LUTHER HEUTE. Der Begleitband zur nationalen Sonderausstellung auf der Wartburg, bis 5. November, Teil 3/3
Claudia Schulmerich
Erfurt (Weltexpresso) – So geht das nicht weiter. Zwei Artikel zum so interessanten Begleitband und erst auf Seite 19 von 456 folgenden! Und in der Tat sind auch allen fünf Bereichen der Ausstellung mehrere Aufsätze vorangestellt, ehe jedesmal ein Katalogteil die Ausstellungsexponate im Bild zeigt und im Text erklärt.
Luther, das Reich und die Deutsche Nation
In der Einführung heißt es: „Martin Luther verstand sich als Deutscher“. Was das in einem Durcheinander von Fürstentümern, Reich, freien Städten und anderen staatlichen Gebilden im Spätmittelalter heißt, wo die Begriffe ‚deutsch‘ schwammig und ‚Deutschland‘ nicht vorhanden sind? Da hilft gleich der erste Aufsatz weiter, wo Enno Bünz unter LUTHERS DEUTSCHLAND eine Bestandsaufnahme des Reiches um 1500 vornimmt. Schauen Sie sich nur die die Karte des Heiligen Römischen Reiches um 1517 an, die Gebiete und Sprachregionen. Sie sind Stunden beschäftigt. Richtig, ja, Preußen, später Inbegriff des Deutschtums gehörte nicht dazu! Aber Italien und zwar genau bis zur Grenze zum Kirchenstaat! Wir sehen Mitteleuropa wie es im Buche steht. Und das heutige Europa in seiner Urzelle.
Auch die nächsten Aufsätze, die die REFORMATION VON OBEN und EIN DREISSIGJÄHRIGER RELIGIONSKRIEG? sowie MEHRKONFESSIONALITÄT und DAS LUTHER-JAHRHUNDERT und eben auch von LUTHER ZU HITLER und weitere Aufsätze vereint, sind lesenswert. Wenn es im Katalogteil dann heißt, „Martin Luther lebte im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation“ stutzen wir. War der Zusatz DEUTSCHER NATION“ nicht erst im 16. Jahrhundert aufgekommen, u.a. als Folge von Luther und den Deutschen? Ja und Nein, denn erstmals wurde dieser Zusatz von der TEUTSCHEN NATION 1512 in einer Präambel des Reichstags von Köln erwähnt. Aber, und das ist neu für uns, der Zusatz kam Ende des 16. Jahrhunderts gleich wieder aus der Mode. Wir tradieren diesen Zusatz, der aber die kommenden zwei Jahrhunderte über bis zum Ende 1806 überhaupt nicht mehr gebraucht wurde.
Auf jeden Fall läßt der Katalogteil keine Wünsche offen. Die Abbildungen sind groß, mit herrlichen Farben. Natürlich die Reichsinsignien (natürlich Kopien, die Originale sind in Wien und werden es nie wieder verlassen) , schöne Kunstgegenstände, die damals Kult waren, heute Kunst, Waffen, Porträts...schauen Sie selbst. Wir müssen die 80 Seiten Katalog jetzt überblättern, um zum zweiten Kapitel zu kommen.
II. Luthers Glaube und sein Einfluß auf die Deutsche Kultur- und Geistesgeschichte
Wieder eine Einführung: „Luther war Theologe mit Herz und Seele.“ und sieben Aufsätze! Darunter die LUTHERBIBEL, die wir in anderem Zusammenhang noch mal besprechen. Auch hier ein Katalogteil von 71 Seiten, konzentriert auf Luther, vor allem seine Schriften, auch Gemälde, Drucke und Münzen. Toll.
III. Die Lutherstätte Wartburg als Deutscher Erinnerungsort
Hier geht es um das kollektive Gedächtnis, das sich mit der Wartburg verbindet. Sein Aufenthalt auf der Wartburg 1521/22 - als freiwilliger Gefangener oder als schutzsuchender Asylant – wird genauso zum Thema wie die Burg ALS DEUTSCHESTE ALLER BURGEN und damit NATIONALES MONUMENT selber. Dementsprechend bringt der Katalogteil auf seinen 30 Seiten die Wartburg und ihr Inneres in Gemälden, Skizzen, Drucken...
IV. Luther-Rezeption in den Künsten
„Luther und die Folgen für die Kunst“ hatte Werner Hofmann seine Ausstellung in der Hamburger Kunsthalle zum 500sten Geburtstag Luthers 1983 genannt. In diesem Kapitel geht es stark um die religiösen Bildprogramme in der Frühen Neuzeit, wie Luthers Zeit zwischen Spätmittelalter und Renaissance heute genannt wird. Aber auch um die Tatsache, wie oft und von wem Luther mit und ohne Frau (ja, unübertroffen oft und eindrucksvoll von den Cranachs) porträtiert wurde, fällt doch in genau diese Zeit und dem Prosperieren des Bürgertums überhaupt das Porträt, wirklich der Höhepunkte altdeutscher Malerei, unübertroffen und fast am schönsten gesammelt in der National Gallery in London. Daneben geht es um Musik und Literatur, sogar um den Spielfilm, wo 1911 Hermann Litt in DOKTOR MARTINUS LUTHER den Martin Luther darstellt. Die Architektur kommt mit LUTHERKIRCHEN auch zu ihrem Recht als eine der Künste.
V. Was bleibt? Luther heute
Es beginnt mit: „Das Reformationsjubiläum 2017 wird in Deutschland anders begangen als alle vorausgehenden Luther- und Reformationsjubiläen.“ Ja, können wir nur sagen, das beweisen wir nun schon im dritten Artikel! Dann geht es um Bibelübersetzungen, was spannend ist, wenn man die GENESIS 1 (1. Mos) 1, 1-3 in fünf Versionen lesen kann, was sich mit anderen Bibelstellen wiederholt.Sie haben nach Kenntnis bestimmt auch einen Favoriten. Ausführungen zu MARTIN LUTHER UND DIE RÖMISCH-KATHOLISCHE KIRCHE folgen als Längsschnitt, aber auch im Querschnitt, was das nämlich für die Christenheit heute in Deutschland bedeutet.
Abschließend wird die Frage WAS IST LUTHER auf dem Hintergrund der Ausstellung und des Begleitbandes zusammengefaßt, dem ein Epilog LUTHER UND DIE DEUTSCHEN folgt. Fortsetzungen erst zum nächsten Lutherjubiläum 2083 , das von uns wohl nur wenige erleben werden.
Das war ein Ritt durch diesen sagenhaften Begleitband, den wir eingeleitet hatten: Ausstellungen vergehen, Kataloge und Begleitbände bleiben bestehen. So ist es. Es lohnt.
Fotos: Wartburg © luther-region.de
Luther als Junker Jörg, Holzschnitt von Lucas Cranach d.Ä. Ausschnitt © Wartburg-Stiftung
Info:
Hrsg. Wartburg-Stiftung-Eisenach, BEGLEITBAND zur Nationalen Sonderausstellung auf der Wartburg 4. Mai-5. November 2017, Michael Imhof Verlag 2017