Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 8. Dezember 2016, Teil 5

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main(Weltexpresso) - Werner Herzog, welch ehrwürdiger Name im Filmgeschäft. Wie viele Schauspieler, vor allem Schauspielerinnen gäben was immer dafür, unter seiner Regie spielen zu dürfen. Das trifft sicher auf Veronica Ferres besonders zu. Denn sie betonte, wie stolz sie war, daß Herzog unbedingt mit ihr drehen wollte. Aber ach, so hölzern, so gestellt, so unnatürlich sah ich sie noch nie.



Daß Werner Herzog auf einmal in seinen Filmen Frauen als Heldinnen hat, ist nach all den Ausnahmemännern sowieso neu. Und daß es wieder eine Blondine ist, auch. Und daß diese Blondinen ihre Blessuren beide in der Wüste durchstehen, ist auch noch nie dagewesen. Aber da hat es sich schon mit den Gemeinsamkeiten der letzten zwei Frauenfilme. Denn Nicole Kidman in THE QUEEN OF DESERT wurde von Herzog außerordentlich inniglich und tief inszeniert, was sie ihm mit schauspielerischer Hingabe und Ernsthaftigkeit dankte. Zudem war der Film einer historischen Figur nachempfunden, deren Leben sehr spannend und für Frauen ihrer Zeit voraus verlief. Auch die durchaus tragische Liebesgeschichte hatte Herzog mit Wehmut in Szene gesetzt. Wir betonen das, weil wir zu den nicht so vielen gehörten, denen der Film im Wettbewerb  der Berlinale 2015 richtig gut gefallen hatte. Als Menschendrama.

Also waren wir positiv eingestellt, als SALT and FIRE losging und erst einmal ein Thriller abgeht.  Wir sehen die Wissenschaftlerin, Professor Laura Sommerfeld  (Veronica Ferres), die mit zwei Mitarbeitern den Flug nach Bolivien antritt, wo das Land von ihr Unterstützung erwartet bei der Ausbreitung des Salzsees DIABLO BLANCO, der rasant wächst, was eine Umweltkatastrophe bedeutet, die sie verhindern soll. Allerdings ist schon bei der Ankunft alles ganz seltsamer. Keiner erwartet sie. Sie warten endlos am Gepäckband, aber ihre Sachen sind nicht dabei. Die Koffer steckten schon im nächsten Flugzeug, das sei auch die Erklärung dafür, warum sie nicht hier von einer Regierungsdelegation empfangen worden seien, sagt einer. Alles werde seine Richtigkeit haben.

Das beunruhigt die Wissenschaftlerin Dr. Sommerfeld nun noch stärker, als es ihr schon auf dem Flug doch sehr verdächtig erschien, daß es sich bei der geschilderten Naturkatastrophe vielleicht um ein bewußt herbeigeführtes ökologisches Desaster handele, das schon von einem für solche Umweltverbrechen bekannten Konzern ausgelöst worden sein könnte. Außerdem hat die Forscherin inzwischen mächtig Hunger. Ihre beiden Kumpane erwarten eine vernünftige Erklärung für die seltsamen Vorgänge. In dem lebensfroher, poetisch angehauchter Dr. Cavani (Gael García Bernal) haben wir den potentiellen Verführer kennengelernt und der eher nüchterne Dr. Meier (Volker Michalowski) arbeitet dauernd vor sich hin und wertet die Statistiken aus.den Auswertungen seiner bereits vorliegenden Fakten widmet.

Das haben wir hinzugefügt, weil wir mit der Truppe am Flughafen warten mußten, bis nun endlich jemand Offizielles erscheint. Allerdings, sehr seltsam. Er stellt sich als 'Vertreter' vor und sitzt im Rollstuhl. Er heißt Aristide (Lawrence Krauss), den das Sicherheitsministeriums mit eigenem Flugzeug ausgestattet hat, um die drei ins Landesinnere zu bringen Der Zuschauer weiß nicht mehr als die drei Wissenschaftler. Irgendetwas ist los, aber was? Immer deutlicher wird, daß hier Gewalt im Spiel ist und daß es sich um eine regelrechte Entführung handelt. Ihre Augen werden verbunden und überall sind nun maskierte Kerle, die sich martialisch verhalten. Doch wozu und weshalb?

