftsprache zum Leben zu erwecken.
Was löst denn eine laufende Kamera für Gefühle bei Dir aus?
Ich baue eine Beziehung zur Kamera auf, sie ist da, aber dann vergesse ich sie auch. Für mich sind die tollsten Momente, wenn es einfach fließt, wenn ich in der Szene gar nicht mehr an den Text denke. Das ist jedes Mal ein Kick. Aber es gibt natürlich auch Momente, wo ich in der Aufnahme schon meine - (singt:) „Lalalala“ - jetzt geht alles den Bach runter. Ich bin sehr selbstkritisch bei den Aufnahmen, aber das Gefühl zu spielen ist einfach einzigartig. Ich brauche nicht anderes, keine Drogen, keinen Alkohol, ich brauche einfach nur das Spielen!
Hat der Film eine Art Botschaft in diesen schwierigen Zeiten, in denen es viele Anne Franks unter den Flüchtlingen gibt?
Den Begriff Botschaft finde ich schwierig, Filme sollen beim Zuschauer etwas auslösen, im besten Fall kommt er ins Nachdenken. In unserem Film lernt man Anne kennen, geht den Weg mit ihr bis sie aus ihrem Leben herausgerissen wird. Aus welchem Grund wird sie dann eigentlich umgebracht? Was für ein Unrecht passiert da? Das sind die Fragen, die der Film aufwerfen kann, auch bei jungen Leuten. Der Film hat mir gezeigt, wie privilegiert wir hier leben, wir können ins Kino gehen, haben zu essen und ein Zuhause…
Foto: Künstler-Agentur „lime light“