
Hanswerner Kruse
Steinau (Weltexprsso) - Die altehrwürdigen Marionettentheater Salzburg und Prag taten sich für ein gemeinsames Projekt mit zwei jungen wilden Bühnen aus Crailsheim und Neustadt zusammen. Ihre gefeierte „Europäische Marionettengala“ zeigten sie auch bei den diesjährigen Steinauer Puppenspieltagen, die in der Grimm-Stadt zum 26. Mal durchgeführt wurden.

Alle Puppenspieler sind durchgehend für die Zuschauer sichtbar, manchmal machen sie auch selber mit oder werden sogar zu Marionetten: Die Figur des Papagenos aus Mozarts „Zauberflöte“ jammert und leidet, er wolle ein Weibchen, eine Papagena. Papagenos Sprecher agiert neben ihm auf der Bühne und verdoppelt im Mitspiel dessen Gefühle. Als keine junge Schönheit sondern eine ältere Papagena für ihn herbeigezaubert wird, tröstet die sich: „Na ja, in Bad Orb bin ich die Jüngste!“ In einer kleinen russischen Erzählung, frei nach dem Chanson „Was wurde in Omsk angerichtet?“ wird ein Spieler zur kochenden und backenden Marionette, die von einem anderen geführt wird.
Die Gala ist eine unterhaltsame, abwechslungsreiche und rasante Revue, die eine große Spannweite des klassischen und zeitgenössischen Marionettentheaters verbindet. Die Führung der Figuren ist - für alle sichtbar - eine komplexe anspruchsvolle Technik, in der zahlreiche Fäden gezogen und richtig bedient werden müssen: Dann können sich die Puppen variantenreich bewegen, tanzen oder sogar mit den Augen rollen.
In den diversen Präsentationen wird vor allem deutlich, dass sich die Fadenkunst auf der Grundlage ihrer Traditionen erfolgreich und zeitgemäß weiterentwickeln kann. Sie muss sich weder dem digitalen Zeitgeist anbiedern noch stumpfsinnig im alten Trott weitermachen. Auch ist diese Gala beileibe keine Kindervorstellung, sondern ein Abend für Erwachsene: Es gibt erotische Erzählungen, kühne Interpretationen Grimm’scher Märchen und dadaistische Wortspielereien.
Marionettenspieler seien seit Generationen immer Geheimniskrämer gewesen, meint die Salzburger Theaterdirektorin Barbara Heuberger. Aus geschäftlichen Gründen hätten sie sich nie über Techniken und Arbeitsweisen ausgetauscht. Doch heutzutage spiele sich das eigentliche Geheimnis ja auf der offenen Bühne ab, wie es in Steinau zu erleben war: „Allein durch die Virtuosität der Marionettenspieler“, so Heuberger. Marionettenbühnen sind rar geworden, sie müssen kooperieren und sich verknüpfen, damit die Kunst des Spiels am Faden nicht verloren geht! Das war eine sinnliche Botschaft des Abends - neben dem liebevoll zubereiteten Imbiss in der Pause.
Fotos:
Klassische Walzer (Salzburger Marionettentheater) und Exotische Tänze (Crailsheimer & Neustädter Marionettentheater)
©Hanswerner Kruse: