Hessischer Film- und Kinopreis am 21. Oktober in der Alten Oper, Teil 6
Roman Herzig
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Preise bleiben bestehten, weshalb wir eher dokumentarisch diese auflisten und dabei das Drumherum der Verleihung zu kurz kommt, was aber für die anwesenden Gäste des abends das Westenliche bleibt. Die Werke der Preisträger werden in Ausschnitten auf einer Leinwand gezeigt und die Laudatoren bekommen ob ihrer Anwesenheit an diesem Abend oft Sonderapplaus. Und wenn die Schauspieler ausgezeichnet werden, dann gibt es seit jeher den meisten Beifall, was sich steigert, wenn einer wie Heino Ferch gleich zweimal dabei ist, als Bester Schauspieler in dem einen Film und dabei auch beim Preisfilm FRITZ LANG.
HESSISCHER FERNSEHPREIS
JURY HESSISCHER FERNSEHPREIS:
Liane Jessen (Fernsehspielchefin, Hessischer Rundfunk)
Herbert Knaup (Schauspieler)
David Ungureit (Drehbuchautor)
Tanja Ziegler (Produzentin)
Christel Schmidt (Jury-Vorsitz, Co-Geschäftsführerin Hessische Filmförderung - Hessischer Rundfunk Filmförderung)
HESSISCHER FERNSEHPREIS: BESTE SCHAUSPIELERIN
Preisträgerin: MARGARITA BROICH
Preisgeld: undotiert
Ausgezeichnet für ihre Rollen in
TATORT: WENDEHAMMER, Regie: Markus Imboden, 90 Minuten, Deutschland 2016
AUFBRUCH, Regie: Hermine Huntgeburth, 90 Minuten, Deutschland 2015
Jurybegründung:
Margarita Broich ist ein Phänomen. Eine Verwandlungskünstlerin, die keine komplizierten Frisurenkreationen braucht, um eine andere zu werden. Als verhärmt proletarisch-katholische Mutter in ‚Aufbruch‘ kriecht ihr der Mief der frühen 1960er Jahre förmlich aus allen Poren. Sie spricht mit vollem Mund und in vollem rheinischen Dialekt, den sie sich geradezu einverleibt hat.
Und dann leuchtet sie als Tatort-Kommissarin Anna Janneke, tanzt verführerisch und feminin, ist charmant und selbstbewusst und trickst selbst einen Zehnjährigen mit einem überraschenden Torschuss aus. Immer ist da diese umwerfende Körperlichkeit, mit der sie aus jeder Figur einen Solitär formt, der in keine Schublade passt.
HESSISCHER FERNSEHPREIS: BESTER SCHAUSPIELER
Preisträger: Heino Ferch
Preisgeld: undotiert
Ausgezeichnet für seine Rolle in ALLMEN UND DIE LIBELLEN
Regie: Thomas Berger, 88 Minuten, Deutschland 2016
Jurybegründung:
Johann Friedrich von Allmen ist ein abgebrannter Lebemann, sympathischer Snob, Frauenheld, stets charmant, der selbstsicher und cool auch mit den größten Gefahren umgeht. Heino Ferch verkörpert diesen Allmen mit einer solchen stilistischen Sicherheit und erkennbaren Spielfreude, dass man ihm vom ersten Moment an gebannt und lustvoll bei jeder Schurkerei folgt und stets auf seiner Seite ist. Wartet man anfangs noch auf den Moment, in dem die Figur kippt und ihre Maske ablegt, so freut man sich im weiteren Verlauf des Filmes, dass dieser Moment ausbleibt. Heino Ferch spielt mit Grandezza und zeigt mit jeder Geste, jedem Blick, dass Stil keine Frage von Reichtum ist, sondern allein von der Haltung abhängt.
An der Seite des kongenialen Samuel Finzi gelingt es Heino Ferch, eine Figur von internationalem Format zu schaffen, die ein kleines bisschen über dem Boden zu schweben scheint und aus Haltung allerbeste Unterhaltung macht.
