Ein toller Abend mit Bernd Michael Lade im Kino des Deutschen Filmmuseums Frankfurt, Teil 2/3

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Eine Kurzfassung des Inhalts bringt der Verleih Aries Images selbst: Im letzten Jahr der DDR geraten die Genossen der Ost-Berliner „Morduntersuchungskommission“ an ihre Grenzen. Es türmen sich Kriminalfälle, die es im Sozialismus gar nicht geben darf. Die tägliche Entscheidung zwischen Vertuschen und Ermitteln wird für Erstvernehmer Micha mehr und mehr zu einer existentiellen Frage.



Mit Micha spielt Regisseur Bernd Michael Lade die Hauptrolle, und man spürt den Film hindurch, daß diese Figur vom Gehalt her das Klima im Kommissariat entscheiden prägt, also Träger des Films ist, daß aber auch alle anderen Figuren eine derart individuelle Persönlichkeit erhalten – und sie im Film ausleben dürfen - , daß es nur so eine Freude ist, wie unterschiedlich die Menschen sind – und auch in der DDR waren. Das ist eine der Wahrheiten, die dieser Film so nebenbei verkündet, wie spannend, konfliktbeladen, aber auch emotional warm das DDR-Leben beruflich sein konnte.

Die Geschichte

Es beginnt im Juni 1988. Berlin, Alexanderplatz. Klapper, Klapper, ...wir sehen im Zweifingersystem einen auf der Schreibmaschine klappern, hier werden Formulare ausgefüllt, Protokolle erstellt. Wir sind bei der Polizei, bei der Mordkommission. Und wir werden regelmäßig alle paar Monate über das Innenleben dieser Mordkommission,die offiziell also Morduntersuchungskommission benannt werden soll, informiert, bis hinein in die Tage nach dem Anschluß der DDR an die BRD, was ja gerne Wiedervereinigung genannt wird.

Aber im Juni 1988 tuen insbesondere die Parteibonzen der SED noch so, als ob alles in Ordnung ist und die Partei, die Partei immer recht hat. Im Kommissariat tagt die Parteigruppe, wobei der Übergang zwischen Dienst und Parteisitzungen fließend sind, denn das Personal ist jeweils dasselbe, will sagen, Parteizugehörigkeit ist Pflicht in dieser staatstragenden Behörde, durchaus aber für einzelne auch ihre geliebte Kür.

Besonders wichtig sind die Sitzungen für den Parteisekretär, der brav vom letzten Parteitag berichtet, was keinen der desinteressiert Herumsitzenden einen Deut schert.  Das ändert sich mit dem Klingeln des Telefons: eine weibliche Leiche. Zuständiger Ermittler soll Micha (Bernd Michael Lade) sein. Man spürt von Anfang an die innere Spannung in dieser Gruppe, in der es verschiedene, sich überschneidende Zugehörigkeiten gibt. Eben wie im richtigen Berufsleben, wo unterschiedliche Koalitionen zustandekommen, wenn die Animositäten oder echte Feindschaften eine konfliktfreie Zusammenarbeit erschweren.

Dieser Micha auf jeden Fall hat eigentlich schon mit seinen private Problemen genug am Hals, der bräuchte nicht auch noch beruflich Schmackes. Er ist aus dem Schlafzimmer herausgeschmissen worden, muß für die Kinder sorgen und schnell hat man den Eindruck, daß seine privaten Probleme vielleicht genau damit zu tun haben, wie er auch in der Kommission auftritt: kompromißlos, ruppig, total engagiert und ehrlich seine Meinung äußernd. Aber dann auch noch recht behält. Für den Zuschauer übernimmt Micha schnell die Rolle dessen, der uns durch das Dickicht der fachlichen und emotionalen Gruppenkonflikte führt.

Das hat Gründe. Denn schon bei dem ersten Fall, dieser Frauenleiche, will er die schnelle, von Oben bestimmte Lösung, ein Klassenfeind sei der Täter, nicht mitmachen und er läßt sich davon auch nicht abbringen, als offiziell die Ermittlung beendet ist. Er untersucht weiter und überführt den wirklichen Täter. Das wiederholt sich bei den folgenden Morden, wir erkennen, daß Micha eine besondere Rolle in der Kommission spieltund einfach intelligent und einfühlsam ist. Und dann seine unnachahmliche Weise, wie er Täter zum Sprechen bringt. Wie er es macht, ist jedesmal anders, aber sie singen alle, die Unholde, weshalb der Film wohl auch DAS GESTÄNDNIS heißt, mit dem feinen Untersinn, daß es natürlich auch ein Gestehen ist, wie es in der DDR wirklich war.

Spannend, wie sich die Ermittler in den Methoden unterscheiden, und einsichtig, weshalb wir Micha sofort in seiner Gesprächsführung folgen. Er hat ein Gespür für Menschen und Situationen und seine freche Lippe kann er sich auch deshalb erlauben, weil er fachlich eine Größe ist. Dennoch bleiben die Fälle, an denen man sofort Anteil nimmt, eigentlich nur das Mittel zum Zweck, nämlich in einer fast klaustrophobischen Situation das Mit- und Gegeneinander einer Gruppe zu verfolgen, wozu herkömmlich Gruppendynamik gesagt wird, was aber unter den Bedingungen von autoritären Systemen wie der DDR noch eine weitere Spielart gewinnt.

Wie gesagt, ist dieser Film auch deshalb für uns wichtig, weil er die Bandbreite von Verhaltensmöglichkeiten in der DDR aufweist, die der gemeine Westdeutsche nie erlebte, und vom Hörensagen nicht für möglich hielte. Der Schlenker zum Schluß ist dann für uns etwas Wesentliches. Wir sind längst in den heutigen Zeiten, also in gemeinsamen Deutschland der BRD, als Chef firmiert jetzt ein Wessi. Aber die Verhaltensweisen in der Gruppe sind die nämlichen. Die Jasager haben das Sagen und aus dem Wodka, der zur Bestechung und als soziale Droge vom Boß ausgegeben wurde, wird jetzt beim Westboß Whisky. Fortsetzung folgt


Fotos: © Filmverleih


Info:

DAS GESTÄNDNIS

Ein Film von und mit Bernd Michael Lade
nach dem Buch von C. Curd
Welturaufführung Internationale Hofer Filmtage 2015
D 2015, 112 Minuten, Farbe, Dolby 5.1, DCP und BluRay,
Aries Images, Kinostart 15.09.16


DARSTELLER

Micha               Bernd Michael Lade
Klaus            Ralf Lindermann
Günther        Martin Neuhaus
Gerd            Thomas Schuch
Heinz             Jörg Simmat
Parteisekretär        Torsten Spohn
Dieter             Thomas Stecher
Lothar             Steffen Steglich
Prof. Brauner          Wilhelm Eilers
u.a.