Bis jetzt waren wir noch voll bei der Sache, denn lange ist eine Ungewißheit ja etwas Spannendes, aber ab jetzt wird es zunehmend diffus. Sommerfeld wird von den beiden Mitarbeitern getrennt und isoliert, mit Gewalt in ein Auto gestopft und bei sengender Hitze quer durchs Landesinnere gebracht. Hunger hat sie noch immer. Dann kommt sie in eine Hazienda, wo sie zum einen die beiden Gefährten wiedersieht, die aber mit Hilfe von Drogen gleich außer Gefecht gesetzt werden. Oder wie soll man dazu sagen, wenn Zweie zum gemeinsamen Durchfall  verurteilt werden.

Und nun lichtet sich das Dunkel etwas. Alles geschah im Auftrag vom Boß der bösen Firma, Matt Riley (Michael Shannon), die auch nicht allein ein Konzern ist, sondern ein internationales Konsortium. Und nun kommt es? Denn warum wurde Dr. Sommerfeld gerufen und was soll sie machen? Das wird ihr immer noch nicht gesagt. Und sie weiß auch noch nicht, daß  sich hinter der Maske dieser Riley verbirgt. Jetzt kommt eine alberne Phase, wo sie zeigt, wie tough sie ist und sich sportlich fit hält, ein Videotagebuch führt und wissenschaftlich arbeitet – ohne daß sie wüßte, was sie hier soll.

Und nachdem wir längst den Braten riechen, daß da zwischen dem Riley und der Madame etwas laufen könnte, gibt er sich als der zu erkennen, der sich verantwortlich fühlt für das, was als Umweltkatastrophe abläuft. Er selber ist der Melancholiker, der sie in Gespräche über das Leben auf Erden verwickelt: „Es gibt keine Realität, nur Annahmen, Sichtweisen und kollektive Ängste, die sich in Verschwörungstheorien verdichten.“ Allerhand, was er ihr in typischer männlicher Manier da vorsetzt an esorischen Gestalten, entsprechenden philosophischen Konstrukten etc.. Sie fliegt voll auf so viel männliche Einsicht und Weitsicht, die ihr nicht geschwollen vorkommt.

Dann muß ihr die Situation einfach unheimlich werden, denn er weiß alles über sie, was, da der Zuschauer nichts weiß, einem immer gewaltig vorkommt. Da gibt es eine Tochter, die sie nicht sehen darf, oder will, auf jeden Fall wird der Typ für unsere verängstigte Probantin immer undurchsichtiger, aber auch wichtiger. Und endlich passiert etwas. Und das ist das eigentliche Filmthema, also der eigentliche Film: Sie muß nicht mehr theoretisch ein Problem lösen, sondern wird direkt in eine Situation versetzt, wo sie eine Überlebenstrategie entwickeln muß, will sie überleben. Riley setzt sie zusammen mit zwei blinden Latinokindern an einer Stelle der Salzwüste aus, wo das herannahende Salz genauso gefährlich ist wie das vulkanische Feuer. Eine Woche Verpflegung ist auch dabei und bestimmte Werkzeuge.

Nach dem ersten Schock entpuppt sich unsere Wissenschaftlerin wie gedacht als patente Frau, die aber gleichzeitig ihre Innenschau weiterspinnt und ununterbrochen in ihr Tablett
hineindichtet. Mehr sagen wir jetzt nicht. Hunger hat sie nicht mehr. Keine Ahnung, was sich Werner Herzog dabei gedacht hat. Auf jeden Fall ist das alles derart krude, daß man es auch nicht schönreden mag. Warum der Zuschauer dennoch auf seine Kosten kommen kann, wäre, wenn er überhaupt nicht hinhört, auch die aufdringliche Musik weghört, sich keine Gedanken um das, was er da sieht, macht, wenn er sich stattdessen voll  dem Bilderrausch hingibt, den Herzog als eine extreme Bilderbuchlandschaft auf der Leinwand glühen läßt.



