Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 10. März 2016, Teil 14, Premiere im Frankfurter Kino Mal Seh'n

 

Claudia Schulmerich

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Das ist überhaupt ein guter Tip, sich das Programm des Frankfurter Mal Seh'n Kinos in der Adlerflychtstraße 6 genauer anzuschauen. Sie finden dort heute, aber auch morgen bis zum nächsten Dienstag um jeweils 18 Uhr den Film STIMMEN DER GEWALT im Original mit Untertiteln, der am 6. März hier seine Frankfurter Premiere hatte.

 

Anwesend war neben der Regisseurin Claudia Schmid die Kongolesin Thérèse Mema, die auf Einladung des Katholischen Hilfswerks MISSIO nach Deutschland gekommen war, um im Umfeld des Internationalen Frauentags über den Film zu sprechen, dessen Protagonistinnen täglich ihre Patientinnen sind. Frau Mema ist nämlich Traumaexpertin und Traumatherapeutin in der Region nahe der Grenze zu Ruanda, wo die Kongolesinnen, die im Film von den Qualen, seelischen und körperlichen Verletzungen Kunde geben, selbst wohnen, wenn man sie in die Dorfgemeinschaft wieder aufgenommen hat – sonst nämlich leben sie abgesondert, denn die Höhe dieser männlichen Gewaltorgie durch die Feinde ist dann noch, wenn der eigene Ehemann seine Frau wegen der Vergewaltigung durch den Feind verstößt. Auch dieses ist durchaus normales Männerverhalten von Kongolesen, eine Symbiose der Gewalt der Feinde mit der der eigenen Männer, denen sich im Film gottseidank auch Männer zugesellen, die anders darüber denken und ihren mißbrauchten Frauen gute Ehemänner sind.

 

Wir sprachen ja schon darüber, daß das Furchtbare, was man vor allem hört über die Gewaltexzesse der im Film immer Rebellen genannten Männer, immer auch eine Spur von Hoffnung läßt, daß es diesen Frauen, die so offen über darüber sprechen und in drastischen Gebärden zeigen, worüber sonst geschwiegen wird, gelingen möge, sich am eigenen Zopf aus dem Sumpf männlicher Gewalt herauszuziehen – und wenn man die beiden: Schmid und Mema richtig verstanden hat, so ist das Aussprechen, das Zeigen, das Vorführen der verübten Gewalttaten auch in Europa der erste Schritt einer Heilung, die natürlich viel länger dauert und nicht nur die mißhandelten Frauen angeht, sondern ihre ganzen Familien, einschließlich der Kinder.

 

Zu Beginn stellte Claudia Schmidt am Sonntag vor dem allgemeinen Filmstart in Deutschland die Produktionsbedingungen vor, die diesen Film überhaupt erst möglich gemacht hatten. Von den Fernsehanstalten angefangen, hat sie viele Unterstützer gefunden, wobei klar war, daß es nur ein kleines Filmteam sein kann, eigentlich sie selbst mit der Kamera in der Hand, weil erstens so intime Geständnisse von Mißbrauch, Folter und Verschleppung für die Frauen nur möglich wurde, weil sie es einer Frau erzählten, und zweitens, man immer Furcht haben mußte, von Dritten, sprich Männern gestört zu werden, die an solchen Aufnahmen kein Interesse haben, deutlicher: die mit Gewalt solche Aufnahmen unterbinden würden, bekämen sie das mit.

 

Kein ungefährliches Unterfangen also für alle Beteiligten. Das stellte die Filmemacherin noch einmal klar. Aber, so hatte man den Eindruck, daß schweißt die betroffenen Frauen dann auch wieder zusammen, zumindest konnte man diesen Eindruck auch beim gemeinsamen Auftritt von Claudia Schmid und Thérèse Mema nach der Filmvorführung haben. Zur Sprache kamen auch die grausamsten Filmszenen, aber auch die eine, die man erst im Nachhinein richtig versteht, wie nämlich den Frauen Stöcke gebracht wurden, die dazu dienten, eine andere mit diesen Stöcken totzuschlagen, ansonsten wurden sie selbst umgebracht.

