Eine TV-Film-Dokumentation von Werner Boote nach einer Idee von Wolfgang Weitlaner, bei dem wir nachfragten

 

Claudia Schulmerich

 

Wien (Weltexpresso) - Am 11. September 2001 stranden nach der Sperre des US-Luftraums – nach den Attentaten auf das World Trade Center und das Pentagon - mehr als 6 500 Flugpassagiere und Besatzungsmitglieder in der kleinen Stadt Gander in Neufundland. Das ist der Beginn einer einzigartigen Geschichte der Nächstenliebe. Der Journalist Wolfgang Weitlaner hat gemeinsam mit dem Filmregisseur Werner Boote eine TV-Dokumentation über die „gestrandeten Passagiere“ gedreht. Mit einem Filmteam besuchten sie zum zehnten Jahrestag von 9/11 die kleine Stadt im Herzen der Insel Neufundland.

 

Claudia Schulmerich: Wie sind Sie auf die Idee zur Geschichte gekommen?

 

Wolfgang Weitlaner: Ich habe 2009 eigentlich eine Recherche über Airbus gemacht und stieß dabei auf einen Wiki-Eintrag über einen Lufthansa-Airbus, der nicht wie alle anderen Flugzeuge der Flotte einen deutschen Namen trug, sondern auf „Gander/Halifax“ getauft wurde. Dabei wurde angeführt, was die Bewohner dieser beiden Städte nach dem 11. September geleistet hatten. Ich rief ganz aufgeregt Werner Boote an und erzählte ihm diese Geschichte. Er war sofort davon begeistert.

 

Was war Ihr Umsetzungsplan?

 

WW: Ich wollte einen Film machen, der zeigt, dass es selbst in Tagen der Katastrophe Menschlichkeit und Nächstenliebe gibt. In unzähligen Zeitungsartikeln und Beiträgen konnte ich lesen, wie herzlich die Menschen in Neufundland waren. Werner Boote, der sich mit seinem Film „Plastic Planet“ wirklich ins Zeug legte, schien mir der beste Partner zu sein. Er versteht es, mit Bildern zu fesseln und ganz viel Emotion zu zeigen, ohne je kitschig zu werden.

 

Wie ging es dann weiter?

 

WW: Als ich Werner anrief, meinte ich, dass wir rasch handeln müssten, weil sich der 10. Jahrestag als Sendetermin eignen würde. Ein Problem war, daß es wohl schwierig sein würde, Originalaufnahmen von Gander von vor 10 Jahren zu bekommen. Doch Werner hatte auch dafür eine Lösung gefunden. Ein Bekannter namens Johannes saß in einem Flugzeug, das auf dem Weg nach New York war und niemals dort ankam. Werner verabredete sich noch am gleichen Tag mit ihm. Johannes reiste damals mit seinem Freund Andreas zum Red Bull Music Award nach New York. Sie hatten auch ihre Video-Kamera dabei.

 

Konnten Sie das Filmmaterial verwenden?

 

WW: Ja. Und wie der Zufall es wollte, hatten wir die Möglichkeit mit Johannes und Andreas nach Gander zu fliegen und sie bei der Spurensuche von damals zu begleiten. Ich hatte in der Zwischenzeit Kontakt mit einigen Neufundländern aufgenommen – etwa dem Bürgermeister Claude Elliott und den Gemeinderat von Gander, Frau Beulah Cooper, die einige der Passagiere bei sich zu Hause aufgenommen hatte und noch einige andere. Ich hatte auch die Möglichkeit ein Interview mit der lokalen Zeitung zu führen, wo wir unsere Pläne erklären konnten. Schließlich hatte Werner die Idee zum Zehn-Jahres-Memorial nach Gander zu fliegen und die Stimmung vor Ort einzufangen.

 

Wie verhielten sich die Menschen in Gander?

 

WW: Ich habe selten so viele freundliche und liebenswürdige Menschen kennen gelernt wie dort. Man hat uns überall freundlich empfangen und wir konnten überall ungestört filmen. Die zweite Reise nach Gander galt dann den Erinnerungsfeiern an die Terroranschläge. Das war eine besondere Herausforderung, da viele der damaligen Passagiere wieder nach Neufundland gereist sind.

 

Was waren die berührendsten Momente?

 

WW: Ich konnte das Ehepaar Nick und Diane Marson ausfindig machen, die sich als gestrandete Passagiere in Gambo, nahe Ganders, kennenlernten und ein Jahr später geheiratet haben. Er ist Brite und ist zu seiner Frau nach Texas gezogen. Die beiden sind für mich ein Paradebeispiel großer und inniger Liebe zueinander, die allerdings von beiden große Opfer forderte. Sie waren so liebevoll und offenherzig. Am letzten Drehtag mit ihnen machten wir in einer einsamen Bucht in Twillingate vor einem Eisberg ein Interview (vgl. Foto), in dem sie über ihre Liebe sprachen. Da mußten wir hinter der Kamera alle weinen. Es gab sehr viele sehr berührende Szenen – auch in den kleinen Ortschaften außerhalb von Gander, wo man Passagiere in Gemeindesälen oder Schulen untergebracht hatte.

 

Wollen Sie noch etwas erzählen?

 

WW: Ich möchte mich vor allem bei den vielen liebenswürdigen Menschen in Gander, Gambo und Lewisporte bedanken. Sie haben wirklich Großartiges geleistet. Bedanken möchte ich mich auch beim Regisseur Werner Boote. Wir haben uns auf Anhieb verstanden und konnten daher gemeinsam diese Geschichte filmisch umsetzen. Ich war sehr glücklich, als ich in Werners Kommentar am Anfang der Doku erstmals hörte: „Dieser Film zeigt eine andere Seite von 9/11: Er handelt vom Guten im Menschen und erzählt die Geschichte von Gander, einer kleinen Stadt in Neufundland, die zum Inbegriff für Nächstenliebe, Hilfsbereitschaft, Respekt und Toleranz wurde.“ Anders würde auch ich das nicht ausdrücken.

 

Kommt in Ihrem Film auch Petra Roth vor, unsere damalige Frankfurter Oberbürgermeisterin, die ebenfalls auf dem Weg nach New York in Gander gestrandet war, was in Frankfurt tagelang und seitenweise berichtet wurde?

 

WW:Nein, leider kommt Petra Roth im Film nicht vor. Denn sie hatte zweimal abgesagt. Erstens stand sie uns für ein Interview nicht zur Verfügung. Zweitens hatte sie auch die Einladung des Bürgermeisters nach Kanada ausgeschlagen. Leider, wie gesagt.

 

 

Info:

 

9/11 - Gestrandet bei Freunden“ –

Sendetermin: Sonntag, 9. September, 20.15 Uhr auf SERVUS-TV
(Wiederholung am 11. September, 17.05 Uhr)

http://www.servustv.com

 

 

Foto 1: das Ehepaar DIANE & NICK MARSON, die im Film vorkommen

Foto 2: der Bürgermeister von Gander, Claude Elliott und die beiden gestrandeten Österreicher ANDREAS und JOHANNES vor einem Wrackteil des zerstörten World Trade Center von New York. Die New Yorker Firefighter haben das der Gemeinde Gander geschenkt.

Beide Fotos von Wolfgang Weitlaner.

 

 

 

Werner Boote: http://www.wernerboote.com