Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 5. Januar 2017, Teil 5
Kirsten Liese
Berlin (Weltexpresso) -Das Kino kennt so manche Geschichten von Heiratsschwindlern und reichen Erbinnen. Und so wie sich Park Chan-wooks Thriller anlässt, mit einem Hochstapler, der sich eine betuchte Dame angeln- und sie dann ins Irrenhaus abschieben will, denkt man unweigerlich an George Cukors Psychokrimi „Das Haus der Lady Alquist“, zumal beide Filme auf eine literarische Vorlage aus England zurückgehen, angesiedelt in der viktorianischen Zeit.
Nur wirkt „Die Taschendiebin“, wiewohl in das von den Japanern besetzte Korea um 1930 in ein recht strenges patriarchalisches Umfeld versetzt, dank ungleich mutigerer Frauen, raffinierten Täuschungen und ungeahnten Wendungen kunstvoller und zeitgemäßer.
Sook-hee (Kim Tae-ri), die Titelheldin, ist mitnichten so zart und unschuldig wie sie aussieht. Als Komplizin des Gangsters Fujiwara (Ha Jung-woo) schleicht sie sich bei dem Millionär Kouzouki (Jo Jin-woong), einem exzentrischen Sadisten, ein, um unter falscher Identität das Vertrauen von dessen Nichte Hideko (Kim Min-hee) zu gewinnen und einen perfiden Plan in Gang zu setzen. Aber dann verlieben sich die vermeintliche Kammerzofe und ihre Herrin ineinander und bringen mit ihrer leidenschaftlichen Affäre alles ins Wanken.
Nicht nur die Figuren bleiben indes undurchsichtig, vielmehr umfloren auch den Ort, an dem sich alles zuträgt, das luxuriöse Herrenhaus mit seinen unzähligen Türen, Zimmern und geheimen Winkeln, Mysterien und Geheimnisse.
Chan-wook inszeniert das Geschehen bildgewaltig mit wunderschöner Ausstattung und aus wechselnden Perspektiven, so dass der Fortgang der Ereignisse in unterschiedlichem Licht erscheint. Abgesehen von einigen extremen Gewalt- und sehr intimen, voyeuristischen Sexszenen, die sich auf einem schmalen Grat zwischen Kunst und Pornografie bewegen und dem Regisseur deshalb nach der Uraufführung in Cannes den Vorwurf von Altherrenphantasien eintrugen, gelingen ihm Bilder von magischer Anziehungskraft.
Insofern empfiehlt sich „Die Taschendiebin“ trotz einiger Abstriche als ein anspruchsvoller, packender Trip ins „Reich der Sinne“.
Info:
Die Taschendiebin (Originaltitel: Agassi), Südkorea, 2016
Nach dem Kriminalroman "Solange du lügst“ von Sarah Waters
Regie: Park Chan-wook
Drehbuch: Chung Seokyung, Park Chan-wook
Darsteller: Kim Tae-ri, Ha Jung-woo, Kim Min-hee, Cho Jin-woong, u.a.
Kamera: Chung Chung-hoon
Szenenbild: Ryu Seong-hee
Musik: Cho Young-wuk
Produktion: Moho Film, Yong Film
Länge: 145 Minuten