Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 14. Juli 2016, Teil 6
Kirsten Liese
Berlin (Weltexpresso) - In einem Land, in dem das Regime die Drehorte und Interviewpartner vorgibt, ist es unmöglich, das wirkliche Leben abzubilden. Es bedarf schon einiger Kunstgriffe, um der verordneten Propaganda etwas entgegenzusetzen.
Wie das gehen kann, zeigte erst kürzlich der Russe Vitaly Mansky in seinem Dokumentarfilm „Im Strahl der Sonne“, in dem er die Nordkoreaner mit heimlichen Aufnahmen demaskierte. Die Regisseurin Sung-hyung Cho, die sich als Südkoreanerin erst einen deutschen Pass besorgen musste, um ihre „Brüder und Schwestern im Norden“ besuchen zu dürfen, gibt sich nicht minder erfinderisch. Sie legt den Fokus auf Interviews mit Menschen aus den unterschiedlichsten Bereichen und bringt sich als aufrichtig interessierte, sensible Fragenstellerin selbst stark ein.
Einige dieser Dialoge wirken unspektakulär, wenn etwa ein Künstler erläutert, warum er nur schöne Frauen porträtiert oder sich ein Experte über die Energieversorgung auslässt.
Dank einer klugen Gesprächsstrategie gelingt es der Regisseurin aber auch, heikle Themen anzuschneiden. Von wegen „Made in China“: Mit falschen Etiketten exportiert eine Kleiderfabrik Tausende von T-Shirts nach China, Kanada und in die USA. Mit dem Schwindel konfrontiert, verweist die skrupellose Geschäftsfrau auf das Wirtschaftsembargo, das ihr keine andere Wahl lasse. Sie räumt auch ein, ihre Arbeiterinnen ihren persönlichen Leistungen entsprechend unterschiedlich zu entlohnen und erniedrigt die Schwachen vor den Kolleginnen.
Solche Maßnahmen sind freilich in diesem Land nicht ungewöhnlich: „Wer im Sozialismus nicht arbeitet, soll nicht denken, dass er essen kann,“ lautet die Devise, mit der sich beispielsweise auch ein Landwirt identifiziert, überzeugt davon, dass der Staat mächtig und reich sein müsse, damit es dem Einzelnen gut gehen kann. Dass das Wohl des Individuums unter dem Staatswohl steht, erachten alle Interviewten als selbstverständlich.
Die Handelsbeziehungen mit dem Ausland mögen zudem erklären, warum nordkoreanische Kinder, wiewohl vom Rest der Welt völlig abgeschottet, in der Schule die englische Sprache erlernen. Sie kommt ihnen freilich auch zugute, sofern sie in dem riesigen Wasservergnügungspark in der Hauptstadt Pjöngjang arbeiten, der trotz striktem Bikini-Verbot überwiegend Touristen anlockt.
Anekdoten und Legenden über den kultisch verehrten Führer Kim Jong-un ziehen sich wie ein roter Faden durch den Film, der zwar keine neuen Einsichten beschert, aber ungewöhnliche Perspektiven.