In volkstümlichen Heimatklängen schwingende Weltmusik eines Rebellen, heute auf Bayern 3 um 22.30 Uhr
Elke Eich
Berlin (Weltexpresso) - Anlässlich der Tour „Federn“ mit 16 Konzerten vom 28. September bis zum 26. Oktober in Deutschland und Österreich (http://tiny.cc/abuoey), strahlt der Bayerische Rundfunk den preisgekrönten Dokumentarfilm von Marcus H. Rosenmüller aus 2015 aus. Und der macht Lust auf ein Live-Erlebnis.
Was Hubert von Goisern im Laufe seiner Musikerkarriere auf die Bühne bringt und auf Tonträger brennt, ist modernst interpretierte Volksmusik - mit provokanten und oft auch politischen Texten, Alpenrock, angereichert mit Blues-, Soul- und Rap-Elementen, mit vielen afrikanischen Klängen und jeder Menge praller Jodler. Musikalisches Cross-over und Fusion vom Feinsten!
Geboren als Hubert Achtleitner am 17. November 1952 im oberösterreichischen Kurort Bad Goisern am Hallstätter See, wächst der spätere Ausnahmemusiker und Sänger in einem von alpenländischen Traditionen geprägten und gesellschaftlich strengen Klima auf. Sieben Blaskapellen gibt es im damals 6 800 Einwohner zählenden Ort: für die Jungs fast die einzige Chance, mal laut sein zu dürfen, denn aus Rücksicht vor den Kurgästen werden sie zuhause und in der Schule permanent angehalten, leise zu sein. Bloß nicht stören! Und das alleine ist für Energie strotzende junge Menschen Stress pur!
Mit 12 beginnt Hubert mit der „Musi“. Sein damaliger Musiklehrer Sepp ist ein Glücksfall. Er öffnet ihm die Tore zur Welt der Musik und bildet den Grundstock für eine große Karriere mit allerlei exotischen Schwenkern. Noch heute voller Dankbarkeit, sieht Hubert in ihm seinen großen Mentor, alleine schon, wie er sagt, weil der Sepp „Musikalität in ihrer menschen- und lebensfreundlichen Form in seinem ganzen Umfeld verströmt“ und ihn nie unter Druck gesetzt, „kein Mal mit ihm geschimpft“ habe.
Für den aus Bayern stammenden Regisseur und Drehbuchautor Marcus H. Rosenmüller („Wer früher stirbt, ist länger tot“, „Sommer in Orange“) begegnen sich die beiden und lassen die Vergangenheit wieder aufleben. Der eher ernste wirkende Hubert, inzwischen Anfang 60, zieht mit einem Motor betriebenen Boot zur blauen Stunde seine Kreise auf dem Hallstätter See, fängt Fische und philosophiert über das Leben, die Musik und das Menschliche an sich. Er strahlt mit Sepp und er strahlt, als er einen Fisch fängt.
Die Gesprächs-Sequenzen auf dem See, in Altlehrer Sepps Behausung und an Erinnerungs-Orten, die Schlüsselerlebnisse im Laufe der wahnsinnig beeindruckenden Karriere markieren, und die Interview-Passagen mit Weggefährten (Manager Hage Hein, Journalistenfreund Bernhard Flieher, der frühere Plattenlabel-Manager Andi Weinek), verwebt Rosenmüller mit Archiv-Auszügen von Konzerten, Reisen und Diskussionen – auch mit Nicht-Gleichgesinnten. So ist zu erleben, wie ein älterer und recht autoritärer Bad Goisener Volksmusiker den bereits erfolgreichen Künstler wegen seines unorthodoxen Umgangs mit verschiedenen musikalischen Stilelementen hartnäckig kritisiert. Selbst Huberts lebensfrohes Hüpfen auf der Bühne ist dem Mann ein Dorn im Auge. „Das ist das Typische! Dieses vor dem Altar der Volksmusik Knien!“, sagt dazu Sepp, der wie Hubert solche intolerante Haltung zutiefst verabscheut.
Seiner Dankbarkeit Sepp gegenüber kann Hubert von Goisern kaum genug Ausdruck verleihen: „Du hast mir vermittelt, dass Musik was Lässiges ist! Nix mit Arbeit, Qual und Anstrengungen, sondern in erster Linie was fürs Gemüt!“ lobt er. Ein fauler Hund sei er als Jugendlicher gewesen, erinnert sich Hubert, habe kaum zwischen den wöchentlichen Musikstunden geübt, und doch habe Sepp ihn nie unter Druck gesetzt. Auch das Thema Außenseitertum kommt zur Sprache. Huberts Großeltern mütterlicherseits kamen aus dem Sudetenland, und das bedeutete für ihn in einer schmerzhaften Erfahrung, im Dorf nie so richtig dazuzugehören. Dabei wollte der junge Hubert, wie die meisten Kinder und Jugendlichen, einfach normal sein. Andererseits hatte er auch schon immer genaue Vorstellungen, sah wohl den Himmel als seine Grenze und scheint auch nicht unbedingt kompromissbereit zu sein. Alles andere als ein verhuschter Mittelmaß-Kandidat!
