Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 2. Februar 2017, Teil 6

 

Claudia Schulmerich

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Man sieht also schon, daß der Film den Roman erst einmal genau nacherzählt. Dann aber wird es im Buch für Timm wesentlich aufregender, was im Film fehlt, denn er gondelt in der Welt herum.

 

Dazu gleich noch mehr, denn wir müssen für die Leser erst einmal vom Vorspiel berichten. Da bereitet nämlich der Autor schon auf Phantastisches vor. Er sitzt in der Nachkriegszeit im Zug zu einer Druckerei nach Leipzig in einem Abteil, wo ein rundlicher, leicht sonderbarer nach Nelken riechender Mann ihn zum Mittagessen einlädt, das auch sofort angefahren kommt: „Plötzlich nämlich überholte uns ein rot-gelber, anscheinend dieselbetriebener Schienenwagen, ein elegantes Fahrzeug zu jener Zeit. Dieser Schienenwagen fuhr nun in gleicher Geschwindigkeit neben uns her. Ein breites Fenster, durch das ich in einen Speisewagen hineinsehen konnte, blieb auf der Höhe unseres Fensters, das der Herr, der mich zum Mittagessen eingeladen hatte, nun öffnete. Da öffnete man in dem Schienenwagen ebenfalls das Fenster und reichte uns ein großes Tablett herüber, das wegen des Fahrwindes mit einem ovalen hohen Deckel aus schwerem Hotelsilber zugedeckt war. Zusammen mit dem Herrn nahm ich es in Empfang. Dann setzten wir es vorsichtig auf den beiden Fenstertischen vor uns ab.“ Und anschließend aß der Autor das beste Mittagessen seines Lebens, dessen Bestandteile einschließlich der Nüsse und geraspelten Schokolade er ausführlich schildert.

 

Natürlich verfolgt das lange Zitat eine Absicht. Zum einen erkennt man, daß das Märchenhafte daran durchaus realistische Züge hat, zum anderen mit welcher Ruhe und welcher Ausführlichkeit sich James Krüss ans Erzählen macht. Da ist für heute sprachlich manches redundant, aber gleichzeitig kommt diese Präzision der Situationsschilderung der Sehnsucht von Kindern und Jugendlichen entgegen, die Welt verstehen zu lernen. Hier kann jeder alles verstehen und durch den langsamen Erzählduktus entwickelt sich gleichzeitig in der wirklichen Welt so etwas wie Traum- oder Märchensequenzen, die dann von der Wirklichkeit bestätigt werden. Ein schlaues Verfahren, das hier dazu führt, daß der Autor dann in der Leipziger Druckerei einen alten Schulfreund namens Timm wiedertrifft, der ihm die zauberreiche Geschichte erzählt, als wäre sie ihm selber passiert. Und das Gehörte wird an sieben Abenden der Erzähler danach auf leeren Rückseiten von Druckbögen niederschreiben. Und da der Autor dem Buch eine Widmung voranstellt: „Für Günter Strohbach, dem ich diese Geschichte verdanke“, wollen wir das gerne weitergeben.

 

Mit drei Jahren verliert Timm die Mutter, der Vater muß arbeiten, in eine arme Gegend ziehen. „Bald darauf bekam Timm eine dürre, mausgesichtige Stiefmutter und dazu einen Pflegebruder, der frech, verwöhnt und käsebleich war.“ Man sieht, Krüss kann auch ganz kurz und prägnant schildern! Mit dem Vater ist er nur allein, wenn ihn dieser zur Pferderennbahn mitnimmt, wo er das heimlich gesparte Geld – meist beim Wetten verliert. Timm ist dabei glücklich und auch die Schule bedeutet für ihn das reine Glück. Vier Jahre und dann entwickelt sich erst sein Unglück, der Vater wird auf dem Bau von einem Brett erschlagen. Es zieht ihn am Sonntag zur Pferderennbahn, wo er mit dem Vater allein und glücklich war.

 

Dann findet er das Fünfmarkstück – wie gut, daß da nicht modernisiert Euro steht – und hat mit dem langen dürren Herrn im karierten Anzug zu tun, der ein völlig anderes Aussehen hat als im Film Justus von Dohnányi. Aber wenn man liest, was dieser Typ spricht, dann hört man immer die Stimme des Schauspielers im Ohr, der einfach das Fiese an der Figur auch stimmlich rüberbringt. Erstaunt verfolgt man, wie dicht sich Regisseur Dresen an die Erzählung hält, in der sich nun alles in Richtung Verkauf des Lachens entwickelt und der Vertrag zwischen Herrn L. Lefuet und Herrn Timm Thaler mehrere Seiten in Anspruch nimmt, dessen Timm zusammenfaßt: „Ich verstehe“, sagte Timm. „Schweigen heißt : Reich sein ohne Lachen. Reden heißt: Arm sein, aber auch ohne Lachen.“

 

Aber erst einmal wird Timm ja reich, denn das Lachen hatte er ja gegen die verbindliche Zusicherung erhalten, nun immer zu gewinnen. Was er tut.

 

Fragt sich nur, was uns als geheime Botschaft James Krüss mit auf den Weg geben wollte. Das ist eigentlich an der Geschichte als Quintessenz abzulesen. Lebensfreude ist etwas, was man nicht kaufen kann. Und wenn man es zu verkaufen versucht, ist das Eigentliche im Leben verloren. Lachen ist die Souveränität gegenüber dem Leben auch schon für Kinder. Das Nichtmaterielle siegt gegenüber dem Geldgehabe und Geldprassen.

 

Info:

James Krüss, Timm Thaler oder Das verkaufte Lachen. Das Buch zum Film, Verlag Friedrich Oetinger , Hamburg 2017

 

Timm Thaler oder Das verkaufte Lachen, Originalhörspiel zum Kinofilm, Oetinger audio 2017 mit Justus von Dohnányi,  Axel Prahl, Charly Hübner

 

Was wir nicht verstehen ist auf der Rückseite der Hinweis, 'nach dem Leinwanderfolg nach dem Buch von Sven Nordqvist“