HESSISCHER KINOKULTURPREIS
Das nun ist wirklich eine Besonderheit, daß die Bühne voll ist von über dreißig Menschen. Das hat auch Klaus Maria Brandauer entzückt. Soviele Preisträger auf einem Platz hat er noch nie gesehen, sagte er anschließdend, wo doch aber klar ist, daß Kino nur funktionieren kann, wenn diejenigen, die mit dem Publikum dann zu tun bekommen, diese immense Arbeit auf sich nehmen.
JURY HESSISCHER KINOKULTURPREIS:
Maike Mia Höhne (Kuratorin Berlinale Shorts)
Iris Praefke (Geschäftsführerin Moviemento Kino, Berlin)
Christiane Schleindl (Leiterin Filmhaus Nürnberg)
Hans Joachim Mendig (Jury-Leitung, Geschäftsführer HessenFilm und Medien)
Hessischer Kinokulturpreis für gewerbliche Kinos
Kino Traumstern, Lich
Preisgeld: 10.000 €
Capitol Kino Witzenhausen, Witzenhausen
Preisgeld: 10.000 €
Mal Seh’n Kino, Frankfurt
Spitzenpreis: 10.000 €
Lichtspielhaus Lauterbach, Lauterbach
Preisgeld: 10.000 €
Orfeo‘s Erben, Frankfurt
Preisgeld: 8.000 €
Filmladen Kassel, Kassel
Preisgeld: 6.000 €
BALI-Kinos, Kassel
Preisgeld: 6.000 €
Harmonie & Cinema Kinos Frankfurt
Preisgeld: 3.000 €
Kult Kinobar, Bad Soden am Taunus
Preisgeld: 3.000 €
Programmkino rex, Darmstadt
Preisgeld: 3.000 €
KuKi Kino, Schlüchtern
Preisgeld: 3.000 €
Kammer-Palette-Atelier, Marburg
Preisgeld: 3.000 €
Hessischer Kinokulturpreis für nicht gewerblich Kinos
Kommunales Kino Weiterstadt, Weiterstadt
Preisgeld: 4.000 €
Filmforum Höchst, Frankfurt
Preisgeld: 3.000 €
Kino des Deutschen Filmmuseums, Frankfurt
Preisgeld: 3.000 €
Traumakino, Marburg
Preisgeld: 3.000 €
Caligari Filmbühne, Wiesbaden
Spitzenpreis: 2.000 €
Murnau-Filmtheater, Wiesbaden
Preisgeld: 2.000 €
Pupille – Kino in der Uni, Frankfurt
Preisgeld: 2.000 €
Kommunales Kino, Eschborn
Preisgeld: 1.000 €
Die Jury zu den Hessischen Kinokulturpreisen
Die hessische Kinolandschaft ist geprägt von Vielfalt: In den urbanen Zentren finden sich Studenteninitiativen, kollektiv betriebene Kinoinitiativen, klassische Arthousecenter, Programmkinos, Filmmuseen oder kommunale Kinos. Insbesondere die Landeshauptstadt wartet mit zwei großartigen Playern auf, die sich wunderbar ergänzen. Auf dem Land schaffen es Kinos in Lauterbach, Lich oder Schlüchtern mit ihren Programmen ein wahrer Kulturmagnet zu sein und das Herzstück ihres Ortes. Während in den Städten die Kinos sich Herausforderungen wie der Konkurrenz durch andere Freizeit- und Kultureinrichtungen stellen, kämpfen die Landkinos erstaunlich erfolgreich mit einem vermeintlichen Standortnachteil. Sie beweisen mit großem Einfallsreichtum und Mut zu Neuem und Anderem, dass es möglich ist mit aufregenden Ideen, Besucher ins Kino zu locken. Engagierte Kinomacher und Kinomacherinnen machen sich erfolgreich Gedanken ihr Publikum zu finden und setzen dabei auch oft auf Kooperationen und die Einbindung von Gastspielen.
Die Jury hatte viel Freude beim Lesen der Programme, die ein großes und interessantes Spektrum bei den gewerblichen, als auch bei den nicht gewerblichen Kinos aufzeigten. Insgesamt vergibt die Jury in diesem Jahr zwölf Kinokulturpreise für gewerbliche Kinos und acht Kinokulturpreise für nicht gewerbliche Kinos und Kinoinitiativen.