Seinem Kapellmeister sind Huberts Haare zu lang und damit zu mädchenhaft, sein Musikgeschmack ist ihm zu ausfallend modern und auch sein selbstbewusstes Auftreten missfällt: Die größte und schönste Hutfeder „krallt“ sich der junge Blasmusiker unverfroren, sobald der Vorbesitzer aus der Musikkapelle ausscheidet. Das alles führt schließlich zu einem Disput und zu Huberts Ausschluss aus der Kapelle. Die Trompete wird abgezogen und Entschuldigungen bleiben auf beiden Seiten aus.
Berufsmusiker zu werden, einschließlich des damit assoziierten „Zigeunerlebens“, hat Hubert zwar auf dem Schirm, aber das ist für seinen Vater indiskutabel. Und so lernt der Sohn ihm zuliebe den Beruf des Chemielaboranten. Huberts erste Frau, deren Familiennamen „Sullivan“ er annimmt, redet ihrem jungen Gatten gar die Musik ganz aus, so dass er – quasi aus Liebe - vier Jahre lang kein Instrument anrührt. Das Fernweh zieht ihn und seine Frau nach Nordafrika, nach Kanada und auf die Philippinen. Irgendwann hat ihn die Musikleidenschaft dann doch wieder in ihren Fängen, es kommt zur Trennung, und der Name Sullivan wird von ihm durch den Künstlernamen „von Goisern“ ersetzt. Den wiederum auszuwählen, so der Musiker grinsend im Film , sei „praktisch ein Racheakt“ gegen sein Dorf gewesen.
Mit einer besonderen Altlast seiner Region setzt sich „von Goisern“ in diversen Liedtexten auseinander: Auch der im Oktober 2008 bei einem Unfall verstorbene rechte Politiker Jörg Haider ist ein Goiserer. 1950 als Sohn von Nationalsozialisten geboren und mit seiner rassistischen Haltung ist der ein rotes Tuch für den toleranten und weltoffenen Hubert. Besonders unangenehm: Ein nicht geringer Teil der Fans von Hubert von Goisern fühlen sich auch von Haiders erzkonservativem Gedankengut angesprochen. Die Volksmusik erscheint als naheliegender Indikator für konservativstes Gedankengut. „Über die politische Situation im Land mein Urteil abzugeben“ und zwar kritisch und deftig, wird für Hubert unablässig nötig. Da wird in Folge auch schon mal ein Konzert von ihm von volksnationalen Haider-Fanatikern ausgebuht!
Als 2006 die FPÖ von Goiserns populäres Lied „Heast as nit“ (aus seinem Erfolgsalbum mit den Alpinkatzen „Aufgeigen statt niederschiassen“ aus 1992) für FPÖ-Veranstaltungen hernimmt, schreibt er einen offenen Brief an Heinz Christian Strache mit der Aufforderung, zukünftig keine seiner Lieder mehr zu nutzen. - So wie jetzt auch einige Bands Donald Trump die Nutzung ihrer Lieder bei Wahlkampfveranstaltungen untersagen. Das Politische und das soziale Engagement durchziehen wie ein roter Faden Hubert von Goiserns gesamtes Schaffen und Leben. 1994 geht er in die lang ersehnte Pause, will sich wieder spüren und aus seinem Hamsterrad raus, seelisch auftanken. Nach dem letzten Konzert im November, u.a. mit Liedern aus dem Album „Omunduntn“ (= Oben und Unten), tritt er ab und löst seine Band auf.
Ohne Touren hat er Zeit für Anderes: Er komponiert Musik für soziale Projekte (u.a. für Greenpeace) und Filmmusiken, u.a. für „Schlafes Bruder“ und „Hölleisengretl“, in dem er neben Martina Gedeck sein Schauspieldebüt gibt, besucht die von ihm sehr vereehrte Verhaltensforscherin Jane Goodall, die in Tansania ihr Leben der Erforschung von Schimpansen widmet, und ist überhaupt viel in Afrika und auch in Tibet unterwegs. Seine Erfahrungen teilt er immer wieder mit dem Publikum zuhause, z.B. in TV-Sendungen.
Ab 1999 schreibt Hubert von Goisern wieder Stücke für sich und sein neues Band-Ensemble, und im Sommer 2000 entsteht das Album „Fön“. Nach der „Fön“-Tour geht es nach Ägypten und Westafrika, wo von Goisern und seine Band bei wunderbaren interkulturelle Auftritten mit lokalen Musikern spürbar machen, was gelungene Völkerverständigung auf Augenhöhe bedeutet. In den Archiv-Sequenzen des Films aus dieser Zeit sehen wir den Musiker als besonders gelösten und fröhlichen Menschen. Seine Konzerte für die Tibeter sind ihm wichtig und die Touren mit dem Musiker Mohamed Munir und dessen Friedenslied führen nach Sarajevo und Kap Verde. In 2005 folgt dann ein Auftritt in Bamako in Mali.
