Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 5. Januar 2017, Teil 3
Claudia Schulmerich
Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Nun also auch noch ein ernstgemeinter und sogar kunstvoller Film über das Glück. Ständig kann man in den Zeitungen von Untersuchungen in verschiedenen Ländern oder Landstrichen des eigenen Landes lesen, wer der Glücklichste ist.
Genau, da ist vom Jahr 2016 in Erinnerung geblieben, die Dänen seien die Glücklichsten. Gähn, gähn. Da will man doch erst einmal wissen, was das sein soll: das Glück. Gibt es nicht solch einen Spruch, das Glück liege immer im Auge des Betrachters. Nein, nein, damit dürfen wir gar nicht erst anfangen, nach Sprüchen über das Glück zu suchen, so wie angeblich jeder seines eigenen Glückes Schmied ist. Da wollen wir doch lieber ganz genau diesen nicht uninteressanten und nicht unwitzigen Film anschauen.
Gedreht hat ihn Stefan Sagmeister, den die Kunstinteressierten schon lange als Künstler zwischen Kunst und Anwendung kennen. Grafikdesigner wird er genannt und seinen so eigenen Blick auf die Dinge, die merkt man auch seinem Film an, den er halt so drehen wollte und deshalb in der Welt unterwegs war, was ihn immer tiefer in die existentielle Frage nach dem Glück brachte, weshalb der Filmstoff mehr und mehr wurde und er nach sieben (!) Jahren dann sagte: Schluß.
Nein, so voraussetzungslos ist Sagmeister nicht an die Sache rangegangen, die Menschen, von denen er es wissen wollte, nur zu fragen: „Sind Sie glücklich?“ Bevor er sich in der Welt umtat, hat er sich selbst gefragt: „Habe ich Einfluß auf mein persönliches Glück? Was macht mich glücklich? Kann man Glück gestalten? Fragt man sich das selber, fällt einem auf, daß es ein Oberflächenglück gibt und das Glück. Das kennt jeder von uns. Das Glück, was wir als junger Mensch meist als Glück anzielen, ist, eine tolle Beschäftigung im Leben zu erreichen, eine interessante Arbeit, die beteutend macht, die dazu auch noch viel Geld einbringt, eine schöne/gute Frau/Mann, meist auch Kinder, also eine glückliche Familie –-und wenn sie nicht gestorben sind, so leben sie noch heute.
Und dann kommt meist in reiferen Jahren die Erkenntnis, das das eigene Glück viel kleiner daherkommt, daß es Momente sind, in denen man sein eigenes Glück spürt – und wie es sich gehört, fast immer als Reflex auf eine Situation, die ich in dem Moment, wo sie vorbei ist, als das eigentliche Glück wahrnehme. Vergangenheitsform.
Damit ist schon viel zu viel geredet, denn Stefan Sagmeister macht einfach. Er läßt 6 000 gelbe Luftballons in den Himmel steigen, die ja eigentlich nur ihn nach oben befördern sollen, klar, kein wirtschaftliches Modell für die Atlantiküberquerung, aber ein Heidenspaß, auch für die Zuschauer. Und für die Freundin des Meisters, ohne die nämlich diese Aktion nicht gut gegangen wäre.
Recherchiert man zum Künstler und Menschen Stefan Sagmeister, so würden die meisten Menschen schon mal sagen: Hat der Glück! Der Österreicher, ausgezeichnet mit allen möglichen Ehren, lebt in der Stadt, in der zu leben so viele Menschen sowieso als Glück bezeichnen täten: New York. Und was macht einer, dem die Welt offen steht. Er zieht sich auf sich zurück und macht sich selbst zu seinem Arbeitsobjekt: endlich will er herausbekommen, was für diesen Stefan Sagmeister das Glück ist und welche Hilfen er ihm angedeihen lassen kann, damit dieser Sagmeister das Glück in den Händen hält. Es ist also die Frage nach der Lenkbarkeit und Erziehungsfähigkeit des Künstlers auf das Ziel des Glücks hin. Kann er sich ändern und das Glück zu fassen bekommen? Doch so naiv, daß er sich allein auf die Reise macht, ist er nicht und ein so eindimensionaler Filmemacher ist er auch nicht. Es kommen also im Film auch die offiziellen Glücksexperten vor, diejenigen, die für die Ratgeber durchs Leben zuständig sind.
Ein besonders bekannter soll Jonathan Haidt sein, ein New Yorker Sozialpsychologe, mit erfolgreichen Büchern im Nacken, der uns im Film sozusagen als Spiegel für die Glücksbemühung von Sagmeister dient. Er analysiert dessen Selbstversuche, die grob in drei Versuchsanordnungen eingeteilt werden können, die zudem die Glücksverstärker ins Spiel bringen. Einmal soll die Meditation das Glück bringen, ein andermal die Psychoanalyse, ein drittes Mal Psychopharmaka, sprich: das Antidepressivum Lexapro.
Soviel Sagmeister in einem Sagmeisterfilm wäre ohne Kontrolle zu viel geworden, denn es kommen ja die Selbstversuche erst noch, die noch dazu durch nicht geplante Liebesgeschichten die Leinwand fast sprengen. Aber er muß dies nicht alleine gestalten, er hat zwei Mitregisseure, die ihn im Rahmen halten, wobei der eine dann in den sieben Jahren der Zusammenarbeit auch noch stirbt. Aber auch das ist wie im wirklichen Leben, wie es schon die Anbandelung mit so verschiedenen Frauen in den verschiedenen Versuchsanordnungen ist.
Muß man noch mehr sagen über die Kunst und das Leben, die Liebe und den Tod? Das wiederum Unglaubliche ist, daß einem der gesamte Vorgang, der ja aus wirklichem Leben hervorging, beim Betrachten des Films und auch noch danach so vorkommt, daß das alles eine einziger Film sei, wie hier der Vorgang des Filmemachens mit dem Leben des „Filmstars“ zusammenfließt, der sein eigener Drehbuchschreiber, Regisseur und dann auch noch Hauptdarsteller ist.
Doch ehrlich gesagt, ist nicht mal der Inhalt, der Verlauf in diesem Dokumentarfilm das Eigentliche, warum diesen Dokumentarfilm anzuschauen rundherum empfohlen werden kann, ja muß: es ist die so spielerische wie ernsthafte, so lustige wie tiefsinnige, so bunte wie melancholische Note, die alles durchweht, ein besonderer Klang und eine Heiterkeit, ja liebevolle Ironie dem geplanten Leben gegenüber, daß man beschwingt zuschaut und auch beschwingt und (fast) glücklich das Kino verläßt.
Ach so, Sagmeister war prädestiniert für diesen Film, hat er doch schon zuvor, eine Ausstellung HAPPY SHOW durch die Welt touren lassen, die auch in diesem Film immer wieder eine Rolle spielt, wie auch andere Arbeiten von ihm, die er in den Film gekonnt einbaut.
Foto: Hauptdarsteller, Drehbuchschreiber, Regisseur Stefan Sagmeister auf der Suche nach dem Glück, was ja oft dann eintritt, wenn man andere glücklich macht (c) happyfilm.de