Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 18. Mai 2017, Teil 7
Claudia Schulmerich
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Das war eine gute Idee, die wie von selbst in den Frankfurter E-Kinos einen Abend vor dem Anlaufen des Films YOU‘LL NEVER WALK ALONE in deutschen Kinos, Frankfurter Zuschauer zu einer Filmpremiere zusammenbrachte, die gleich mindestens drei unterschiedliche Themen anspricht: Jüdisch sein, Musikgeschichte, Fußballfan.
Einer, für den dies in einer Person zusammenfällt, konnte man dann gleich in Fritz Backhaus erleben. Den kennen wir sonst als soliden Historiker und stellvertretenden Direktor des Jüdischen Museums in Frankfurt. Er begrüßte die Gekommenen, die sofort neidisch wurden, denn er trug den noch druckfrischen Finalpokalschal um den Hals gewickelt. Im Ernst, die eine Hälfte ist in Schwarz-Weiß-Rot und Eintracht Frankfurt bedruckt, die andere im grellen Gelb-Schwarz der Borussen. Das war echt ein Gaudi, denn solche wie ich, wußten gar nicht, daß es für dieses Ereignis sogar einen eigenen Schal gibt. Wo sind übrigens die Fußballmuseen, die allein solche ständigen Fußballdevotionalien der Öffentlichkeit zeigen?
Fritz Backhaus hatte auch gute Laune mitgebracht und mache auf den Film regelrecht neugierig. Das Gute an diesem Abend war aber, daß nicht nur nach dem Film diskutiert werden konnte – und wurde!, sondern daß mit Alfons Maria Arns auch ein Frankfurter Historiker aufgeboten war, der in seiner Einführung mit einer Version von YOU‘LL NEVER WALK ALONE auf den Putz haute. Es sangen die Drei Tenöre und ich war richtig froh, als später im Film irgendwann das Stichwort PUCCINI fiel, denn, so vorgetragen, wie von den Dreien, glaubte man, eine Arie von Puccini zu hören. Puccini, nicht Verdi, um damit deutlich zu machen, daß es nicht um das Opernhafte der Darstellung, sondern auch um die speziellen Töne ging.
Und dann erfuhr man noch, daß dies original zur Fußballweltmeisterschaft gesungen wurde in Paris vor dem Eiffelturm... ach lassen wir lieber Alfons Maria Arns original sprechen: „Ich habe diese hochdramatische, gefühlsmäßig überaus mitreißende Darbietung mit den weltberühmten Tenorstimmen von José Carreras, Plácido Domingo und Luciano Pavarotti aus einem Pariser Konzert des Jahres 1998 deshalb an den Anfang meiner Einführung gestellt, weil diese opernhafte Interpretation meiner Meinung nach mit ihrer Dauer von 3 Minuten und 47 Sekunden all das zusammenfasst, was das Lied ausmacht. Dass nämlich diese Ballade aus einem Musical des Jahres 1945 schon von ihrer kompositorischen Einheit von Text und Musik aus gesehen wesentlich mehr ist als eine Fußballhymne: nämlich eine universelle, weltumspannende Hymne an das Leben überhaupt; und dies in ebenso einfacher wie dramatischer Kürze und Klarheit.“
Der Vortrag von Arns wäre einer eigenen Veranstaltung wert gewesen, so tiefgreifend und umfassend konnte Alfons Maria Arns von diesem Lied erzählen, das 1963 zum ersten Mal in einem englischen Fußballstadion ertönte, nachdem es seit 1945 sich immer wieder und verstärkt als einzelnes Lied von seinem Hintergrund, dem Stück CAROUSEL, emanzipiert hatte.
Alfons Maria Arns erläuterte: „Fast alle großen amerikanischen Pop-, Rock-, Soul-, Jazz- und Countrysänger, so Malte Oberschelp in seiner sehr lesenswerten Kulturgeschichte Die Hymne des Fußballs „You’ll never walk alone“ (Göttingen: Verlag Die Werkstatt 2013), haben es sich nämlich nicht entgehen lassen, das Lied in ihr Repertoire aufzunehmen. Offenbar traf dieses in seiner Entstehungszeit verankerte zeitlose Lied einen Nerv als ein Zeichen der Hoffnung nach Krieg, Zerstörung, Tod und Leid.
Schon am 1. Mai 1945, also keine zwei Wochen nach der Premiere von „Carousel“ im Majestic Theatre am Broadway (am 19. April 1945), nahm kein Geringerer als Frank Sinatra die erste Single-Version des Liedes auf und erreichte damit die oberen Plätze in den Charts. Es folgten in den kommenden Jahren noch viele weitere berühmte Interpreten wie Mario Lanza (1952 und 1956), Louis Armstrong (1954), Roy Hamilton (1954), Mahalia Jackson (1956), Johnny Preston (1960), Judy Garland (1960), Nina Simone (1960), Shirley Bassey (1962), Doris Day (1962), Ray Charles (1963). Und so weiter und so fort.“
Ausführlich ging der Vortragende auf die Historie ein, die im Film aufscheint und die wir in der Rezension des Films zusammengefaßt hatten: LILIOM 1909 in Budapest, über den Ozean nach New York zu Hammersmith (Text) und Rogers (Musik) zum Musical CAROUSEL, das 1945 uraufgeführt wird. Warum dessen Gehalt, das um eine Schwangere und ihre Probleme durch den Tod des Mannes geht, auch in Amerika Thema blieb, hat mit den asiatischen Kriegen der USA zu tun, wo in Korea und Vietnam über 400 000 Soldaten auf dem Schlachtfeld blieben.
Am erstaunlichsten waren die Ausführungen, wo Arns unseren Gefühlen beim Zuhören den musiktheoretischen Hintergrund gibt, wenn er die C-Dur Komposition aufgliedert in Tonika und Dominante und Subdominante, die eine positive Grundstimmung erzeugen, die ins Dramatische kippt und der aufsteigenden Melodie fallende Terzintervale verpaßt. Tolle Ausführungen, die man gerne nachlesen möchte.
Fortsetzung folgt
Foto: (c) Verleih
Info:
Premierenvorstellung von You’ll never walk alone – Die Geschichte eines Songs (D 2017, Regie: André Schäfer) in den E-Kinos in Frankfurt am 18. Mai 2017 um 19.00 Uhr, Filmabend mit Einführung und Gespräch
Eine Kooperation des Jüdischen Museums Frankfurt am Main mit Evonik AG, dem Eintracht Frankfurt Museum und den E-Kinos Hauptwache
Einführung zum Film von Alfons Maria Arns, Frankfurt am Main
Danach Diskussion. Ende gegen 24 Uhr
Da wir die Besprechung ausführlich gehalten hatten, haben wir die Filmrezension zusammen mit Einführung und Diskussion im Anschluß an den Pokalsieg 2017 von Borussia Dortmund veröffentlicht.