Von 2007 bis 2009 beeindrucken er und seine Kollegen mit den Konzerten der „Linz Europa Tour“. Mit einem kleinen Schiffsverband touren die Musiker durch viele europäische Länder - auch im Osten Europas. Und wenn Hubert von Goisern die Organisation für das Publikum vor Ort inakzeptabel findet, z.B. weil sie elitär aufgezogen ist und arme Menschen ausschließt, dann sagt er ein Konzert auch schon mal konsequent ab, bzw. verlegt es spontan an einen Ort, der für alle zugängig ist. Immer wieder gibt es im Zusammenhang mit dieser Tour Auftritte mit großen Künstlerkollegen, wie z.B. Xavier Naidoo, Konstantin Wecker und BAP-Sänger Wolfgang Niedecken. Später sucht Hubert von Goisern dann wieder andere, subtilere Impulse in einer „Wirtshaus-Tour“. Erstaunlich für seinen Manager, dass er sich darauf einlässt, weil man dabei stark auf Tüchfühlung mit dem Publikum kommt.
Ein einfühlsames Porträt des Musikers Hubert von Goisern, der recht menschenscheu ist, ist Marcus H. Rosenmüller da gelungen. Wir hören von Ex-Frauen, aber das ganz aktuell private Leben ist ausgeblendet, was der Nähe zum Künstler keinen Abbruch tut. Denn wir erleben auf der Bühne einen ausgesprochen sinnlichen Mann.
Wer Hubert von Goiserns Musik und seine Auftritte erlebt, ist nicht nur von seinen Melodien, Texten und Jodlern beeindruckt, sondern gerade auch von seinem ausdrucksstarken und wilden Ziehharmonika-Spiel. Und dazu gibt es eine schöne Anekdote: Sein Großvater bringt ihn auf dieses Instrument. Doch mehre Jahre steht es nur rum, weil Hubert sich ihm total verweigert „Leute, die so was spielen,“ so erklärt er seinem Vorfahren, sind „Ewig-Gestrige, und auch die Musik sei ewig-gestrig und verstaubt.“ Der aber lässt das Instrument beharrlich für seinen Enkel stehen!
Welche ungeahnt “geile“ Musik er dieser Ziehharmonika gegen alle seine Erwartung dann doch entlocken kann, merkt Hubert eines Tages nachts, als er nach dem Genuss einer halben Flasche Schnaps sturzbetrunken ist und das Instrument auseinanderzureißen versucht. Positiv überwältigt fällt er „mit dieser Erkenntnis in Ohnmacht“ und seitdem ist die Ziehharmonika seine liebste und treuste musikalische Begleiterin. Wie eine herzallerliebste und begehrte Geliebte behandelt er sie, spielt sie mit geschlossenen Augen, wird eins mit ihr und fühlt sich mit jeder Faser seines Seins in ihre Klangwelt ein, springt geschmeidig mit ihr herum und reißt dabei jeden mit, der die beiden in ihrer Leidenschaft erlebt. Übrigens: „Die wirkliche Musik“, so der Konzertmusiker Hubert von Goisern, „passiert, wenn sie gespielt und gehört wird, nicht wenn sie aufgenommen wird.“
Fotos: (c) Blanko Musik
Info:
Die Tour „Federn“ 28. September – 26. Oktober
http://www.eventim.de/tickets.html?affiliate=GMD&doc=artistPages/tickets&fun=artist&action=tickets&includeOnlybookable=true&kuid=281&xtor=SEC-2023-GOO-[Hubert_von_Goisern]-[109893184222]-S-[hubert%20von%20goisern%20tour]
heute auf Bayern 3 um 22.30 Uhr
und bis zum 27. September online in der BR-Mediathek abrufbar (http://tinyurl.com/j7s6pf7)
Ergänzend in der Mediathek des BR ist zu sehen bis zum 27. September :
Heimatsound Concerts - Hubert von Goisern
aus dem Passionstheater Oberammergau
http://tinyurl.com/hnudjpc
Hubert von Goisern im Interview: "Ich bin für Entgrenzung!"
http://tinyurl.com/zsfr3d3
Goisern und Rosenmüller im Interview - Kraft und Ruhe beim Angeln
http://tinyurl.com/zntkkvu
Heast as scho' - Goisern goes Country - Die Tourdoku
http://tinyurl.com/h7esafg
Damalige Filmkritik
Weltexpresso hatte den Film anläßlich seiner Erstaufführung in Kinos besprochen und darüber geklagt, in wie wenig Filmtheatern er überhaupt angeboten wurde. Um so besser nun, daß das Fernsehen für weitere Verbreitung sorgt!
https://www.weltexpresso.de/index.php/kino/4727-hubert-von-goisern-brenna-tuat-s-schon-lang