Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 2. März, Teil 4

Margarete Frühling

München (Weltexpresso) - Karl Marx (August Diehl) lebt mit seiner Frau Jenny geb. von Westfalen (Vicky Krieps) und ihrer gerade geborenen Tochter Jenny Caroline 1844 in Paris in recht beschränkten finaziellen Verhältnissen. Er hält sich mit Veröffentlichungen für deutsche Zeitungen über Wasser, liefert aber seine politisch-ökonomischen Artikel häufig zu spät ab.


Als er wieder mal seinen Verleger um einen Vorschuss angeht, trifft er in der Redaktion auf Friedrich Engels (Stefan Konarske), Sohn eines Fabrikbesitzers, dessen Vater neben Fabriken im Rheinland auch Textilfabriken in Manchester mit Hunderten von schlecht bezahlten Arbeitern besitzt. Engels arbeitet als Prokurist bei Ermen & Engels in Manchester und ist entsetzt über die dortigen Arbeitsbedingungen. Während eines Arbeitskampfes in den Fabriken lernt Engels eine der Wortführerinnen kennen, Mary Burns (Hannah Steele), eine junge, in Manchester geborene Irin, die als Baumwollspinnerin arbeitet. Sie zeigt ihm, wie die Arbeiter leben und regt ihn dadurch an, das Buch "Die Lage der arbeitenden Klasse in England" zu schreiben. Sie selbst ist allerdings Analphabetin.

Marx hält Engels zuerst für einen gestriegelten Bourgeois, aber beide merken recht bald, dass sie ähnliche Ansichten haben, die gleichen politischen Ziele verfolgen und in ihren Schriften auch zu ähnlichen Ergebnissen kommen. Außerdem haben sie den gleichen Sinn für Humor und können sich auch wunderbar zusammen betrinken. Daneben greift Friedrich Engels dem regelmäßig klammen Karl Marx immer wieder finanziell unter die Arme.

So entsteht aus einem anfänglichen Misstrauen eine tiefe Freundschaft, in die auch Jenny Marx und Mary Burns eingebunden sind. Während in Europa an allen Ecken die Aufstände beginnen, versuchen die beiden der Arbeiterbewegung eine Stimme und der Revolution einen theoretischen Überbau zu geben.


Regisseur von "Der junge Karl Marx" ist Raoul Peck, der selbst eine spannende Vita hat. Geboren wurde er in Haiti, er hat an der TU Berlin Wirtschaftsingenieurwesen und an der Deutschen Film- und Fernsehakademie in Berlin Filmwissenschaften studiert. Er war in den 1990er Jahren 2 Jahre lang Kulturminister in seiner Heimat und ist zur Zeit amtierender Präsident der französischen Filmhochschule La Fèmis. Am 30. März wird seine Dokumentation "I Am Not Your Negro" über US-amerikanische schwarze Bürgerrechtler in die deutschen Kinos kommen, die beim Toronto International Film Festival 2016 den Publikumspreis für die beste Dokumentation gewonnen hat und die auch eine Nominierung als bester Dokumentarfilm für die Academy Awards 2017 erhalten, aber leider nicht gewonnen hat.

Der Film "Der junge Karl Marx", zu dem Raoul Peck auch zusammen mit Pascal Bonitzer das Drehbuch geschrieben hat, schildert einen bedeutenden Abschnitt im Leben von Karl Marx. Das Politdrama spielt zwischen Deutschland, Frankreich, Belgien und England. Peck zeigt dabei die frühen Lebensjahre von Karl Marx - ebenso wie diejenigen von seiner Frau Jenny, die für seine Entwicklung und seine Ideen sehr wichtig war. Daneben wird auch die politische Entwicklung von Friedrich Engels umrissen. Peck zeigt in dem Film deutlich, dass auch hier der Spruch gilt, dass hinter jedem großen Mann eine starke Frau steht. Dabei wird leider der Einfluss von Mary Burns auf Engels nur sehr kursorisch dargestellt.

Da sich Raoul Peck in seinem Film auf die Jahre von 1844 bis etwa 1848 beschränkt, kann er die Zeit der Entstehungsgedanken des Kommunismus ausführlicher zeigen. Er kann deshalb den Beginn der Freundschaft zwischen Marx und Engels, ihre gemeinsamen Diskussionen aber auch die politischen Auseinandersetzungen z.B. mit dem Bund der Gerechten, einer sozialistischen Vorläuferorganisation, darstellen. Auch die persönlichen Probleme von Karl Marx, der mit seiner größer werdenden Familie an der Armutsgrenze lebt, der es aber auch nicht schafft, seine Artikel rechtzeitig fertig zu bekommen (in späteren Jahren hat bekanntlich Engels dann viele der Texte druckfertig gemacht).

Auch wenn der Film nur vier Jahre umfasst, wurde trotzdem das Hauptaugenmerk auf die persönlichen Umstände gelegt und die politischen Inhalte etwas an den Rand gedrängt. Da aber die drei Hauptdarsteller August Diehl als Karl Marx, Stefan Konarske als Friedrich Engels und Vicky Krieps als Jenny Marx, geb. von Westphalen hervorragende schauspielerische Leistungen zeigen, wirkt der Film nie langweilig. Gerne hätte man auch etwas mehr von Hannah Steele als Mary Burns gesehen. Wenn man sich aber umfassender mit den Werken von Marx und Engels beschäftigen will, muss man dann doch zu ihren Büchern greifen.

Insgesamt ist "Der junge Karl Marx" trotz aller Kritik ein anregender und vielschichtiger Film, den man sich sehr gut im Kino ansehen kann.

Foto: Vicky Krieps als Jenny Marx, August Diehl als Karl Marx, Stefan Konarske als Friedrich Engels © Verleih: Neue Visionen

Info:
Der junge Karl Marx (Frankreich, Deutschland, Belgien 2017)
Genre: Historiendrama
Filmlänge: 118 Min.
Regie: Raoul Peck
Drehbuch: Pascal Bonitzer, Raoul Peck
Darsteller: August Diehl, Stefan Konarske, Vicky Krieps u.a.
Verleih: Neue Visionen
FSK: ab 6 Jahren
Kinostart: 02.03.2017