k zuerichkunstghausGespräch über Kunst und Leben  mit den Merzbachers, die dem Kunsthaus Zürich Teile ihrer Sammlung leihen, Teil 2/2

Yves Kugelmann

Zürich (Weltexpresso) - Gabrielle Merzbacher: In Ascona gefallen mir einige nicht, sie sind mir zu abstrakt. Aber zu Hause habe ich ein paar Lieblingsbilder, die ich vermisse, wenn sie in einer Ausstellung sind.

Werner Merzbacher: Ich hatte immer das Gefühl, dass man diese Bilder mit der Allgemeinheit teilen sollte, und verspüre eine grosse Freude, wenn sich andere Leute daran freuen. Noch heute werde ich manchmal im Café angesprochen, und Leute sagen, dass ihnen die Ausstellung meiner Bilder am besten gefallen habe. Das ist etwas Schönes. So haben wir beschlossen, dass der wichtige Teil der Sammlung des 20. Jahrhunderts einige Zeit zusammenbleiben soll, und unterschrieben kürzlich den Vertrag mit dem Kunsthaus, dass diese im neuen Gebäude für 20 Jahre ausgestellt werden sollen. Um Israel nicht zu enttäuschen, gilt die Abmachung, dass das Israel-Museum in Jerusalem alle fünf bis sieben Jahre Bilder für eine grosse Ausstellung entleihen kann, wenn es dies wünscht.


Sie engagieren sich beide sozial sehr stark. Wo legen Sie den Schwerpunkt?

Werner Merzbacher: Ja, ich konnte im Leben eigentlich nie Nein sagen, das ist auch heute noch mein Problem. Kommt dazu, dass ich kein Talent habe, Menschen richtig einzuschätzen. Ich freue mich, sehr guten Projekten und Menschen zu helfen.

Gabrielle Merzbacher: Werner hat viele Enttäuschungen erleben müssen. Etwa durch Geschäftsfreunde, die er wirklich als beste Freunde betrachtete und die er beriet.

Werner Merzbacher: Schon, aber wenn ich nicht an mich selbst geglaubt und damit Risiken übernommen hätte, wäre vor allem die Bildersammlung nie entstanden. Ich konnte eben dank meines Glaubens an mich selbst und meinem Optimismus auch Positives erreichen.

Gabrielle Merzbacher: Und Werner ist darüber hinweggekommen, weil er grundsätzlich positiv eingestellt ist.


Was bedeutet Judentum für Sie außer der Tatsache, dass Sie früher deswegen ausgegrenzt wurden?

Gabrielle Merzbacher: Meine Eltern waren nicht religiös, aber sehr zionistisch. Mein Grossvater war früh Zionist und bereiste Palästina mehrere Male in den 1920er-Jahren. In unserer Ehe und im Hinblick auf die Kinder war das alles kein Thema. Und unsere Freunde in den USA waren zwar alle jüdisch, identifizierten sich aber auch nicht mit ihrer Jüdischkeit.

Werner Merzbacher: Ich bin mir sehr darüber bewusst, dass meine Eltern nur deswegen umgekommen sind, weil sie jüdisch waren. Wären sie religiöser gewesen, hätten sie es vielleicht geschafft, früher auszuwandern und so ihr Leben gerettet. Aber sie waren so assimiliert, dass mein Vater einmal sagte, er würde den letzten Zug nehmen. Und den haben sie dann leider verpasst.


Wie kam es dann zu Ihrem Entscheid, 
die Jüdische Liberale Gemeinde mitzugründen?

Gabrielle Merzbacher: Wir waren zuerst in der Israelitischen Cultusgemeinde Zürich, weil unser Jüngster ja Bar Mizwa werden musste. Es gab dann einen Vorfall, als ein Lehrer fragte, wer zu Hause am Freitagabend Schabbat feiere, und unser Sohn und noch ein anderes Kind nicht die Hand aufstreckten. Der Lehrer machte dann recht deutlich, dass wir keine guten Juden seien. Wir gingen deswegen vor die Schulkommission.

Werner Merzbacher: Ich habe den Lehrer aufgefordert, damit doch zu mir zu kommen und nicht unseren Sohn zu demütigen. Der Druck wurde immer stärker, obschon ich ganz klar machte, dass wir eine jüdische Familie seien, wenn wir es auch nicht so ausübten wie die meisten.

Gabrielle Merzbacher: Kommt dazu, dass mein Cousin Michael Hofmann für die Liberale Gemeinde sehr aktiv war und mich dort hineinbrachte. In der ersten Zeit habe ich dann ziemlich stark mitgeholfen und mich eingebracht.

Werner Merzbacher: Ich gehe zwar nicht so oft hin wie meine Frau, aber wenn die Gemeinde etwas braucht, bin ich da. Ich habe auch wohl 25 Jahre lang für die Gemeinde alleine einen Fonds geführt, der aus dem Erbe einer wohlhabenden Frau entstanden ist und dessen Vermögen ich vermehren konnte. Mittlerweile wurde eine Kommission gebildet und wir entscheiden gemeinsam.


Ihre Teilnahme am jüdischen Leben ist also, zurück in der Schweiz, gegenüber den USA stärker geworden?

Werner Merzbacher: Ja. Ich bin ja auch ganz früh dem jüdischen Tennisclub beigetreten. Ich habe immer sehr gerne Tennis gespielt. Bei unserer Rückkehr in die Schweiz sind wir nur deshalb nach Kilchberg gezogen, weil es in Wollishofen einen sehr schönen Tennisplatz gab. Ich wollte auch unseren Kindern die Möglichkeit geben, andere Jugendliche kennenzulernen, und wir waren deshalb auch aktive Mitglieder im Hakoah-Tennisclub. Ausserdem bin ich in recht vielen karitativen Organisationen tätig.


Zum Geburtstag darf man sich etwas wünschen. Welches Bild würden Sie sich für Ihre Kunstsammlung wünschen?

Gabrielle Merzbacher: Ich bin eigentlich wunschlos glücklich mit dieser Sammlung – ich war ja nie so besessen wie mein Mann.

Werner Merzbacher: Bei mir gibt es eine ganze Serie von Bildern, die ich verpasst habe, weil es in dem Moment wirtschaftlich nicht möglich war, sie zu kaufen. Etwa den Malewitsch, der erst kürzlich bei Sotheby’s verkauft wurde. Ich habe nun eben den Wunsch, vielleicht noch während meiner Lebenszeit diese Passion andern zu übermitteln und ihnen Freude zu bereiten. So habe ich mich eigentlich innerlich schon ein bisschen mit der Trennung der Werke abgefunden.


Foto:
Innenraum des Kunsthauses Zürich, wo Teile der Sammlung zukünftig ausgestellt werden © zuerich.com

Info:
Nachdruck des Artikels mit freundlicher Genehmigung aus dem Wochenmagazin TACHLES vom 15. Juni 2018