Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 7. April 2016, Teil 8
Koch Media
Hamburg (Weltexpresso) – Spielfilme sind keine Dokumentarfilme, in denen es mit der historischen Wahrheit genaugenommen werden muß. Aber auch Spielfilme können historische Fakten nicht einfach verändern, aber sie können diese interpretieren und Personen erfinden, mit denen historisch verbürgte Situationen in Geschichten erzählt werden. Wie hier. Zuerst der historische Hintergrund mitsamt von Fakten zu UNTER DEM SAND aus dem Presseheft..
Kurzer Überblick
• Von 1942 bis 1944 ließ Nazi-Deutschland den sogenannten Atlantikwall gegen die Invasion der Alliierten errichten: ein komplexes System aus Bunkern, Wachanlagen, Panzersperren und Landminen entlang der Nordseeküste.
• Ein Schwerpunkt lag dabei auf der dänischen Westküste. Dort wurden unter anderem schätzungsweise 2,2 Millionen Landminen vergraben. Sie machten aus idyllischen Stränden auch nach Ende des Zweiten Weltkriegs gefährliche Todeszonen.
• Die Genfer Konvention von 1929 verbietet jede Art von Zwangsarbeit für Kriegsgefangene. Um dieses Verbot zu umgehen, nannte das britische Militär in Abstimmung mit der dänischen Regierung einen Teil seiner deutschen Kriegsgefangenen „Freiwilliges Personal des Feindes“.
• Diese „Freiwilligen“ erhielten den Befehl, die Landminen in Dänemark zu entschärfen. Sie waren für die Minenräumung weder ausgebildet, noch standen ihnen technische Hilfsgeräte zur Verfügung.
• Die große Mehrheit des Räumkommandos bestand aus Jungen zwischen 15 und 18 Jahren, die kurz zuvor für Hitlers sogenannten Volkssturm meist von der Schulbank eingezogen worden waren.
• Die Arbeiten begannen am 11.05.1945 und endeten am 04.10.1945. In diesem Zeitraum wurden laut militärischen Dokumenten 1.402.000 Minen entfernt. Ähnlich präzise Angaben über die eingesetzten Personen existieren nicht, die Zahlen schwanken je nach Quelle zwischen 2000 und 2.600.
• Bei dem knapp fünfmonatigen Einsatz verloren mindestens 1.000 Personen ihr Leben. Das sind mehr Tote als durch Kampfhandlungen während des Zweiten Weltkriegs auf dänischem Boden.
• Bis zum heutigen Tag wurden die schrecklichen Ereignisse rund um die Minenräumung an den dänischen Stränden nicht öffentlich aufgearbeitet.
• Nach einer Schätzung der Vereinten Nationen liegen heute rund 110 Millionen noch nicht detonierte Landminen im Boden von insgesamt 64 Ländern.
• Seit 1975 wurde mehr als eine Million Menschen durch Landminen getötet oder verstümmelt. Durchschnittlich verlieren täglich zehn Menschen ihr Leben bei Explosionen von Landminen.
• Die professionelle Entsorgung einer Mine kostet zwischen 300 und 1.000 US-Dollar. Pro 5.000 Entschärfungen verliert im Schnitt eine Person ihr Leben, zwei weitere Personen werden zum Teil schwer verletzt.
FAKTEN ZUM HISTORISCHEN KONTEXT
Die Entscheidung zur Minenräumung
Die Minenräumung wurde im Rahmen der Kapitulationsbedingungen von den Alliierten befohlen. Es wurde entschieden, dass die Arbeit von deutschen Pionieren durchgeführt werden sollte, die sich entweder bereits in Dänemark aufhielten oder aus dem Gebiet südlich der deutsch-dänischen Grenze geholt wurden.
Helge Hagemann ist Jurist und Hobby-Historiker, in seinem Buch „Unter Zwang“ (erschienen 1998) ist zu lesen, dass nach Angaben des britischen Oberkommandos, alle Pioniere aus den Marschkolonnen geholt wurden. Und die Verantwortung für die Ausführung der Arbeit wurde an den Leiter der Pionierschule in Horsens, Hauptmann Geuer, übertragen.
Die Arbeiten begannen am 11.05.1945 und sollten ursprünglich am 15.09.1945 abgeschlossen sein. Aus einem Bericht geht hervor, dass die Arbeit aber erst am 04.10.1945 abgeschlossen wurde und es gibt mehrere Beweise, dass sich die Arbeit bis 1946 hinauszog.
Es tobt eine heftige Debatte darüber, ob die Deutschen Kriegsgefangene oder Freiwillige waren. Der Autor Helge Hagemann behauptet, die Zustimmung eines dänischen Ministers für die Verwendung des Begriffs „Kriegsgefangene“ erhalten zu haben, andere Historiker behaupten, dass es sich um Freiwillige handelte.
Wie viele Soldaten wurden festgehalten?
