Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 26. Januar 2017,   Teil 15

Filmheft 

 

Los Angeles (Weltexpresso) - Pablo Larraín brauchte für seine spezielle Mischung aus Archivmaterial und nachgestellten Szenen ein Team, das sein Konzept entsprechend umsetzen konnte. Er fand es in dem Kameramann Stéphane Fontaine (CAPTAIN FANTASTIC, DER GESCHMACK VON ROST UND KNOCHEN, EIN PROPHET), Cutter Sebastian Sepúlveda (EL CLUB), Produktionsdesigner Jean Rabasse (VATEL, DIE TRÄUMER), Kostümbildnerin Madeline Fontaine (AMÉLIE) und der Komponistin Mica Levi (UNDER THE SKIN).


Larraín wollte, dass die nuancierten Veränderungen von Jackies Gemütsverfassung mittels Kamera und Filmdesign visuell in Szene gesetzt werden. „Zu diesem Zweck haben wir viele Einstellung mit Handkamera gedreht und Sets gebaut, in denen wir den vollen 360 Grad-Radius ausschöpfen konnten. Die meisten Scheinwerfer haben wir an der Decke befestigt, das hat die Bewegungsfreiheit noch zusätzlich erhöht. Es sollte so wirken, als würden wir mit versteckter Kamera hinter verschlossenen Türen die intime Gefühlslage von Jackie filmen.“

Kameramann Fontaine verrät, dass sie für die raffinierte Kombination von Archivmaterial mit nachgestellten Szenen zum Teil auf 16mm-Material gedreht haben. „Pablo und ich haben uns eine Menge Archivmaterial aus den 60ern angeschaut. Dem visuellen Look wollten wir uns anpassen, doch es sollte nicht zu grobkörnig ausfallen. Isabelle Julien, eine Koloriererin, mit der ich schon lange zusammenarbeite, hat es wunderbar hingekriegt, das farblich aufeinander abzustimmen.“

Um die Fernsehsendung mit Jackies Führung durch das Weiße Haus nachzustellen, benötigten sie Kameras aus den 60ern, um visuell möglichst nahe am Original zu bleiben. „Die Technologie des Farbfernsehens damals separierte Rot-, Blau- und Grüntöne voneinander und wandelte sie in Fernsehsignale um. Das erzeugte einen unverwechselbaren Look. Ich hatte für meinen Film NO dieselbe Technik eingesetzt. Die Kamera lag noch bei mir Zuhause. Ich habe sie Stéphane mitgebracht, er hat damit die Führung gedreht und das Material anschließend digital nachbearbeitet“, erläutert Larraín.

Jean Rabasse baute die Sets haargenau so auf, wie es auf dem Archivmaterial, das er für die Recherche heranzog, abgebildet war. „Jean baute uns diese riesigen Räume, in denen Stéphane Natalie in einer Totalen filmte, die ihre Einsamkeit und Verzweiflung deutlich macht“, erläutert Produzent Mickey Liddell. Larraín schwärmt von Rabasses Nachbau des Interieurs vom Weißen Haus: „Ich erinnere mich noch gut daran, wie ich das erste Mal den fertigen Set betrat. Es hat mich umgehauen. Es sah dort genauso aus, wie man es von den Fotos her kennt. Jackie hat damals bei der Umgestaltung einen französischen Stoffdesigner hinzugezogen. Jean und die Kostümbildnerin Madeline Fontaine kontaktierten die Firmen, die damals die Stoffe für Jackie Kennedy in den 60ern herstellten. Die Stoffe, die nicht mehr produziert wurden, haben sie extra für den Film anfertigen lassen.“

Rabasse war sich bewusst, wie groß die Erwartungen waren, die er zu erfüllen hatte. „Jeder ist mit dem Weißen Haus aus Film und Fernsehen vertraut. Das war schon etwas beängstigend. Zumal ich Franzose bin und vorher noch nie in Washington war! Wir wollten die Nachbildung natürlich so authentisch wie möglich gestalten. Zum Glück haben wir bei unseren detaillierten Recherchen sogar den Originalentwurf von Jackies Umgestaltungsmaßnahmen von 1962 aufgetrieben.“ Auch den Fernsehbeitrag „A Tour of the White House with Mrs. John F. Kennedy” studierten er und sein Team gründlich, um die Sets exakt nachbilden zu können. „Einer meiner Assistenten verbrachte zwei Monate damit, alle Gemälde zu identifizieren und die exakte Höhe, in der sie gehängt wurden.“

Trotz Rabasses Detailtreue gab es Raum für expressionistische Nuancen. „Pablo meinte, wir sollten bei der Gestaltung Mut im Einsatz von Farben zeigen, das würde dem Geist Jackies entsprechen. Also nutzten wir Farben, um ihre Gemütslage zusätzlich zu unterstreichen. Als sie nach der Ermordung ihres Mannes allein im Esszimmer des Weißen Hauses steht, haben wir alles in braun, orange oder grün gehalten. Damit betonen wir ihre Trauer und die Ungewissheit, die sie in dem Moment umgeben.“

