Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 26. Januar 2017,   Teil 14


Pablo Larraín

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - „Eine Kugel traf den Präsidenten im Genick, die tödliche zweite Kugel zerschmetterte die rechte Seite seines Schädels …“
(Bericht der Warren Commission)
„Seine 34-jährige Frau, Jacqueline Kennedy, saß direkt neben ihm.“ 


Direkt neben ihm … Wie muss das für sie gewesen sein? Wir alle kennen die Geschichte der Ermordung John F. Kennedys. Aber nicht aus der Perspektive seiner Frau. Was hat sie in den Tagen danach durchgemacht? Als sie in Trauer versank, die verstörten Kinder an ihrer Seite, die Augen der Welt auf sie gerichtet? Jackie war eine Königin ohne Krone, die ihren Thron und ihren Mann verloren hatte. Die stilsichere, kultivierte, beliebte Jacqueline Kennedy gehörte zu den am meisten fotografierten Frauen des 20. Jahrhunderts. Trotzdem wissen wir nur wenig über sie. Diese introvertierte, undurchdringliche Frau ist wahrscheinlich die bekannteste Unbekannte der Moderne. Mir gefällt der Gedanke, dass wir uns nie sicher sein werden, wie sie wirklich war. Ihre Aura, das Glitzern in ihren Augen werden wir nie kennenlernen. Wir können uns nur auf die Suche begeben. Das Ergebnis kann nur ein Film sein, der aus Fragmenten besteht. Aus Erinnerungsschnipseln. Assoziationen. Orten. Bildern. Menschen.

Präsident Kennedy war jung, als er starb. Seine Amtszeit endete abrupt. Die wenigen Dinge, die er in so kurzer Zeit bewegen konnte, drohten in Vergessenheit zu geraten. Selbst in ihrem traumatisierten Zustand war Jacqueline Kennedy eins klar: Jemand musste sein Werk vollenden. Seine Geschichte zu Ende schreiben. In nur wenigen Tagen machte sie ihren Mann zu einer Legende. Sie prägte sein Image und sicherte ihm seinen Platz in der Geschichte. Und nebenbei wurde sie selbst zur Ikone, die man auf der ganzen Welt nur mit ihrem Vornamen kannte – Jackie.




ÜBER DIE PRODUKTION

Der chilenische Regisseur stellte nur eine Bedingung: Natalie Portman müsse Jackie spielen. Aronofsky war ganz seiner Meinung. „Wer kann so eine Ikone überzeugend verkörpern? Natalie ist eine Schauspielerin, die es auf magische Weise schafft, in ihren Rollen als Person zu verschwinden. Sie geht ganz in ihnen auf.“

Larraín fand es faszinierend, wie Jackie sich im Anschluss an diese einmalige Tragödie der Ermordung eines US Präsidenten quasi zum Gefäß der kollektiven Trauer einer ganzen Nation machte, die von Zukunftsängsten und Zweifeln geprägt war. „In diesem Moment zeigte sie die Größe einer Königin, sie wurde zur Mutter einer trauernden Nation. Sie schulterte die Sorgen der Nation zusätzlich zu ihrer persönlichen Trauer und trug es mit Würde und ungeheurem Mitgefühl.“

Während dieser turbulenten Woche schloss die Öffentlichkeit Jackie genauso ins Herz wie ihren verstorbenen Mann. „Es war nicht ihre Absicht, zur Ikone zu werden“, betont Larraín. „Doch indem sie sich für das politische Vermächtnis ihres Mannes einsetzte, wurde sie dazu. Diese Lücke zwischen dem, was sie eigentlich wollte, und dem, was dabei am Ende herauskam, fand ich besonders interessant.“

