Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 3. März 2016, Teil 6

 

Claudia Schulmerich

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Wir hatten FRANCOFONIA schon letzte Woche besprochen, was als letztes Anspieldatum für diesen so besonderen Film galt. Doch wurde das Datum kurzfristig geändert und da es sich wirklich um einen ganz besonderen Film handelt, der wohl eher auf DVDs, dem Kunstkino und im Fernsehen blüht, wollen wir heute, wo er in den Kinos anläuft, ausdrücklich noch einmal darauf aufmerksam machen. Die Redaktion

 

Das ist die NACHT IM MUSEUM auf RUSSISCH, möchte man bei diesem filmischen Essay von Alexander Sokurov über den Louvre, ach was, über das Gefühl, das Bilder vermitteln, worin sie einen zum Träumen, zum Weinen, zum Lachen bringen und eben dazu, Gedichte zu schreiben – also just das Gegenteil der amerikanischen Filmnächte in den dortigen Museen.

 

Doch, da ist schon etwas dran, daß man leicht europäisch abhebt und auch überheblich wird, weil dieser Film einem deutlich macht, daß es stimmt, daß wir auf den Schultern von Riesen einfach weitersehen. Wir sind doch alle aufgewachsen mit einem solchen Fundus an vorgefertigter Erfahrung, Schönheit, Erkenntnis, daß man sich eher über die wundern muß, die davon nicht naschen konnten, nicht daran wachsen konnten, was die Vorfahren ihnen als Kulturerbe übergeben haben. Und wir, wir gehen selbstverständlich damit um. Zu selbstverständlich?

 

Sie merken schon, das ist ein Film, der einem zum Nachdenken verführt, aber auch zum Nachfühlen, auch zum Nachsehen, auf jeden Fall nicht kalt läßt und eines ganz gewiß zu Wege bringt, daß man gewissermaßen abhebt und im Film an sich selbst so leichte Trancezustände bemerkt, was immer auch daran liegt, daß eine Erzählerstimme eine Kontinuität schafft, was die Bilder außer Kraft setzen, denn die flotieren frei im Raum, auch wenn der Louvre, dieser viereckige riesenhafte Komplex an der Seine, den jeder, der es nicht besser wüßte, für das Königsschloß der Franzosen hielte, was es in gewisser Weise ja auch ist, denn die Kunst ist eine königliche Disziplin.

 

Die Geschichte auch, weshalb Marianne mit dabei sein muß, diese blonde Schönheit, die schon bei Delacroix das Volk anführt. Das war für uns schon immer schwer zusammenzuhalten, daß dieser für uns urdeutsche Name MARIANNE die Französin sein soll, die als Imagination oder als Symbol die Revolution vorantreibt, während der deutsche MÍCHEL so tumb vor sich hinstolpert, den wir doch viel lieber französisieren als MISCHÉLL. Aber so ist die Welt, sie kategorisiert wie sie will.

 

Zum Film. Doch es gibt sogar eine Handlung, auch wenn es um die nicht geht. Wir sind zur Zeit der deutschen Besatzung im Louvre. Ja, peinlich. Wo immer Deutsche in Museen auftreten, sind es Nazis. Schrecklich. Hier aber schreitet Franziskus Frag Wolff-Metternich ein, Leiter des 'Kunstschutzes' der Wehrmacht, der Louvredirektor Jacques Jaujard mehr und mehr helfen wird, die Schätze des Louvre vor habgierigen Nazifieslingen zu schützen. Denn die Kunst eint . Hier eint sie vor den Barbaren, als die sich die Deutschen geben.

 

So zwischendurch erfahren wir auch, wie leergeräumt der Louvre schon war, als die Deutschen ihn erobern und plündern wollten. Sehr vorsorglich wurden schon vor dem Krieg am 27. und 28. September die Kunstschätze verpackt und auf den Weg ins Loiretal gebracht. Aber das Münchner Abkommen verhieß Frieden in Europa und so kamen sie zurück. Aber als am 29. September 1940 nach der Teilung Frankreichs in den besetzten Norden und den unbesetzten Süden (Vichy-Regierung) der Louvre wieder eröffnet wurde, waren die wichtigsten Werke verschwunden. Aber es blieb genug, was sich bestimmte Deutsche gerne unter den Nagel reißen wollten.

 

Wenn wir so von der Geschichte erzählen, halten wir uns an dem fest, was gut in Worte zu fassen ist. Auch, daß am 25. August 1944 die deutschen Truppen in Paris kapitulierten und tatsächlich die Evakuierten wieder ab Oktober, als die Situation gesichert schien, an die Wände des Louvre, auf ihre Standplätze, in ihre Vitrinen zurückkamen. Der Louvre wurde im Juli 1945 fast unbeschadet wiedereröffnet. Was man so nebenbei auch noch mitbekommt, sich aber hätte denken können: Der Louvre ist mit jährlich 10 Millionen Besuchern bis heute das meistbesuchte Museum der Welt!

 

Nur, damit sie es wissen. Eigentlich geht es darum gar nicht, es geht stärker um das, was Bilder in Bewegung setzten, wie sie Menschen lähmen, wie sie zum Fliegen verleiten, wie überhaupt dieser Film einem klarmacht, daß das eigentliche Leben im eigenen Kopf stattfindet und man die Umwelt, auch die künstlerische zur Anregung aufgreifen darf, aber die eigentliche Arbeit, das Empfinden, das Fühlen, das Erkennen, das Genießen, das muß man schon selber tun. So ein Film hilft dabei. Er schadet auf jeden Fall nicht! Was man wahrlich nicht von allen Filmen sagen kann!!