Hessischer Film- und Kinopreis am 21. Oktober in der Alten Oper, Teil 4
Claudia Schulmerich
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Hoffentlich haben das alle mitbekommen, welche Ehre es war, daß das erfolgreiche Gespann Szabo+Brandauer dem Land Hessen die Ehre gaben, als der eine den anderen lobte, als dieser den Ehrenpreis des abwesenden Hessischen Ministerpräsidenten erhielt.
Was sind das für Sitten, ohne Erklärung den rührigen Boris Rhein, zuständiger Fachminister für Wissenschaft und Kunst auf die Rampe der Alten Oper zu schicken und dem Weltstar Brandauer, der ja auch Regisseur und Kulturaktivist ist, den Ehrenpreis des Hessischen Ministerpräsidenten zu überreichen, den in den Jahren zuvor hauptsächlich Schauspielerinnen bekommen hatten, von Senta Berger, Monica Bleibtreu, Hannelore Elsner, Hannelore Hoger, bis Iris Berben, erhalten hatten. Mit gutem Recht wird der Preis nicht im Namen des Landes Hessen überreicht, sondern als sehr persönliche Wahl des jeweiligen hessischen Ministerpräsidenten. Eigentlich.
Auf jeden Fall war die den Abend abschließende Ehrung dramaturgisch Höhepunkt eines auch sonst gelungenen Abends - den Brandauer übrigens wie einen gelungenen Film empfand, mit einem „phantastischen Drehbuch“ - , ein Abend, in dem die Preise oft erwartet, dann wieder überraschend purzelten und den Jochen Schropp intelligent und zügig und noch dazu mit Hessenflair moderierte. Als Jasmin Tabatabai zusammen mit dem David Klein Quartett dann auch noch den Alltag einer erziehenden Mutter musikalisch darbot, gab es Sonderapplaus, der aber auch ansonsten gerne gespendet wurde, galt es doch gute Leistungen zu honorieren.
Die ungarische Regisseurlegende István Szabo - in Frankfurt kein Unbekannter, immer wieder wird er ins Filmmuseum eingeladen – war für den Preisträger Brandauer schon deshalb der richtige Laudator, weil mit ihm, was Brandauer dann ebenfalls anmerkte, die internationale Schauspielkarriere von Klaus Maria Brandauer begann. Auf MEPHISTO 1981 folgte 1985 OBERST REDL – ein ganz besonders guter Film! - und 1988 dann HANUSSEN, die beiden letzteren Filme hatten Oscarnominierungen, alle zusammen haben unzählige Preise gewonnen, so daß man sich heute im Jahr 2016 eigentlich fragt, warum die beiden ihre Erfolgsgeschichte nicht weiterschrieben, was sie ja taten, dann aber getrennt.
Daß Szabo auch Opern inszeniert, kann man daran ermessen, daß er erstens buch- und beckmesserisch anfing: „Meine Aufgabe ist es, in drei Minuten eine Laudatio...“, die er generös mit einem Lied auf Brandauer singend, schließlich findet das Ereignis in der Alten Oper statt, beendete, natürlich – zu unserem, auch intellektuellen Vergnügen weit über drei Minuten – und die darin gipfelte, daß neben dem uns bekannten Brandauer, über dessen Schauspieler- und Regisserverdienste jeder Bescheid weiß, es eben auch einen gebe, der weniger bekannt sei, einer der es sich als überzeugter Europäer zur Aufgabe mache, den Geist Europas wachzuhalten. Zum Beispiel durch Thomas Mann Abende. Ja, er sei geradezu ein "Guerilla-Kämpfer" für europäische Kultur. Das war schon eine Sternstunde, als Szabo und Brandauer als Botschafter Europas Seele auftraten. Denn die gibt es, von ihr ist aber weniger die Rede.
Brandauer zeigte sich fit in der Beurteilung seiner Schauspielerkollegen. Mit dem als Bester Schauspieler ausgezeichnetem Heino Ferch habe er vor 18 Jahren den JEDERMANN gegeben - "Die Kerle sind erwachsen!" - und Margarita Broich, Beste Schauspielerin, ist seine Kollegin am Berliner Ensemble, wo beide engagiert sind. Klaus Maria Brandauer ist wirklich ein begnadeter Schauspieler, denn sein Auftritt auf der Bühne, formal Dankesrede genannt, wurde zum flammenden Appell, die Sache der Menschen in Europa und die Sache der Kunst selber in die Hand zu nehmen – und so glaubwürdig er war und ist, ist doch auch der kleine Schlenker, guckt her, wie ich das mache, augenzwinkernd dabei.
