Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 4. Mai 2017, Teil 1

Romana Reich

Berlin (Weltexpresso) – Die Zuschreibung ‚französische Komödie‘ hatte ja in den letzten Jahren Hochkonjunktur, auch was die Qualität anging, bis der Zenit überschritten war und allerhand Seichtes mit ins Kinogeldgeschäft geschwommen kam. Dieser Film nicht. Dieser Film ist hervorragend.

Regisseurin Justine Triet hatte sich 2013 mit DER PRÄSIDENT UND MEINE KINDER mit einem Paukenschlag Eintritt ins Regisseur/innenlager verschafft. Und wenn man von ihrem neuen Film allein das Drehbuch läse, ohne den Film zu sehen also, so glaube ich, wäre man enttäuscht, ob der Gängigkeit des Themas: schon wieder eine alleinerziehende Mutter, im Beruf gefordert und alles gleichzeitig leistend, schon wieder ein untreuer Ex-Ehemann, der seinen Teil nicht leistet, weder Geld noch Zeit für Kinder, bis….Obwohl genau dies auch hier das Thema ist, wird die detaillierte berufliche Handlung gekoppelt mit dem Chaos des normalen Lebens zu einem aufregenden Film, der dann auch noch mit einer hinreißenden Hauptdarstellerin Virginie Efira das I-Tüpfelchen bildet zu einem richtig guten Film, den man getrost weiterempfehlen kann. Für jeden und vor allem jede!

Das liegt auch daran, daß Victoria keine von ihrem Mann finanziell abhängige Ehefrau war, nein, es verhielt sich sogar umgekehrt. Und das ist nun vorbei. Victoria ist Strafrechtlerin, sie vertritt in Prozessen also Mandanten, denen Straftaten vorgeworfen werden. Ob ihrer brillanten Wortgefechte vor Gericht ist sie anerkannt, ob ihrer privaten Wortgefechte zu Hause ist sie nur formal auf der Siegerseite, materiell dagegen die Unterlegene, denn der Mann ist weg und zahlt noch nicht einmal Unterhalt für die beiden kleinen Kinder. Zwar hatte er auch davor kein Geld, aber da lebte er mit in der Familie und Victoria konnte unbesorgt die Staranwältin werden. Jetzt dagegen muß sie mit dem angeheuerten Babysitter um alles mögliche feilschen und als es richtig brenzlig wird, und Victoria vor Gericht voll gefordert ist, da entschwindet er beleidigt.

Zuvor allerdings hatte Victoria das beginnende Unheil in ihrer Anwaltstätigkeit schon aufziehen sehen und dennoch nicht die Reißleine gezogen. Und daß der Film spannend ist, hängt auch mit dem zusammen, was die meisten Zuschauer eben aus dem Anwaltsleben nicht kennen, was aber eiserne Regeln sind. Beispielsweise, daß man, wenn man beide Seiten gut kennt, besser keine rechtliche Vertretung vor Gericht für nur eine Seite übernehmen solle. Besser, daß es nicht sinnvoll ist, den Ex-Freund zu vertreten. Besser, ja existentiell, daß man sich nicht öffentlich mit den Zeugen der Gegenseite auf den Treppen des Gerichts unterhält.

Letzteres wird für Victoria zur Falle. Ihr wird der Fall selbst, die Verteidigung, entzogen, sie wird sogar ein halben Jahr von ihrer Tätigkeit suspendiert. Und das ist der Grund, warum aus dieser Geschichte ein richtig guter Film wird. Das Chaos, das die nur berufliche bestens organisierte Victoria, im privaten Leben immer schon hatte, das nimmt nun, wo die Strukturen wegfallen, Ausmaße an, die dann längst ins Pathologische gleiten. Sie bekommt Depressionen, verwahrlost etc. Und wie sie aus diesem Schlamassel sich selbst wieder herausarbeitet und sich am Ende als erfolgreich auf jeder Ebene zeigt, das ist der Charme des Films, der ohne den Charme der Hauptdarstellerin nur die Hälfte wert wäre.

Noch einmal zu den drei Männern, die das Geschehen mitbestimmen. Das ist der Ex-Freund, der sie in die Probleme mit hereinzieht, das ist der Ex-Ehemann, der immer von einer Schriftstellerkarriere träumte, während er Haushalt und Kinder übernommen hatte, und nun, als Victoria durch ihre Suspendierung bekannt geworden ist, in einem privaten Blog ihre ganzen damaligen Liebeshändel und heutigen Probleme ausbreitet, und da ist der sanfte junge Mann, der als Babysitter, ach was, als Haushälter und Koch ihr privates Leben aufhübscht. Mehr im Kino.

P.S. Die Kinder? Doch die beiden Mädchen kommen auch ständig vor. Aber sie sind perfekt in den Film integriert, ohne Hauptpersonen zu werden. Die Mutter-Kind-Beziehung ist auf jeden Fall in Ordnung. Sehr sympathisch, wie der Film schildert, wie Kinder eine berufstätige Mutter verstehen.

Foto: Victoria (Verleih)