Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 23. März, Teil 6

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Eindrucksvoll zeigt der Film von Marie-Castille Mention-Schaar die Situation von Eltern, deren Töchter in die Fänge des Islamischen Staates geraten sund 'als Jungfrauen' nach Syrien aufgebrochen sind oder dies noch wollen, um durch Attentate einen Platz im Himmel zu ergattern, der aber nach diesem Film noch warten muß.


So beginnt es und den Film über wird die Zusammenkunft der Eltern mit Dounia Bouzar immer wieder eine Rolle spielen, wo diese auch für den Zuschauer sehr eindrücklich die Motive der Mädchen den Eltern zu erklären versucht, vor allem aber – und das ist wirklich sehr gut gemacht, gut von der Gesprächssituation und auch gut in der filmischen Begleitung her – erklärt sie den Eltern, mit welchen Methoden, mit welchen Tricks, sich die jungen Männer an die Mädchen heranmachen.

Wir entnehmen den Fragen der Eltern, wie unterschiedlich die einzelnen Situationen sind. Von zwei Mädchen werden wir noch mehr hören, eine gehört zu denen, die schon in Syrien und für die Eltern verschollen sind. Andere sind bei der Ausreise verhaftet worden und nun in Untersuchungshaft vor einem Prozeß, andere Mädchen sind als Gefährder verurteilt worden. Wiederum andere stehen auf der Kippe – und dann gibt es die, die von alleine oder mit Hilfe der Eltern oder mit der von Dounia Bouzar den Ausstieg aus ihrem eigenen Psychoterror geschafft haben.

Und genau diese unterschiedlichen Situationen erleben wir nun mit, denn der eigentliche Film handelt konsequent von Sylvie und Sonja. Dabei gehen in der Strategie der Filmemacherin zwei Vorhaben auf spannende Weise glücklich auf. Zum einen werden die Geschichten der beiden Mädchen Sylvie und Sonja nicht parallel erzählt, sondern gegenläufig und der Film, der ein reiner Spielfilm ist, kommt einem immer wieder wie ein Dokumentarfilm vor, was dem Spielfilm nützt, denn er wirkt wie das wirkliche Geschehen im Frankreich von heute.


Während wir mitbekommen, daß Mutter Sylvie (Clotilde Courau) völlig verstört ist, erleben wir in Rückblenden, wie gut sich Mutter und Tochter Mélanie (Naomi Amarger) verstanden haben. Sie leben ohne den Vater und reden nicht nur ständig miteinander, sondern unternehmen viel gemeinsam. Die Musik, das Cellospielen bedeutet dem Mädchen viel und auch ihre Oma, die sie im Krankenhaus besucht. Gerade als diese stirbt und sie einfach tief traurig ist, nimmt sie den Kontakt auf, der sich über Facebook auf ihrem Rechner gemeldet hatte und sie beginnt ein Hin- und Herschreiben. Daraus entwickelt sich ein intensiver Austausch und Mélanie hat sich längst in den Jungen verliebt, der ihr erst schmeichelt und ihr dann seine Version von Mohammed und dem Islam unterjubelt. Interessant diese rein schriftliche Kommunikation Stück für Stück nachvollziehen zu können, wie dieser Typ mit dem Symbol des Löwen das Mädchen manipuliert, die sich geschmeichelt und geliebt fühlt und bis zur Verschleierung und dem Entschluß, eine 'Märtyrin'  werden zu wollen und zu morden, der Verführung unterliegt.

Bei Sylvie (Noémie  Merlant) scheint schon alles zu spät. Wir sind dabei, wenn die vierköpfige Familie aus dem Urlaub kommt und des Nachts ein Polizeieinsatz den überraschten Eltern (Sandrine Bonnaire und Zinedine Soualem) eröffnet, daß ihre Tochter Kontakt mit Terroristen hat. Sie wurde bei der heimlichen Ausreise nach Syrien ohnmächtig, was sie als 'verbrannt' fürs Ausland nur noch im Inneren einsetzbar macht. Doch nun wird statt Gefängnis Hausarrest ohne Telefon und Internet verordnet, was Sylvie fast wahnsinnig macht, will sie doch ihren Terrorauftrag ausführen. Was wir nun erleben, kommt einem vor wie der Entzug einer Droge. Sie wird fast wahnsinnig, hadert mit allen, wird dann schwankend und ohne daß dies zu dick aufgetragen würde, kann die Liebe der Eltern und deren konsequentes Handeln die Tochter zu einer eigenständigen Haltung bringen. Sie wird wieder das junge lebenslustige Mädchen, das sie früher war.

Foto: (c) Verleih