Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 26. Januar 2017,   Teil 16

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Doch, einen Inhalt, eine Geschichte gibt es natürlich auch. Aber vielmehr ist es hier die Atmosphäre in einem zappendusteren Rom, in dem es ständig regnet und der Regen dennoch nicht den menschlichen Schmutz abwaschen kann, der den Film durchwabert, eine Atmosphäre, die einen erst in den Film hineinzieht und einen dann bis zum Schluß nicht mehr losläßt.


Also, eine Geschichte gibt es auch und die hat auch ohne die beeindruckende Atmosphäre Thrillerformat. Die Apokalypse wird angekündigt. In sieben Tagen ist alles vorbei. Das sagt das Alte Testament. Und das Übel, das immer fetter wird und sich ausbreitet, das existiert schon seit Jahrhunderten und höhlt längst das Zentrum der italienischen Gesellschaft aus. Deshalb sind wir mit SUBURRA auch an der richtigen Stelle, denn so nannte man dies Armen- und Hurenviertel in der Antike. Dort soll sogar Julius Cäsar gelebt haben und die engen Straßen waren Orte des Verbrechens, aber auch des Lebens der einfachen Leute, eine gesellschaftliche Wüste den einen, die Heimat den anderen.

Dieselbe gesellschaftliche Mischung stellt Regisseur Stefano Sollima heute dar. Im modernen Suburra geht es hoch her, geht es übel aus,  denn die Politik ist genauso korrupt, wie die Mafia ihrerseits mit diesen Korrupten ihre Geschäfte macht und am Ende immer gewinnt. Die Personen in diesem unappetitlichen Spiel sind auf der Seite der angeblich Guten der konservative Parlamentarier Filippo Malgradi (Pierfrancesco Favino), der seine schmierigen Gesellen überall hat, und eng mit Kardinal Berchet (Jean-Hugues Anglade) zusammenarbeit, der wiederum den besten Zugang zur Vatikanbank hat. Der dritte im Bunde zwischen Malgradi und Berchet ist der Mafiaboß, der als 'Samurai' ( Claudio Amendola) bekannt ist, ein alter Neofaschist, der nun mit dem Vorhaben, ein Kasino zu bauen und dort das große Geld für alle Beteiligten zu machen, das ganze bisherige Schmiersystem erst zum Aufblühen und dann zum Absturz bringt.

Aber wie sich diese Geschichte im Film entwickelt, ist mit so vielen Details und gewissermaßen unausweichlich erzählt, daß es eine Freude ist. Die Verhältnisse im politischen Raum, die glaubt man zu kennen, die parlamentarische Arbeit mit den Mehrheitsbeschaffern, von denen Malgredi eben ein besonders gewiefter ist, der tatsächlich das Projekt durchbringt. Und wie er seinen politischen Sieg feiert, das kennt unsereiner nur aus der Zeitung: er veranstaltet eine Sexorgie, bei der seine Lieblingshure Sabrina (Giulia Elettra Gorietti) eine weitere, aber noch minderjährige Prostituierte mitbringt – und Drogen dazu. Das überlebt das junge Mädchen nicht.

Was tun? Wäre der angetrunkene und bekiffte Politiker bei sich, dann hätte er jetzt die Sache in die Hand genommen und auf die richtige Weise vertuscht. So aber macht er es sich bequem und beauftragt die darin ungeübte Sabrina mit der Beseitigung der Leiche; die schaltet sofort Spadino (Giacomo Ferrara) ein, ihren windigen Freund, der Mitglied des Zigeunerclans Anacleti ist, verachtet von den Mafiosi und ihren Familien. Und das war der für diesen Film, für diese Geschichte entscheidende Fehler. Der weiß natürlich sofort, welches Pfund er nun nach der Erledigung dieser Aufgabe gegen Malgradi  in der Hand hat und fordert ihn umgehend auf, seine Drogen nur noch bei ihm zu kaufen. Der unter Druck Geratene schaltet wiederum einen anderen ein, der Spadino kräftig Angst machen soll. Das ist der Mafioso Aureliano Adami (Alessandro Borghi), der allerdings seine Einschüchterung übertreibt, denn Spadino stirbt daran.

Das kann das Familienoberhaupt der Anacleti (Adamo Dionisi) und Bruder Spadinos nicht auf sich sitzen lassen und sucht den Mörder. In diesem Spiel, wo eins ins andere übergeht, und die eine Person die nächste ins Spiel bringt, bleiben einige auf der Strecke, immer dann, wenn sie glauben, gerade einen Stich zu machen. Längst sind wir schon bei Sebastiano (Elio Germano), der Sabrina Zuflucht bot, aber bei Manfredi hochverschuldet ist, weshalb er Sabrina verrät, damit seine eigenen Schulden bei Manfredi ausgeglichen sind.

Nein, was nun passiert, erzählen wir nicht weiter, aber mit System wird hier weitergemordet, bis der Anlaß dieser Kette auftaucht: die Leiche der jungen Frau, die der nun auch schon tote Sebastiano in den Tiber geworfen hatte. Jetzt ist die Kacke am Dampfen. Aber, was sich als Abschluß anhört, wird durch einen neuen Mord an Malgradi in eine neue Dimension versetzt, ein neuer Anfang vom Ende.
Ein toller Film!

P. S. Vom kleinen Bruder haben wir nun gar nichts geschrieben. Das liegt auch daran, daß der auf der Strecke bleibt. Nein, nicht tot, aber er wird einfach nicht mehr erwähnt. Das machte uns unruhig.



Foto: (c) Verleih


Info:
Ein Film von Stefano Sollima
Mit:
Pierfrancesco Favino, Elio Germano, Claudio Amendola, Alessandro Borghi, Greta Scarano, Giuila Elettra Gorietti, Antonello Fassari, Jean-Hugues Anglade

 

Der Film basiert auf dem Roman SUBURRA.SCHWARZES HERZ VON ROM von Giancarlo de Cataldo und Carlo Bonini aus dem Folio Verlag 2015. Das Buch war sofort erfolgreich und hielt sich auch auf der KrimiBestenListe, die damals die ZEIT herausgab und die heute in der FAS erscheint.