Sebastião Salgado in Schwarz Weiß in Frankfurt, Teil 3/3
Claudia Schulmerich
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Nominiert zum Oscar ist er gewesen, der Dokumentarfilm, den Wim Wenders als Hommage an Sebastião Salgado gedreht hatte über den, von ihm verehrten verehrten Fotografen. Natürlich in Schwarz Weiß.
Und wenn wir ihn nun im Zusammenhang mit der Frankfurter Ausstellung in der Uni zu Salgados MIGRATIONS noch einmal in Erinnerung rufen – meine Güte, er wurde Ende 2014/Anfang 2015 aufgeführt, im Filmgeschäft schon wieder längst ausgesondert und von vorgestern!, bis er als Klassiker wiederauflebt - , dann aus zwei Gründen: natürlich wäre es sinnvoll gewesen, den Studenten, die die kleine Kammerausstellung in der Galerie tatsächlich anschauen dann auch in einer Extravorstellung diesen eindrucksvollen Film zu zeigen, der stärker als die fertigen Ergebnisse in Form von Fotografien eben die Methode des Aufnehmens durch den Fotografen zeigt. Und sein Wandern durch die Welt, ein moderner Ahasverus.
Übrigens ist der Ausdruck das Salz der Erde ja eigentlich aus der Bibel. Dort heißt es in der Bergpredigt, Mt 5,13): Das Bild vom Salz der Erde weist auf die unabdingbare, verantwortungsvolle Aufgabe der Jünger Jesu an der Welt hin. Entsprechend wird auch das Wortbild fortgeführt: „Wenn das Salz seinen Geschmack verliert, womit kann man es wieder salzig machen? Es taugt zu nichts mehr; es wird weggeworfen und von den Leuten zertreten.“ Es geht also um Existentielles.
Wim Wenders hat sich zur Benennung seines Films ganz eindeutig geäußert: „„Salgado macht Bilder von Menschen, denn die sind das Salz der Erde “ und führt fort: „Ich wollte herausfinden, warum dieser Fotograf seit vielen Jahren so einen starken Eindruck auf mich macht.“ Das ist ihm gelungen und wir können daran teilhaben, denn tatsächlich erlebt man im Film zweierlei. Neben dem Sichtbarmachen von Fotografierstrategien, die man dezidiert im Wort oder so nebenbei durch sein Tun von Salgado mitbekommt, erleben wir auch den Menschen, den Künstler Salgado. Wim Wenders macht das hervorragend, den eher durch die Kamera Sprechenden auch zu Worten und zu ganzen Aussagen und Erklärungen zu verführen.
Wir erfahren auch mehr über Herkunft, Aufwachsen, und Familie von Salgado, vor allem von den scharfen Wechseln, ja Brüchen, die in seinem Leben mehrmals eintraten. Der in Brasilien zuerst in sicheren ländlichen Verhältnissen aufwachsende studierte Mann war für eine bürgerlich-wissenschaftliche Karriere vorgesehen – es kam anders. Und mehrmals kam es in seinem Leben anders. Als er sich entschieden hatte, erst einmal quer durch die Welt in ästhetischem Schwarz Weiß, das sowohl eine Distanz zum lebendigen Leben wie auch eine durch den Kontrast entstehende Verschärfung bewirkt, also in derartiger Vorgabe Menschen zu zeigen, wie sie leben, wie sie arbeiten, woran sie glauben, blieb er erst einmal bei den Armseligsten stehen und die fand er in Afrika, in Mali, in Ruanda...
Und im Film erzählt Wim Wenders, daß es dieses Foto von der blinden Tuaregfrau – eine moderne Pieta ohne Kind - war, die in ihren traditionellen Umhang gehüllt, den Regisseur neugierig auf den Fotografen machte, der eine so dichte, so poetische und so rigorose Aufnahme zuwege bringt. Aber das war viel später und zu dem Film kam es auch nur, weil Wenders den Sohn Juliano Ribeiro Salgado als Co-Regisseur gewinnen konnte. Der Sohn agiert sehr zurückhaltend, was dem Film gut tut, aber sicher hat er dazu beigetragen, daß sich der alte Salgado überhaupt darauf einließ.