Dabei zeichnet die Jury ein nicht gewerbliches Kino mit einem Spitzenpreis aus, das durch regelmäßige Neuformierung und herausragende Arbeit im Kollektiv über mehrere Generationen hinweg funktioniert. Anders als in den Vorjahren werden in der Kategorie „Gewerbliche Kinos“ vier Kinos innerhalb einer Spitzenpreisgruppe ausgezeichnet, die alle die besonderen Herausforderungen des Kinobetriebs auf bemerkenswerte Art und Weise bewältigen.
Jurybegründung Hessischer Kinokulturpreis für gewerbliche Kinos:
Das KINO TRAUMSTERN in Lich, das CAPITOL KINO in Witzenhausen, das LICHTSPIELHAUS in Lauterbach und das MAL SEH’N in Frankfurt haben mit ihren prallen Programmen die Jury überzeugt und erhalten einen Spitzenpreis. Alle vier Kinos leisten unabhängig von ihrem Umfeld bemerkenswerte Arbeit und beweisen Mut zum Neuen. Die Digitalisierung bietet neue Möglichkeiten, die sie einfallsreich nutzen. Filme können früher disponiert werden, Originalfassungen können problemlos an »OmU«-Tagen laufen. Trotzdem halten sie analoge Projektoren für Festivals oder Klassiker vor.
Das MAL SEH’N Kino in Frankfurt zeigt regelmäßig Filme in Originalsprache mit oder ohne Untertitel. Dies ist nach wie vor eine Besonderheit und unbedingt unterstützenswert. Ergänzend zeigen sie nun auch Filme mit Audiodeskription.
Das KINO TRAUMSTERN versteht es sein internationales Programm mit ansprechenden Zusatzveranstaltungen und Filmgästen zu bereichern. Es gibt thematisch programmierte Vorfilme und von Kindern animierte Trickfilme, um nur einige der tollen Programmideen zu nennen. Das CAPITOL KINO in Witzenhausen hatte über 250 verschiedene Filme im Programm und platziert ebenso wie das LICHTSPIELHAUS Lauterbach ganz selbstverständlich und erfolgreich Filmkunst neben Mainstream.
Beide Kinos zeichnen sich durch ein hohes persönliches Engagement der Betreiber aus und wurden im vergangenen Jahr mit einem Besucheranstieg belohnt.
Die Jury ist begeistert von den vielen tollen Ideen und der liebevollen Programmgestaltung. Die Kooperationen der Kinos sind bemerkenswert und bringen neuen Austausch und Input. Dieses leidenschaftliche und beständige Engagement der Kinobetreiberinnen und Kinobetreiber ist für das Publikum spürbar und wird auch in der Presse positiv wahrgenommen.
Jurybegründung Hessischer Kinokulturpreis für nicht gewerbliche Kinos und Kinoinitiativen:
Seit 1974 ist das kommunale Kino Weiterstadt das einzige Kino vor Ort und schafft es seit Jahrzehnten ein breit gefächertes Publikum von jung bis alt zu erreichen und zu begeistern. Die fein abgestimmte Gestaltung des Programms erfolgt im Kollektiv. Dabei setzen die Kinomacherinnen und Kinomacher neben aktuellen Arthousefilmen auch auf Kurzfilme, Klassiker und Dokumentarfilme. Kinder und Jugendliche binden sie auf bemerkenswerte Art und Weise in die Programmgestaltung ein.
Auch Filmreihen, Festivals und Sonderveranstaltungen mit Gästen stehen auf dem Programm oft in aufwendigen Programmheften präsentiert, manchmal sogar mehrsprachig. Das findet die Jury rundum ausgezeichnet, so dass es hier, neben der hervorragenden Arbeit der anderen nicht gewerblichen Kinos- und Kinoinitiativen einmal besonders herausgehoben werden soll.
Bisherige Artikel zum diesjährigen Hessischen Filmpreis
https://weltexpresso.de/index.php/kino/8194-der-hessische-filmpreis
https://weltexpresso.de/index.php/kino/8195-der-hessische-fernsehpreis
Foto: Klaus Maria Brandauer zwischen den Preisträgern für Schauspiel, Heino Ferch und Margarita Broich, (c) hessenschau,de