kpm rbb kulturNach hr2-kultur soll auch rbb-kultur Federn lassen

Klaus Philipp Mertens

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Nun soll es nach hr2-kultur auch der Radiowelle rbb-kultur an den Kragen gehen.

Die geplanten Einsparungen von jährlich einer Million Euro ab 2021 bedeuten nach Einschätzung der freien Mitarbeiter eine Kürzung des Programmetats um 20 Prozent. Und praktisch die Reduzierung des Angebots um ca. 4000 Beiträge pro Jahr. Im arithmetischen Mittel sind das jeden Tag zehn Beiträge weniger. Streichungen in diesem Umfang wird man bemerken. Vorausgesetzt, man zählt zu jenen Hörern, welche die Kunst des verstehenden Zuhörens (noch) beherrschen. Doch es ist nicht auszuschließen, dass man gerade sie, die Unangepassten und Kritischen, loswerden möchte.

Anscheinend passen sie nicht mehr in ein Rundfunkkonzept, dessen Eckdaten von kommerziellen Medienunternehmen wie Facebook, YouTube und Google kopiert werden. Richtwerte, die Hörer und Zuschauer lediglich als Konsumenten primitiver Botschaften definieren und die ihre persönlichen Daten in Quiz-Veranstaltungen und Shows preisgeben sollen, damit sie für Werbung zielgenau erreichbar sind – die politische Desinformation durch Vereinfacher von rechts bis ganz rechts eingeschlossen.

Die Geschäftsleitung des Hessischen Rundfunks in Frankfurt betreibt diese Ausgrenzung wichtiger Stammhörer noch dreister. Der Spartensender hr2-kultur soll sich künftig auf die Lieferung einer permanenten Klassik-Musik-Berieselung beschränken. Wortbeiträge zu kulturellen und gesellschaftspolitischen Themen muss man sich dann woanders suchen, falls es sie überhaupt noch geben wird. Tatsächlich ist eher zu vermuten, dass bald schon ein neues Erkennungs-Jingle des HR erklingen wird: „Ja, das Schreiben und das Lesen / ist nie unser Sach‘ gewesen. / Denn schon von Kindesbeinen / versuchen wir, es zu vermeiden“ (frei nach Ignatz Schneiders Couplet im „Zigeunerbaron“).

Wollte man tatsächlich sparen, also nicht notwendige Kosten vermeiden bei unverändertem Angebot, böte es sich an, über die Organisation des öffentlich-rechtlichen Rundfunks nachzudenken. Lassen sich die Aufgaben des Rundfunkstaatsvertrags nur mit elf sich je selbst verwaltenden Rundfunkanstalten plus Arte, 3Sat, Phoenix, Ki.Ka und ZDF durchführen? Sollte es nicht die vornehmste Aufgabe der Intendanten sein, dies kaum durchschaubare Geflecht zu verschlanken, bevor sie die Präferenzen der Hörer und Zuschauer auf eine nicht zweifelsfreie Weise ermitteln lassen, um sie anschließend falsch zu interpretieren?

Mutmaßlich hat diese so genannte Spardebatte ihre Ursachen nicht nur im vordergründig Finanziellen. Unübersehbar geht es um die Existenz des gebührenfinanzierten öffentlich-rechtlichen Rundfunks, der vor allem von rechtspopulistischen und rechtsextremistischen Gruppen und Parteien infrage gestellt wird. In der Schweiz wurde ein entsprechendes Volksbegehren abgelehnt, in Österreich ist die Frage lediglich verschoben bis nach der anstehenden Wahl. In Deutschland wettern AfD, Pegida & Konsorten gegen dieses zutiefst demokratische System und diskreditieren es als Lügenmedium. Ist den Intendanten Patricia Schlesinger (RBB) und Manfred Krupp (HR) noch nie in den Sinn gekommen, dass sie sich faktisch zu Handlangern der Neuen Rechten machen? Überhören bzw. überlesen die Damen und Herren in den Rundfunkdirektorien und Rundfunkräten die diesbezüglichen Nachrichten und Essays ihrer eigenen Sender? Liegt das Schicksal des demokratisch verfassten Rundfunks in den Händen von Dilettanten?

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