Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 2. Februar 2017, Teil 5

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Höchste Zeit an James Krüss zu erinnern, den Autor von TIMM THALER und anderen Jugendgeschichten, in denen er in der Nachkriegszeit, zu denen die Sechziger Jahr noch dicke gehörten, den Aufwachsenden Mut machte, sich gegen die Kommerzialisierung und  den Materialismus des Lebens zu wehren, die im Wirtschaftswunderland Westdeutschlands vorherrschte, wo der Kühlschrank, das Auto, die Ferienreise nach Italien wichtiger waren als das Wohlergehen von Kindern.


Denn daß Kinder etwas anderes als materielle Gegenstände brauchen, nämlich Zuneigung, Interesse für sie und das Möglichmachen ihrer eigenen Welt, weiß zwar theoretisch jeder, aber dies auch in Praxis umzusetzen, fand paradigmatisch in Jugendbüchern statt. Ja, stimmt, diese Funktion hatten Kinder- und Jugendbücher schon immer, wenn sie eigentlich in den Figuren der Kinder die gesellschaftlichen Verhältnisse entlarven.

Bleiben wir bei Timm und dem Hörspiel nach dem Film. Naturgemäß haben wir es erst nach dem Schauen des Films angehört und von daher wissen wir nicht, wie es auf denjenigen wirkt, der den Film noch nicht gesehen hat. Aber, wer ihn schon sah, hat die Bilder so im Kopf und im Herzen, daß er sofort, wenn er die Stimmen wiedererkennt, die Leinwandgeschichte vor Augen hat und jeden Schauspieler anhand der Stimme in seiner Rolle wiedererkennt. Das macht Spaß und uns ging das so, daß wir beim Hören den Film im eigenen Kopf gleich nochmal mitsahen. Daran erkennt man übrigens auch die Qualität der Regiearbeit von Andreas Dresen und sicherlich hat er eine solche Riege erstklassiger deutscher Schauspieler auch deshalb zusammenbekommen, weil sein Name zählt.

Nur noch ein Wort zum Filmhörspiel. Sicherlich, auch beim im Kinosaal Sitzen, merkt man als James Krüss Leser, was Drehbuchautor Alexander Adolph gegenüber der Buchvorlage verändert hat. Aber was beim Hören noch deutlicher wird, ist, wie er den in den Zwanziger Jahren spielenden Roman sinnvoll aktualisiert hat. Denn die Anbetung des Goldenen Kalbes, immer schlecht für Kinder,  ist ja in den 55 Jahren Jahren, seit 1962  TIMM THALER erschien, nicht weniger, sondern sogar mehr geworden.

Als der Jugendroman also 1962 in der Bundesrepublik erschien, war er auf Anhieb ein großer Erfolg. Ein Junge, der sein Lachen verkauft, paßte allzugut in die materialistische Wirtschaftswunderwelt, wo Geld größeren Gewinn verspricht als Gemüt, Empfindung und Emotion. Aber warum mußte Krüss Timm in der Vergangenheit ansiedeln? Vielleicht um die phantastischen Elemente im Buch plausibler zu machen, denn heutige Menschen glauben nicht an solche übernatürlichen Fähigkeiten, wie sie im Roman passieren – und im Film sich wunderbar potenzieren. Es ist also kein Märchen, das Krüss erzählt, aber die Geschichte trägt phantastische Züge, wie sie eigentlich erst Ende des Jahrzehnts mit 100 JAHRE EINSAMKEIT vom wunderbaren Gabriel García Marquez als Phantastischer Realismus zur Literaturgattung wurde.

Der Roman, aufgrund des Films neu herausgebracht, schon auf dem Titel mit den Filmfiguren und im Inneren mit Filmfotos bestückt, hat eine ganz eigene Struktur. Da gibt es nämlich mit Vorspiel und Nachspiel sieben Tage, die als Kapitel getrennt sind, wobei jedes Kapitel dann wieder erst fünf, dann noch mehr Bögen umfaßt, die als Unterkapitel gelten. So heißt es in „DER ERSTE TAG, an dem erzählt wird, wie der kleine timm Thaler aufwächst, wie ihn ein großes Unglück trifft, wie sich sein Leben dadurch völlig ändert und wie er mit einem karierten Herrn einen merkwürdigen Vertrag abschließt und die Bögen haben die Überschriften:


Ein armer kleiner Junge
Der karierte Herr
Gewinn und Verlust
Das verkaufte Lachen
Verhör am Abend.

Fortsetzung folgt



Foto: (c) Verleih

Info:
James Krüss, Timm Thaler oder Das verkaufte Lachen. Das Buch zum Film, Verlag Friedrich Oetinger , Hamburg 2017

Timm Thaler oder Das verkaufte Lachen, Originalhörspiel zum Kinofilm, Oetinger audio 2017 mit Justus von Dohnányi, Axel Prahl, Charly Hübner

Was wir nicht verstehen ist auf der Rückseite der Hinweis, 'nach dem Leinwanderfolg nach dem Buch von Sven Nordqvist“