 

In der Diskussion spielte die Gewalt, die hier über Sprache und Zeigen transportiert wird, eine große Rolle und eben auch, inwieweit das Darübersprechen heilsam ist, was für Frau Mema ein Credo ist, das man gut nachvollziehen kann. Die Frauen wollten ihre schrecklichen Geschichten erzählen, damit andere ihr Leid mit ihnen teilen und damit die Verdrängung des Geschehens gar keine Chance hat, die ansonsten nach Kriegserlebnissen in der Regel den nächsten Krieg wieder vorbereitet, denn Verdrängtes kommt immer irgendwann wieder ans Licht.

 

Die Frauen wollten selbst, daß die Welt von ihnen und den ihnen angetanen Gräueltaten erfahren, das ist auch Brauch in den 18 Traumazentren,die in der Region errichtet wurden, und wo auch in Gruppen die Familien zusammengeführt sind, die auf einer neuen Basis weiterleben wollen. Angesprochen wurde auch die doppelte Last für vergewaltigte und verschleppte Frauen, daß ihre Männer und ihre Dorfgemeinschaften sie in der Regel als 'gebraucht' überhaupt nicht mehr zurückhaben wollen und sie für den Mißbrauch an ihnen ein zweites Mal bestraft werden. Das sind unglaubliche Zustände, die einem die Luft abschneiden, schon beim Darüberreden, wozu sich neben dem individuellen Leid das Ausmaß gesellt, daß nämlich von über 200 000 betroffenen Frauen in 15 Jahren gesprochen wird.

 

Zur Sprache kam dann auch die Rolle der Europäer, die im Kongo seit jeher die Rohstoffe abschöpfen, wobei beispielsweise derzeit Coltan, existentiell für die Produktion von Mobiltelefonen, die größte Rolle spielt. Was sich uns als Kampf der Regierungstruppen gegen die Rebellen darstellt, sei der Kampf um die Rohstoffe, also der Kampf um das Geld, das man damit verdienen kann. Deshalb müsse die aufgeklärte europäische Bevölkerung darauf reagieren und beispielsweise eine Aktion von MISSIO wie „Kongo, Krieg und unsere Handys“ wahrnehmen und „saubere Handys“ fordern.

 

Filmemacherin Claudia Schmid erhielt an diesem Sonntag viel Lob über ihren Film, der zwar äußerst drastisch dem Zuschauer viel abfordert - „Danke, daß Sie sich einen so schrecklichen Film überhaupt ansehen!“, hatte die Traumaexpertin Mema dazu gesagt - , aber einem Frauen zeigt, vor denen man unglaublichen Respekt gewinnt, wie sie mit Händen und Füßen beredt Zeugnis vom Schrecken ablegen. Trotz der Schwere des Themas drückt es einen nicht nieder, sondern bringt einen auf die Seite dieser Frauen, die überlebt haben und weiterleben wollen. Sie kleiden sich in bunte, sehr weibliche Gewänder, singen und tanzen, machen weiter und wollen für ihre Kinder eine bessere Zukunft. Diesen Frauen wollte Claudia Schmid eine Stimme geben. Sie hat es mit ihrem Film eindrucksvoll gemacht.

 

Foto:

Thérèse Mema, Traumatherapeutin aus dem Kongo und Claudia Schmid, die diesen eindrucksvollen Dokumentarfilm möglich gemacht und hergestellt hat

 

 

Info:

 

Am Sonntag, 6. März fand mittags im Frankfurter Kino Mal Seh'n die Frankfurter Premiere von VOICES OF VIOLENCE in Anwesenheit der Regisseurin und der Afrikanerin statt, deren Organisation diesen Frauen seelische Hilfe angesichts ihrer Traumata verspricht.

 

Bis zum Dienstag nächster Woche täglich um 18 Uhr im Kino Mal Seh'n in Frankfurt.