Und das ist gar nicht ehrenrührig gemeint, sondern Ausdruck der Bewunderung, was man auf der Bühne in wenigen Minuten zu Wege bringt, nämlich ein ganzes Haus nach den Stunden des Preisgetümmels emotional gesättigt und im Kopf zufrieden zum anschließenden Fest in der Alten Oper zu entlassen.
Wie genau Brandauer an diesem Abend zugehört hatte, zeigten seine Ausführungen: „Kino ist ein sozialer Ort, hat einer gesagt“, was Brandauer weiterführte, daß es im Kino um Haltung gehe, wie überhaupt der Film ein Spiegelbild der Gesellschaft sei, auch eines, wie eine Gesellschaft sein sollte. Kraftvoll, ehrlich, direkt und Freistilringen, das alles gehöre dazu. Gegen die Widerstände und die gegenwärtige Situation gelte es anzutreten: „Aber wir lassen nicht locker! Europa ist die Lösung und nicht das Problem!“
Das kann man nicht klarer zum Ausdruck bringen und in den Beifallswiderhall des Großen Saals hinein rief der Schauspieler Brandauer dramatisch und die Zuschauer durchaus irritierend beim Abtritt vom Rednerpult auf die Bühne lautstark: „Ich hasse Politik“. „Ich hasse Politiker!“ Und wer dies nicht als passend gemachtes Zitat aus OBERST REDL erkannte, sollte sich sofort diesen, wie auch die anderen Szabofilme anschauen – und danach Brandauer auch mit anderen Regisseuren erleben. So gibt es am Samstagabend seine Verfilmung vom RUSSLAND HAUS, einem John le Carré.
Im Ernst, wir wollen wieder einmal vorschlagen, daß den jährlichen Ehrenpreisinhaber auch eine Filmwoche gewidmet wird, die vorzugsweise im Kino des Deutschen Filmmuseums parallel mit dem Wiesbadener Caligari gezeigt werden könnte. Das hätte sich diesmal mit der Kombination von Laudator und Preisträger wirklich ausgezahlt, nicht nur die gemeinsamen Filme, die aber in erster Linie.
III EHRENPREIS DES HESSISCHEN MINISTERPRÄSIDENTEN
Preisträgerin: Klaus Maria Brandauer
Preisgeld: undotiert
Laudatio: István Szabó
Der nicht anwesende Ministerpräsident Volker Bouffier schriftlich zu seiner Entscheidung:
„Klaus Maria Brandauer ist einer der herausragenden deutschsprachigen Theater- und Filmschauspieler der letzten 35 Jahre. Er nennt eine erstaunliche schauspielerische Vielfalt sein eigen, die er mit einer einnehmenden Präsenz verknüpft, mit der er sein internationales Publikum begeistert. Bereits ein Gigant an seiner künstlerischen Heimat, dem Wiener Burgtheater, drückt er mit „Mephisto“ über Nacht auch dem Kino seinen Stempel auf und bringt so Nicht-Theatergänger in den Genuß seiner überwältigenden Kunst. Große internationale Rollen folgen, doch Brandauer zieht es immer wieder zum Theater - als Schauspieler aber auch als Regisseur. Nicht zu vergessen seine Inszenierungen von Berthold Brechts „Dreigroschen-oper" oder Richard Wagners Oper „Lohengrin". Klaus Maria Brandauer hat ein Gesamtkunstwerk geschaffen, vor dem ich mich zutiefst verneige.“
Fortsetzung folgt.
Bisherige Artikel zum diesjährigen Hessischen Filmpreis
https://weltexpresso.de/index.php/kino/8194-der-hessische-filmpreis
https://weltexpresso.de/index.php/kino/8195-der-hessische-fernsehpreis
Foto: Preisträger und sein Laudator (c) hessenschau.de