Serie: Sonderausstellung im Filmmuseum Frankfurt am Main, Teil 1/2

 

Romana Reich

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso – Warum wir auf diese Filme so fliegen, die meist in Schwarz Weiß uns in eine Welt versetzten, die nicht die unsere ist, wo harte Burschen und nicht minder raffinierte Weiber sich einen Tanz – oft genug einen Totentanz – erlauben, wo der Worte wenig, aber der Gesten und Augenspiele viel ist, wo ebenso viel Schatten wie Licht ist, - warum also, wissen wir nicht. Aber in der neuen Sonderausstellung des Filmmuseums kann man dieser Faszination auf den Grund gehen.

 

Dabei haben wir erfahren, daß diese Ausstellung gleich zwei Premieren bedeuten. Erstmals wird überhaupt dem Film noir aus Hollywood in Europa eine Ausstellung gewidmet,und für das Filmmuseum ist es auch zum ersten Mal, daß eine Erzählart des Films selbst – ein Genre sei er nicht?! - Ausstellungsobjekt wird, was zukünftig eine Schwerpunktbildung sein soll. Für den FILM NOIR haben sich die beiden jungen Ausstellungskuratorinnen Jule Murmann und Stefanie Plappert eine geschickte Ausstellungsdramaturgie überlegt, die sicherstellt, daß auf gewaltig dimensionierten und leuchtend roten Sesseln und Couchs aus den vierziger Jahren auf drei großformatigen Leinwänden auch die dutzendfach ausgesuchten Ausschnitte aus den Filmen bequem angeschaut werden können. Aber ach, eigentlich möchte man dort gleich sitzenbleiben und den ganzen Film von vorne bis hinten anschauen. Denn, und auch das gehört für uns zu dem Faszinosum FILM NOIR, die schaut man genauso gerne ein zweites und drittes Mal an. Es geht um ein Grundgefühl, gar nicht um die eigentliche Handlung.

 

Auf der Vorstellung der neuen Ausstellung in einer Pressekonferenz im dritten Stock des Filmmuseums freute sich Kulturdezernent Felix Semmelroth offensichtlich über die prägnanten Dialoge der ausgebufften Detektive, der zynischen Kriminellen mit den oft schlagfertigen, vom Leben gestählten Frauen und wünscht sich, diese Filme endlich einmal im Originalton hören zu können. „Die Geschichten werfen eine Schlaglicht auf die düstere Seite der US-Gesellschaft: Städte wirken bedrohlich, durchdrungen von Korruption und organisierter Kriminalität“, setzte er ungewöhnlich deutlich hinzu. Wie stark der FILM NOIR aus europäischer Sicht Leben erhielt und gestaltet wurde, war der Chefin des Filmmuseums Claudia Dillmann anzuhören.

 

Sie betonte: „Film noir war vor allem aber auch ein Experimentierfeld für Filmemacher.“ Düsternis und Nachdenklichkeit, Fatalismus und Subjektivität zeichnen den Film noir aus und setzen ihn in unmittelbare Opposition zum klassischen Hollywood-Erzählkino. Die Kamera- und Lichtführung sind ungewöhnlich, die Gesichter haben ihre Licht- und Schattenseite, manche bleiben gleich ganz im Halbdunkel, es entsteht eine geheimnisvolle, meist bedrohliche Atmosphäre. „Harte Kontraste sind stilbildend für die schwarzweiße Ästhetik dieser Bilder“ erläutert Frau Dillmann weiter: „Die Kamera suggeriert nicht mehr – wie in vielen Filmen der Zeit Objektivität und Überblick. Die Bilder sind eingeengt durch Rahmen und Gitter, Gesichter verbergen sich hinter Fensterrahmen oder Jalousien.“

 

Diese Filmästhetik wurde auch zu einem Ausstellungsmerkmal, wenn die Leittexte zu den Ausstellungsteilen wie eine Jalousie gerastert sind – leider auf hellem Grün schwer lesbar. In der Ausstellung werden auch die Lieblingsorte dieser Filme Thema. Das Büro – drei Schreibtische mit Schreibmaschine und Leselampe -, die Stadt, der Salon und die Bar sind eigene Ausstellungsstationen. Überhaupt sei es die „Noir-Ästhetik“, die sie zu dieser Ausstellung und der Art ihrer Präsentation gebracht haben, beteuern die Kuratorinnen. Auf vielen kleinen Monitoren kann man das zusätzlich nachverfolgen, die veranschaulichen, was die übrigen Exponate vorgeben. Da sind zum einen die Kriminalromane – hardboiled genannt, die Chandlers, Hammetts, Cains u.a. – die in der Zweitauflage bei Ullstein dann zum Renner wurden. Denn erstmals wurden sie in den Fünfzigern als eigene Reihe der Krähenbücher im Nestverlag übersetzt und herausgebracht, den Karl Anders nach Frankfurt brachte.

 

Interessant, was man so nebenbei erfährt, was einem aber sogleich auch traurig-wehmütig macht. Dieser Emigrant Anders hatte wirklich eine Pionierleistung vollbracht, bekannt aber wurde die Reihe dann als Zweitauflage bei Ullstein und so setzen sie deren ökonomischen Erfolg auch in der Ausstellung fort. Die Kuratorinnen wußten gar nichts von der Erstfassung. Überhaupt bekam man den Eindruck, daß die beiden auf der einen Seite zu viel wußten, auf der anderen zu wenig. Wenn es ihnen so ausschließlich um die Ästhetik dieser Filme geht, dann bleiben inhaltliche Fragen zwangsläufig unterwegs liegen. Fortsetzung folgt.

 

Bis 14. Oktober

 

www.deutsches-filmmuseum.de