Eine besondere Herausforderung war das Nachstellen der Autokolonne in Dallas, als JFK Opfer des Anschlags wurde. Die Filmaufnahmen dieser Tat gingen um die ganze Welt. Es war zu sehen, wie der Präsident getroffen in sich zusammensackt und Jackie panisch reagiert. Sie wurden wieder und wieder gesendet, in Filmen verwertet und haben Eingang ins Internet gefunden. Im Film ist diese Szene mehrfach zu sehen. Leider stand der Originalschauplatz auf der Elm Street nahe dem Dealey Plaza für das Filmteam nicht mehr zur Verfügung – die Durchgangsstraße ist zu stark befahren und eine Touristenattraktion. Stattdessen wurde auf einer Straße nahe der Hauptstadt Washington gedreht. „Wir drehten an einem Highway in Maryland mit ähnlichen Überführungen. Wir konnten die Kamera auf einen Kran setzen, den wir am Wagen befestigten. Natalie saß die ganze Zeit über im Wagen, sie hat alles selbst gespielt, ohne den Einsatz eines Stuntdoubles. Das war ein sehr emotionaler Drehtag. Wir wollten die Ereignisse authentisch nachbilden, aber mit angemessener Sensibilität und angemessenem Respekt. Kennedy wurde brutal aus dem Leben gerissen, doch Pablo hat es sehr gut verstanden, den richtigen Ton zu treffen“, erläutert Produzent Scott Franklin.

Cutter Sebastian Sepúlveda verstand es, die nicht chronologisch erzählte Geschichte, die geradezu hypnotisch in der Zeit hin- und herspringt, meisterlich zu einem verständlichen Ganzen zu fügen. Außerdem musste er viele verschiedene Elemente miteinander mischen: emotional intensive Sequenzen, Zeitsprünge, die Kombination von Doku-Material und nachgestellten Szenen, Schwarzweiß- und Farbaufnahmen. „Es war wirklich knifflig, die vier Ebenen des Films zusammenzubringen“, kommentiert Larraín. „Ich habe öfter Sebastian ganz nervös angerufen und ihn gefragt, ‚Wie kriegen wir das bloß alles zusammen?‘ Er riet mir dann, nach emotionale Brücken zu suchen.“ Sepúlveda sah darin den roten Faden. „Natalies emotionale Reise war das Rückgrat der Geschichte. Der Zuschauer sollte emotional nah an ihr dran sein. Sie trauert, das hat zur Folge, dass die Chronologie in Fragmente zerbricht.“

Eine besonders spannende Herausforderung war für Sepúlveda das Zusammenfügen von Teilen des Originalfernsehbeitrags von Jackies Führung durchs Weiße Haus mit den Aufnahmen, in denen Natalie Portman zu sehen ist. „Wir wollten den Zuschauer spielerisch verwirren, sodass er nicht mehr unterscheiden kann, was aus dem Originalmaterial stammt und was von uns nachgestellt wurde. Natalie schlüpft dabei in die Rolle von Jackie wie sie sich fürs Fernsehpublikum in Szene setzt.“



JACKIES OUTFIT

Jackie Kennedy hat in ihrer Funktion als First Lady Millionen von Frauen weltweit mit ihrem zwanglosen Chic inspiriert. Ihr modisches Markenzeichen hatte Klasse und war modern, klar und feminin, Kleider mit ausgestelltem Rock, farbige Pillbox-Hüte und strenge, kastenförmige Chanel-Kostüme. Dieser Stil prägte Jackies Image in der Öffentlichkeit. Die französische Kostümdesignerin Madeline Fontaine hatte die schwierige Aufgabe, Natalie Portman mit Jackies legendärer Garderobe auszustatten. Fontaine stellte ihr Können bereits in Filmen wie AMÉLIE, MATHILDE – EINE GROSSE LIEBE und YVES SAINT LAURENT unter Beweis. Eine der größten Herausforderungen bestand für sie darin, das einmalige Pink des Chanel-Kostüms sowie des Hutes nachzuahmen, die Jackie beim Mordanschlag in Dallas trug. Fontaine musste insgesamt fünf Exemplare anfertigen, die mit den verschiedenen Kameras, die im Einsatz waren, farblich abgestimmt wurden. Auch für den Fernsehbeitrag zur Tour durchs Weiße Haus mussten zwei Exemplare des dunkelroten Wollkleids angefertigt werden, von dem eins eher pink war. „So konnten wir für die Schwarzweiß-Bilder des Fernsehbeitrags die entsprechende Grauschattierung des Originalbeitrags erzeugen.“

 

 

Foto: (c) Verleih

Info: Abdruck aus dem Filmheft


BESETZUNG                                                                SYNCHRONSTIMMEN

Jacqueline Kennedy           NATALIE PORTMAN                 Manja Doering
Robert „Bobby“ Kennedy    PETER SARSGAARD               Peter Flechtner
Nancy Tuckerman             GRETA GERWIG                      Nicole Hannak
Journalist                          BILLY CRUDUP                        Oliver Siebeck
Priester                            JOHN HURT                             Jürgen Thormann
Lyndon B. Johnson           JOHN CARROLL LYNCH            Axel Lutter
Lady Bird Johnson            BETH GRANT                           Monica Bielenstein
William Walton                 RICHARD E. GRANT                 Frank Röth
Jack Valenti                      MAX CASAELLA                      Tobias Lelle
John F. Kennedy               CASPAR PHILLIPSON              Karlo Hackenberger
u.v.a.