Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 30. März, Teil 3
Claudia Schulmerich
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – So ganz klar ist einem nicht, ob man hier einen Dokumentarfilm – so sieht es aus – sieht oder einen Film, der auf Dokumentation getrimmt ist. Zudem hat man den Eindruck, daß die Filmaufnahmen selber dazu dienen, das Endergebnis herzustellen, daß die Hauptperson nämlich Gaza verlassen kann und nach Hawai geht.
Das allerdings konterkariert in unseren Augen das Anliegen des deutschen Regisseursund dieser deutschen Produktion , der ja einen Film über die schwierige Situation derer machen wollte, die in Gaza leben. Leben müssen. Wenn von den Bewohnern selbst gesagt wird, sie lebten im Gefängnis, bezieht sich das auf die aktuelle politische Situation, die diesen kleinen Streifen am Mittelmeer, mit herrlicher Lage für den Tourismus sowie interessanter historische Vergangenheit zu einer freudlosen Einöde macht. Gaza liegt am unteren Küstenende von Israel, dieser schmale Küstenstreifen, dessen andere Seite schon an Ägypten grenzt. Früher war der Hafen eine Zentrum für Handel und große Schiffe. Heute versandet er. Genauso wenig wird der Flughafen noch angeflogen. Alles ist verwaist.
Der Film zeigt nun, daß die junge Generation auf die Durchhalteparolen der Hamas eine eigene Antwort gefunden hat. Wenn wir dem Film folgen, ist dies eine breite Jugendbewegung , die am Strand mit Surfen und Beieinandersein auf die unendlichen Niederlagen von Besetzung, Krieg, religiösem Fanatismus und Hoffnungslosigkeit mit einem sportlichen Protest reagiert, der eben auch ein Lebensgefühl ausdrücken soll.
Das Surfen ist theoretisch ein Mehrwert, der irgendwie als Ausdruck des Gefühls von Freiheit das Gegenteil der eigentlichen Lage ist und von daher diese für die Minuten des Glücks auf dem Wasser verdrängt. Aber gleichzeitig kommt einem das auch wie erfunden, also psychologisch wie abgeholt vor. Nicht so sehr als Lebenslust, sondern eben als Verdrängung, was mit keinem Wort thematisiert wird.
Was am Film wichtig ist, ist zweierlei. Er macht auf die unhaltbare Situation für diese Menschen in Gaza aufmerksam, die vor sich hin dümpeln ohne Hoffnung auf Änderung. Er zeigt eine Jugend, die nicht mehr opponiert und ein anderes Leben will, sich dieses Leben auf dem Wasser schafft, wo immerhin ganze Sechs-Meilen Freiheit sind, bevor die von den Israelis kontrollierte Grenze sie aufhält. Und dieser Film überzeugt durch Bilder, die ohne Worte die schwierige Situation der Bewohner auffängt und die Zerstörung des Landes aufzeigt, wie auch, wie es einmal war erfahrbar macht.
Das Ganze wird exemplarisch am 23jährigen Ibrahim erzählt, der alle Schwierigkeiten Schritt für Schritt überwindet, erst lernt, Surfbretter in immer besserer Konsistenz zu erwerben, was eine Kunst ist. Denn Surfbretter gehören nicht zu dem Lebensnotwendigen, was aus dem Ausland eingekauft wird. Surfbretter werden schlicht nicht importiert. Er nimmt erst mal die alten, lernt dann, hervorragend zu surfen, sich in Meisterschaften zu messen – und zu gewinnen. So kommt er ins Ausland, wo er die Surfbretter erwerben und nach Hause mitnehmen kann, nach Ägypten, wo er den US-amerikanischen Konkurrenten aus Hawai kennenlernt, der sein Freund und Förderer wird und ihn einlädt.
Doch wie kommt Ibrahim auf ordentlichem Weg raus aus Gaza? Mit einem Visum natürlich und das klappt auch. Israel ist der erste Streich, Ägypten ist dann der zweite, doch der nächste mit Hawai kommt sogleich.
Nein, wir sind mit dieser politischen Aussage des Films nicht einverstanden, so sehr wir das Erzählen über diese gebeutelte Land und die hoffnungslose Situation für die Bewohner begrüßen. Denn die Aufnahmen zeigen eine Wahrheit, die man in Worte kaum fassen kann. Eine Verzweiflung, ja Depression einer ganzen Bevölkerung auf der einen Seite, auf der anderen dann eine Gelassenheit der Alten, ja fast schon Zynismus, mit der mit Humor die Lage gemeistert wird.
Der Verleih sagt dazu wahre Worte: GAZA SURF CLUB liefert außergewöhnliche Einblicke in eine Region, die wir sonst nur aus den Nachrichten kennen. Fällt das Wort Gaza, entstehen vor unserem inneren Auge Bilder, die sich über Jahrzehnte in unser visuelles Unterbewusstsein gebrannt haben: Verwackelte Aufnahmen in schlechter Video-Qualität, Steine werfende Jugendliche, Kassam-Raketen, Ruinen und fanatische Hamas-Beerdigungen. Dieser palästinensischen Wirklichkeit stellt Regisseur Philip Gnadt eine hoffnungsvolle Gruppe Jugendlicher gegenüber, die trotz ihres krisengeschüttelten Alltags im ständigen Ausnahmezustand, trotz allem Patriotismus, ein bisschen Normalität erleben will.
Das teilen wir völlig. Und wenn tatsächlich das Surfen die einzige Hoffnung für junge Leute ist und ein Surrogat für Freiheit ausmacht, gut, dann machen wir das auch mit, obwohl es uns zu wenig ist an Freiheit. Womit wir aber nicht einverstanden sind, das ist, wie bewußt die Filmemacher ihre Filmfigur mit seinen Exilplänen stützen, ja daran den Film orientieren, denn mit den Aufnahmen für den Film hat er auch die Möglichkeit ins Ausland zu gelangen, wo er nicht nur den Freund kennenlernt, sondern auch das Praktikum in Hawai vorbereitet, das – das ist allen klar – einen Asylantrag nach sich ziehen wird, dieses Ende erahnt man eher, als daß der Film es klar ausdrückt.
Der Film wäre ohne diese Figur und auch seine Flucht kein Film geworden. Das finden wir ethisch sehr problematisch und politisch die falsche Orientierung für die Jugend des Landes. So gut das alles gemeint ist.
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Info:
Mitwirkende
Ibrahim Arafat, Ali Erheem, Moody Alryashi, Youssef Abu Ghanem, Mohammed Abu Jayab, Ahmed Abu Hassira, Sabah Abu Ghanem, Rajab Abu Ghanem u.v.a.