In den Tagen um den 11.05.1945 handelte es sich schätzungsweise um etwa 1.000 Offiziere und Soldaten, die Zahl erhöhte sich im Laufe der Zeit nach offiziellen Militärdokumenten auf rund 2.600.
Im Gebiet Oksbøl befanden sich zum Beispiel sechs deutsche Offiziere, 45 Unteroffiziere und 61 Soldaten (im Gegensatz dazu waren nur zwei dänische Offiziere und drei dänische Soldaten abkommandiert).
Hagemann schreibt, dass ungefähr 2.000 deutsche Soldaten abkommandiert wurden. Interessant daran ist, dass es sich hier nicht nur um deutsche Pioniere in Dänemark handelte, sondern dass auch Kriegsgefangene aus Deutschland geholt wurden, um an der dänischen Nordsee Minen zu räumen.
Wie viele Soldaten wurden verletzt oder getötet?
Es herrscht Unsicherheit über die Zahl der Opfer:
Nach Ansicht des Historikers Thomas Tram Pedersen werden wir die genaue Zahl der getöteten Soldaten nie wirklich kennen. Er schätzt jedoch, dass es mindestens 150 Tote und etwa 300 Verletzte gewesen sein müssen.
Ein offizieller dänischer Bericht über das Gebiet Hvide Sande bis Esbjerg gibt 47 deutsche Todesfälle (ein Offizier, 11 Unteroffiziere, 35 Soldaten) an.
Ein weiteres offizielles dänisches Dokument über das gleiche Gebiet und darüber hinaus über Skallingen vom 04.10.1945 berichtet von 149 Todesfällen, 165 Schwerverletzten und 167 leicht Verletzten unter den Deutschen.
In einer deutschen Erklärung wird davon ausgegangen, dass es bis zum 01.09.1945 179 Tote und 165 Verwundete gab. Diese Zahlen wurden später auf 250 Tote, 200 mehr oder weniger schwerverletzte und 400 leicht verletzte Personen erhöht. Zu beachten ist, dass sich diese Zahlen stark von den offiziellen dänischen Zahlen unterscheiden (Ref. Hagemanns Zitat aus dem deutschen Werk Maschke-Kommission).
Der Unterschied kann so beschrieben werden: "Es gibt Meinungsverschiedenheiten zwischen den dänischen und den deutschen Berichten über die endgültigen Opferzahlen. Wir können aber davon ausgehen, dass es zwischen 150 bis 250 tote und 300 bis 340 verwundete deutsche Soldaten gab.
Wer waren die Soldaten?
Die meisten der Gefallenen trugen den Rang des „Pioniers“ und waren gewöhnliche Soldaten im Alter von 17 und 18 Jahren. Offiziere und Befehlshabende waren Männer zwischen 25 bis 33 Jahre. Das Fußvolk war also bei Hitlers Machtübernahme Mitte der 30iger Jahre, nur 7 oder 8 Jahre alt und zu Beginn des Krieges nur 12 bis 13 Jahre alt.
Es ist nicht möglich, ein offizielles Register zu finden (ein solches existiert möglicherweise nicht), daher muss man auf Grund von Vergleichen und Generalisierungen schlussfolgern.
In Lemvig sind beispielsweise 63 deutsche Soldaten und 17 deutsche Flüchtlinge begraben.
Im Zeitraum vom 12.05. bis 14.08.1945 starben insgesamt 26 Soldaten, die meisten von ihnen waren Pioniere oder Gefreite (Unteroffiziere). Das Durchschnittsalter betrug 19,6 Jahre, wobei angemerkt werden muss, dass ein Unteroffizier und ein Feldwebel 31 Jahre bzw. 33 Jahre alt waren und den Altersdurchschnitt entsprechend hoben. Das typische Alter der gewöhnlichen Soldaten betrug 17 bis 18 Jahre.
Diese Berechnungen können durchaus zur Diskussion gestellt werden. Da es allerdings keine Übersicht über die Gefallenen gibt, ist es schwer hier zu präzisieren.
Es verwundert jedoch, dass die deutschen Soldaten begraben wurden, ohne in die Kirchenbücher aufgenommen worden zu sein. Es konnte also ein ministerieller Erlass vorgelegen haben, der eine externe Buchführung angeordnet hatte. In Esbjerg gibt es beispielsweise eine Auflistung aller deutschen Beerdigungen (insgesamt 878), dazu gehören sowohl Flüchtlinge, Deserteure, Minen-Pioniere und deutsche Gefallene zwischen 1940 und 1945.
Um wie viele Minen handelte es sich?
Um so viele Soldaten wie möglich für den Angriff auf die Sowjetunion an die Ostfront zu verlegen, baute man ab 1942 den „Neuen Westwall“. Dieser Wall sollte sich entlang der gesamten Atlantikküste erstrecken, von den Pyrenäen bis zum Nordkap, um eine Landung der Alliierten zu verhindern. Insgesamt 1,5 Millionen Minen wurden entlang der dänischen Küste verlegt.
Zwischen dem 11.05.1945 und dem 04.10.1945 wurden nach Militärdokumenten 1.402.000 Minen geräumt, weil sich die Arbeit aber bis 1946 hinzog, muss die Zahl noch einmal korrigiert worden sein.
Im Gebiet Oksbøl wurden zirka 482.000 Minen geräumt. Hier waren 14 Offiziere, 95 Unteroffiziere und 332 Soldaten im Einsatz. Die Verluste beziffern sich auf einen Offizier, 11 Unteroffiziere und 35 Soldaten. Keine dänischen Aufseher wurden verletzt.
Wie verliefen Arbeit und Kontrolle?
Ein offizielles Dokument bestätigt, dass ein Gebiet erst dann freigegeben wurde, wenn es von Personen und Panzern „durchmarschiert“ worden war. Panzerminenfelder wurden mit gepanzerten Fahrzeugen kontrolliert. Standen keine zur Verfügung, dann geschah dies mit Lastwagen oder Personenfahrzeugen. Der Befehl lautete, dass sich der Führer des jeweiligen Arbeitstrupps in dem Kontrollfahrzeug zu befinden hatte. Die Kontrollen sollten am gleichen Tag wie die Räumung vorgenommen werden. Bei den Kontrollen wirkten auch ca. 250 dänische Kontrolleure mit.
Unter den dänischen Kontrolleuren entstand wegen den jämmerlichen Verhältnissen und der fehlenden Versorgung Unmut. Das hatte zur Folge, dass die dänischen Aufseher häufig der Arbeit fernblieben und nur die Kontrollberichte der Deutschen abschrieben, ohne jedoch die Gebiete vor der Freigabe selbst kontrolliert zu haben.
Die Verhältnisse werden in einem Bericht so beschrieben: „Davon abgesehen, dass die Kontrolleure nicht qualifiziert waren, waren die schlechten Verhältnisse, unter denen die Kontrolleure lebten, eine Ursache für die mangelhafte Kontrolle. Zeitungsberichte über Zigaretten, Urlaub, Uniformen u.a. blieben leere Versprechungen und schürten die Unzufriedenheit der Kontrolleure. Es mangelte an Fahrrädern und Ersatzteilen, zusätzlichen Stiefeln und Arbeitskleidung, und nicht zuletzt an Uniformen für den Ausgang.“
In einem späteren Bericht kam man zu der Schlussfolgerung, dass die Effektivität der Minenräumung der Deutschen damit zu erklären war, dass sie selber durch die Minenfelder marschierten und die Panzerminenfelder durchfahren mussten, die Arbeit daher gründlich verrichtet wurde.
Die Räumung geschah täglich in acht Arbeitsstunden und es war festgeschrieben, dass der Arbeitstag nach acht Stunden zu enden hatte (in einem anderen offiziellen Bericht ist von einer durchschnittlichen Arbeitszeit von sechs Stunden die Rede). Man kann von ca. 100 Räumungstagen ausgehen, da sowohl an Sonntagen, Tagen mit Begräbnissen und Tagen mit extrem starkem Regen nicht gearbeitet wurde. Es wird auch berichtet, dass die Arbeit bei ernsthaften Unfällen eingestellt wurde.
Wie war das Verhältnis zwischen Dänen und Deutschen und wie wurden die Deutschen behandelt?
Die Beziehungen und die Zusammenarbeit mit der lokalen Bevölkerung und den Behörden wurde als „so schlecht wie überhaupt möglich und fast skandalös“ beschrieben. „Es geschah mehrmals, dass Behörden sich weigerten, Unterkünfte zur Verfügung zu stellen und die Lokalbevölkerung sich weigerte die Soldaten aufzunehmen ... und dass deutsche Soldaten nur unter der Androhung von Zwang“ aufgenommen wurden.
In dem offiziellen Bericht heißt es, dass es bei der Lieferung von Nahrungsmitteln und anderen Hilfsgütern an die Deutschen Schwierigkeiten gab. Man habe versucht, den Umfang der Lieferungen zu erhöhen und die Qualität zu verbessern, aber nichts geschah. Die Deutschen baten mehrmals ergebnislos darum, dass die Menge der Lieferungen erhöht werde.
Die schwierigen Bedingungen werden von Hauptmann Geuer in Helge Hagemanns Buch bestätigt:
„Es ist nirgends vom Hungern die Rede, aber es ist ganz klar, dass sie die 2.500 Kalorien pro Tag und Kopf, die der Norm für Kriegsgefangene entsprach, nicht bekamen und diese aber wahrscheinlich vom Roten Kreuz hätten übernommen werden können, hätte dieses Zugang zu den Gefangenen/Freiwilligen gehabt.“
Quelle: Nordisk Film