Stilistisch war Larraín fasziniert von der Idee, historisches Archivmaterial (Autokolonne in Dallas, Lyndon B. Johnsons Vereidigung als Präsident in der Air Force One, JFKs Staatsbegräbniszeremonie und das Begräbnis auf dem Arlington Friedhof) mit den gespielten Szenen zu mischen, die nicht dokumentiert werden konnten und Ergebnis gewagter Imagination sind. Der Fernsehbeitrag „A Tour of the White House with Mrs. John F. Kennedy” von 1962 zeigt jene Jackie, wie die Öffentlichkeit sie aus der Zeit vor dem Tod ihres Mannes kannte. Ihre Führung durch das frisch renovierte Weiße Haus zeigt, wie sich ihre öffentliche und private Sphäre in dem gezielten Einsatz dieses brandneuen Mediums mischten. „Ich schaute mir das mehrmals an. Es war ihr erster Fernsehauftritt und sie fühlte sich unwohl dabei, doch Jack hatte sie dazu ermuntert. Sie war fälschlich beschuldigt worden, Steuergelder für die Renovierung verschwendet zu haben, obwohl sie ausschließlich mit privaten Geldern finanziert wurde. Sie verstand es, den Zuschauer zu fesseln.“

 

Über DEN FILMEMACHER PABLO LARRAÍN (Regie)

Geboren wurde Pablo Larraín 1976 in Santiago de Chile. Zusammen mit einigen Partnern gründete er die Produktionsfirma Fabula, die Projekte für Film, Fernsehen und Werbung ausführt. 2006 führte er erstmals Regie bei dem Kinofilm FUGA. 2008 feierte sein Film TONY MANERO Premiere in der Directors’ Fortnight in Cannes. Sein dritter Kinofilm POST MORTEM lief 2010 im offiziellen Wettbewerb der Internationalen Filmfestspiele von Venedig. 2010 übernahm Larraín mit „Prófugos“ die Regie der ersten in Chile produzierten HBO-Serie, die mit dem International Emmy ausgezeichnet wurde. 2013 wurde die Serie unter seiner Regie fortgesetzt. Larraíns vierter Film NO wurde 2012 in Cannes als Bester Film in der Directors’ Fortnight ausgezeichnet und für einen Oscar in der Kategorie Bester Ausländischer Film nominiert.

2014 inszenierte Larraín seine erste Oper am Teatro Municipal de Santiago – Leoš Janáčeks „Katja Kabanowa“ – und debütierte als Regisseur am Teatro La Memoria mit dem Stück „Acceso“. Sein fünfter Film EL CLUB lief 2015 im offiziellen Wettbewerb der Berlinale und gewann den Silbernen Bären. Sein Film NERUDA mit Gael Garcia Bernal in der Hauptrolle feierte 2016 in Cannes Premiere.

JACKIE mit Natalie Portman in der Titelrolle feierte 2016 Weltpremiere beim Filmfestival von Venedig und wurde dort für einen Goldenen Löwen nominiert und mit dem Preis für das Beste Drehbuch ausgezeichnet. Beim Festival in Toronto gewann Pablo Larraín mit JACKIE den Platform Prize.

Filmografie:

2016    JACKIE (Jackie)
2016    NERUDA (Neruda)
2015    EL CLUB (El Club)
2012    NO! (No)
2010    POST MORTEM
2008    TONY MANERO
2006    FUGA

 

 

Foto: Der Regisseur mit seiner Hauptdarstellerin bei der Vorstellung des Films

Info:


BESETZUNG                                                                SYNCHRONSTIMMEN

Jacqueline Kennedy           NATALIE PORTMAN                 Manja Doering
Robert „Bobby“ Kennedy    PETER SARSGAARD               Peter Flechtner
Nancy Tuckerman             GRETA GERWIG                      Nicole Hannak
Journalist                          BILLY CRUDUP                        Oliver Siebeck
Priester                            JOHN HURT                             Jürgen Thormann
Lyndon B. Johnson           JOHN CARROLL LYNCH            Axel Lutter
Lady Bird Johnson            BETH GRANT                           Monica Bielenstein
William Walton                 RICHARD E. GRANT                 Frank Röth
Jack Valenti                      MAX CASAELLA                      Tobias Lelle
John F. Kennedy               CASPAR PHILLIPSON              Karlo Hackenberger
u.v.a.