Eigentlich sind Salgados Protagonisten dieser Jahre noch jung, aber ausnahmslos alle sehen wie alte Männer aus, wie Greise, so sehr verwüstet die harte Arbeit und das wenige Essen die Gestalten. Von den Kindern ahnt man, daß die meisten nicht groß werden. All das Elend, das er fotografiert, damit die Welt einen Spiegel erhielt und sich die Industrienationen um die ausgebeuteten Länder und ihre Bewohner kümmerten, all das Elend nahm ihn selbst derart mit, daß er nicht mehr weiter wußte.
Das war dann die Wende zu den Naturfotografien, die wir in dem Band GENESIS aus dem Taschen Verlag so lieben gelernt haben. Aber auch das hieß, das Wanderleben über die Welt weiterzutreiben, was nun in Brasilien erst einmal ein Ende hat, wo die Farm der Großeltern neu erworben werden mußte. Eine neue, eine eigene und schöne Geschichte.
Wenders läßt uns an der Auseinandersetzung des Künstlers mit seinen Fotografien teilhaben, in dem er für den Film eine spezielle Kameratechnik wählt, die 'Teleprompter-Dunkelkammer' heißt. Der Fotograf sieht seine Bilder auf einem Bildschirm, durch die hindurch filmt er den dazu sprechenden Regisseur, so daß vor unseren Augen das Foto und der Regisseur miteinander verschmelzen. Das ist unglaublich eindrucksvoll.
Der Film ist tatsächlich ein Ereignis und bei der Abbildung von so viel Elend doch auch eine Hoffnung, daß die Menschheit aufwacht. Doch, was wir auch gerne erfahren hätten, das ist, was eigentlich Salgado sein ganzes Leben lang in die Welt hinausgetrieben hat. Für wirkliche kritische Nachfragen hat Wenders – und man kann es verstehen – einfach zu viel Respekt und Scheu vor dem Menschen Salgado. Dabei war doch der Sohn dabei, der sicher über das Fehlen des Vaters in seiner Kindheit, ja fast sein ganzes Leben lang, hätte erzählen können. Aber das wäre ein anderer Film geworden und so sind wir mit diesem mehr als zufrieden.
Foto: Links Salgsao, rechts Wenders beim Sichten der Fotografien
Info:
Sie können den Film auf DVD und Blu-Ray erwerben
Das Salz der Erde. Eine Reise mit Sebastião Salgado. Ein Film von Wim Wenders und Juliano Ribeiro Salgado
DVD
Ton: Dolby Digital 5.1
Sprachen: Deutsch mit französischen und portugiesischen Passagen
Untertitel: Deutsch
Bild: 16:9 (1,85:1)
Länge: 106 Min
FSK: Hauptfilm 12
Blu-Ray
Ton: DTS-HD Master Audio 5.1
Sprachen: Deutsch mit französischen und portugiesischen Passagen
Untertitel: Deutsch
Bild: 16:9 (1,85:1) / 1080p
Länge: 110 Min
FSK: Hauptfilm 12
BONUSMATERIAL
Deleted Scenes · Papu’s Song - Musik Video · Featurette Premiere in Essen & Berlin
· Kinotrailer · Erstauflage mit Postkarten-Set: 4 Motive von Sebastião Salgado
Ausstellung: Sebastião Salgado, MIGRATIONS, bis 15.7. 2016 in der Studiengalerie 1.357, IG-Farbenhaus, Campus Westend, Goethe-Uni Frankfurt
Bildband: Sebastião Salgado „Genesis“, gebunden, 580 Seiten mit Einlegeheft Erklärungen zu den Fotos, Taschen-Verlag, 49,99 Euro
Info II: Letzjährige Artikel in Weltexpresso über Salgado:
http://weltexpresso.wurzelknoten.de/index.php/kino/5155-der-dokumentarfilm-das-salz-der-erde
http://weltexpresso.wurzelknoten.de/index.php/kunst2/5154-genesis-der-katalog
http://weltexpresso.wurzelknoten.de/index.php/kunst2/5153-seine-ausstellung-genesis