Foto: (c)

Info:

Originaltitel: Salt and Fire
Land: Deutschland, USA, Frankreich, Mexiko 2016
Länge: 93 Minuten
Kinostart: 08. Dezember 2016

BESETZUNG
Prof. Laura Sommerfeld - Veronica Ferres
Matt Riley- Michael Shannon
Dr. Cavani - Gael García Bernal
Aristidis/Krauss - Lawrence Krauss
Dr. Meier - Volker Michalowski
Huascar - Danner Ignacio Marquez Arancibia
Atahuallpa – Gabriel Marquez Arancibia


Über diesen Riley


Besondere Bedeutung für ihn hat ein im römischen Kloster Santissima Trinità angesiedeltes Gemälde eines Heiligen unter einem Baum. Je mehr man sich ihm nähert, desto mehr ähneln die Falten seines Gewandes einer gewaltigen Landschaft – ein Beweis für die Doppeldeutigkeit der Perspektive. Ganz offensichtlich ist Riley seines Ceo-Jobs müde und befindet sich auf einer Suche nach innerer Authentizität: „Sie sind zwar meine Gefangene, aber ich bin Gefangener meiner selbst.“ Er gesteht Sommerfeld, dass er sie attraktiv findet. Beide verbindet eine seltsame Faszination. In zunehmender Vertrautheit sprechen sie über seine kindlichen Ängste vor der Dunkelheit und unternehmen schließlich erneut eine Fahrt ins Ungewisse, durch einsame Landschaften und Geisterstädte – die Gegend rund um den schlafenden Vulkan Uturunku. Dessen Feuer liegt still. Bräche es aus, hätte dies ähnlich verheerende Folgen wie die Ausbreitung der Salzwüste – Gefahr durch Salz und Feuer...


In dieser gigantischen, toten Landschaft lässt Riley Sommerfeld abrupt zurück. Diese findet sich mutterseelenallein – in Gesellschaft zweier blinder Jungen, die Stofftiere umklammern und alte, symbolträchtige Inka-Namen tragen. Für sie ist auf einer Felsinsel ein kleines Lager errichtet worden, dessen Vorräte sie etwa eine Woche ernähren können. Mit praktischer Organisation, Sprachspielen und meditativer Stille verbringt die ungewöhnliche Schicksalsgemeinschaft ihre Zeit, die keine Einteilung mehr kennt, in einer Welt der sinnlichen Erfahrung: Nach Vorbild der Kinder Kakteendornen spüren, Salz schmecken, Magnetismus erforschen und unter der Salzdecke vulkanische Erschütterungen hören. In dieser Unermesslichkeit erfüllt sich Rileys Theorie der Vielschichtigkeit von Perspektive, bis er plötzlich wieder selbst auftaucht und die zwei Jungen als seine adoptierten Kinder zu erkennen gibt. Huascar und Atahuallpa sind Opfer der Umweltbelastungen, die von dem umgekippten See ausgehen, ein von Menschen geschaffenes Desaster. Nun stellt sich Rileys Strategie komplett heraus: Sein Plan mit Laura Sommerfeld war, ihr abseits aller wissenschaftlichen Daten das Erfühlen der drohenden Katastrophe zu ermöglichen und dies den Vereinten Nationen zu berichten. Er selbst will sich den Behörden als schuldig ausliefern, während Sommerfeld nur eines will: Nach Rom reisen, an den Ort, der Riley so viel bedeutet. Vielleicht wird sie nicht alleine fahren...