Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 2. März, Teil 8

Corinne Elsesser

Frankfurt am Main (Weltexpresso) -  Eine großformatige, auf Keilrahmen gespannte Leinwand wird in einen Atelierraum getragen und auf ein Podest gehoben, auf dem bereits ein begonnenes Gemälde an die Wand gelehnt steht. Der Träger tut sich schwer mit dem Tragen, stösst hier an, tritt dort einen Schritt zurück und ruft: "Wo sind die Assistenten?" und schafft es schliesslich, die neue Leinwand exakt vor das an der Wand lehnende Gemälde zu stellen.

Hinter der Leinwand tritt der Maler Neo Rauch hervor und schaut erleichtert in den Raum, dann zur weissen Fläche, auf der im Verlauf des Dokumentarfilms ein neues Bild entstehen wird.

Früher, meint der Maler, habe er mit Leichtigkeit zwei solcher Leinwände hierhergetragen. "Die Kräfte lassen nach." Das Alter, auf das er anspielt, erfahren wir erst später. Die Fernsehjournalistin und Regisseurin Nicola Graef hat ein einfühlsames Portrait des derzeit wohl bekanntesten deutschen Malers entworfen. Zunächst sollte es ein Interview werden, schliesslich entstand eine Dokumentation. Drei Jahre lang dauerten die Dreharbeiten. Nur langsam erhielt Graef Zugang zum Alltag des Malers, zur Privatsphäre des Ateliers, was nicht selbstverständlich war. Sie durfte ihn schließlich - mit ihrem Kamerateam - bei seiner Arbeit, beim Malen beobachten, folgte ihm zu Ausstellungseröffnungen nach Köln, New York oder Miami und interviewte seine Sammler. In den USA erzielen die grossformatigen Bilder Neo Rauchs inzwischen siebenstellige Beträge, renommierte Galeristen wie Gerd Harry Lybke in Leipzig und David Zwirner in New York vertreten ihn und in Museumssammlungen ist sein Werk weltweit präsent.

In der Neuen Pinakothek in München erläutert ein Kurator eines seiner Gemälde. Hier erfahren wir, dass Rauch 1960 in Leipzig geboren wurde, an der dortigen Hochschule für Grafik und Buchkunst bei Arno Rink und Bernhard Heisig studierte, bis er Anfang der 1990er Jahre als einer der "shooting stars" der "Neuen Leipziger Malerschule" von amerikanischen Sammlern entdeckt wurde.

Auf seine Berühmtheit angesprochen, lächelt der Künstler: "Geld ist flüchtig. Das kann heute viel sein und morgen kann alles wieder anders aussehen." Seine Verdienste gehen ein in die "Grafikstiftung Neo Rauch" in Aschersleben, die er zusammen mit seiner Ehefrau Rosa Loy, ebenfalls Malerin, gegründet hat. Er verkauft nicht alle seine Bilder und baut mit der Zeit eine eigene Sammlung auf. Zu dieser zählen auch Arbeiten seiner Frau und Zeichnungen seines früh verstorbenen Vaters.

Die professionell gemachte Reportage vermittelt einen Eindruck von dem Maler, der hinter den oft rätselhaften, meist in gedeckten Farben gehaltenen Figurenkonstellationen steht. Neo Rauch versteht sich als ein Arbeiter. Und immer ist es die Arbeitswelt, die in seinen Bildfindungen zutage tritt, sei sie auch sinnentleert und lange schon vergangen. Er bleibt sich treu. Und Geld und Ruhm, auch das zeigt der Film, müssen einem Künstler nicht notwendigerweise den Kopf verdrehen.

Foto: (c) Verleih

Info:
Neo Rauch – Gefährten und Begleiter, Deutschland, 2016
Genre: Dokumentarfilm
Regie: Nicola Graef
Kamera: Felix Greif, Alexander Rott
Schnitt: Kai Minierski
Musik: George Kochbeck, Lucas Kochbeck
Produktion: Lona•media - Susanne Brand, Nicola Graef
Länge: 101 Minuten