auschwitzproze deutschlandfunk.deSerie: FRANKFURT UND DER NS, Frankfurt räumt endlich durch Ausstellungen im Historischen Museum mit der üblen Nazimitmache auf. Teil 2

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Vorher jedoch noch einmal die Eingangsfragen, die man differenzieren kann: warum war in der Nachkriegszeit in Frankfurt am Main keine Wut auf die Nazis, keine Empörung, keine direkte Auseinandersetzung spürbar und warum hat die junge Generation diese nicht eingefordert. So lange es dazu keine wissenschaftliche Forschung gibt – und sie gibt es nicht! - kann man immer nur den persönlichen Eindruck, die eigene Erinnerung befragen. Was mich als Schülerin angeht, waren für mich die Nazis und ihre Verbrechen so abstoßend, ja widerlich, so ungeheuerlich mit dem industriellen Massenmord an deutschen Mitbürgern – so finde ich es auch entschieden falsch, immer von den Juden zu sprechen, die in die KZ zu ihrer Ermordung deportiert wurden, für mich müßte man immer von jüdischen Deutschen sprechen, denn die Nazis haben ja einen Brudermord begangen - , daß ich im Nachkriegsfrankfurt genug zu tun hatte, mich gegen die anhaltenden Nazi- Sympathiebezeigungen persönlich zu wehren. Denn in meiner Schule, der humanistischen Lessingschule – immerhin hatte damals sozialdemokratische Politik HESSEN VORN die Gleichbenennung aller Schulen als ‚Schule‘ durchgesetzt, längst nennst sich diese Schule wieder Gymnasium – waren einzelne Lehrer auch im Mathematikunterricht noch im Herzen Soldaten und führten uns Schülern im Matheunterricht den Stechschritt vor und sprachen begeistert von ‚ihrem Adolf‘ und der Begeisterung der Massen für ihn und reagierten mit Ohrfeigen, wenn man Widerworte gab, daß doch Hitler von der deutschen Großindustrie finanziert worden sei. Auslaufmodelle solche Lehrer, aber in Hessen möglich, wie überhaupt Hessen auch die NS-Lehrer einstellte, die in Rheinland-Pfalz wegen ihrer NS-Mitgliedschaft aus dem Schuldienst entlassen worden waren.

bmjv.deDas alles gehört in zukünftige Ausstellungen, soll aber verdeutlichen, daß in Frankfurt keine NS-Aufarbeitung stattfand und für jemanden wie mich und später viele Studenten die direkte Auseinandersetzung mit dem universitären Muff von Talaren, dem Vietnamkrieg, den Notstandsgesetzen, Sachverhalte, die zu den Studentenunruhen von 1968 führten, wichtiger waren, als beispielsweise den ersten Auschwitzprozeß ab 1963 zu nutzen, hier in Frankfurt nach den Tätern zu suchen. Natürlich war uns Fritz Bauers Tun und auch der Prozeß selber, den wir als Schulklassen besuchten, wichtig, aber wir nutzten ihn nicht zur Konfrontation mit der Tätergeneration in Frankfurt!, sondern waren mit unserer Abscheu des frechen Auftretens dieser Verbrecher vor Gericht zufrieden.

Heute bedauere ich, daß wir schon den Prozeß als Erfolg werteten (der er auch war) und nichts gegen das selbstzufriedene Bild der Frankfurter unternahmen, denn die Stadt oder die, wie man heute so gerne sagt, Frankfurter Stadtgesellschaft, brüstete sich, so wie ihr Nazi-OB, ihres angeblichen Mitläufertums, daß also in Frankfurt die Nazis ja nicht so gewütet hätten. Schlimm war es doch nur in Berlin, München, Nürnberg und Wien. Und andererseits hatten wir auch genug damit zu tun, im Theater Harry Buckwitz dabei zu unterstützen, Bert Brecht auf westdeutschen Bühnen durchzusetzen – auch einer Ausstellung wert, wie dies von der bundesdeutschen Theaterkritik damals unisono gebrandmarkt wurde - , wie überhaupt Buckwitz‘ antimilitaristisches und antifaschistisches Theater zu unterstützen, während wir gleichzeitig Opernaufführungen von Weltrang erlebten, die der jüdische Ungar Georg Solti, der sich rechtzeitig nach England und die Schweiz hatte retten können, möglich machte. Wir dachten also, für Frankfurt sei es mit dem Nationalsozialismus vorbei, obwohl man, von Globke angefangen, das Nachwirken von Nazis in hohen Regierungsämtern und Wirtschaft bekämpfte und Parteien wie die NPD und alle Vorläufer sowieso für jenseitig hielt, die zu bekämpfen sich nicht lohnte, weil wir von ihrem Aussterben ausgingen. Welch grober Irrtum.

yadvashem oskar schindlerUnd welch Versäumnis, nicht mitbekommen zu haben, daß der Protagonist aus Spielbergs SCHINDLERS LISTE, Oskar Schindler von 1961 bis zu seinem Tod 1974 hier in Frankfurt lebte, zumindest immer ein halbes Jahr, das andere in Israel bei von ihm geretteten Juden. Zu sagen, wir waren nach vorne gerichtet, stimmt zwar, aber langt eben nicht. Und darum wird der Prozeß der Aufarbeitung unsere NS-Vergangenheit als Frankfurter und Frankfurterin und Deutscher und Deutsche noch lange währen. Diese Ausstellungen geben allen die Gelegenheit dazu, erst recht denen, die nicht einmal das Nachkriegsdeutschland mitbekommen haben. Von daher halten wir die Beschäftigung mit dem Dritten Reich in Ausstellungen gerade auch für Kinder und Heranwachsende und für diejenigen, die qua Herkommen aus anderen Ländern, anderen Kulturen erst einmal nichts mit deutscher Schuld, den Verbrechen der Nazis zu tun haben, für bitter nötig. Deutscher zu sein, hier zu leben, bedeutet auch vom negativen Erbe seines neuen Landes zu wissen und es heute zu bekämpfen.

Denn das ist ja das Unerklärliche, daß es immer noch so Ewiggestrige gibt, die im neuen Gewand - sogar Frauen in Hosen, wo die Nazis doch Röcke vorschrieben - die alten Parolen beten, die darin gipfeln, daß am deutschen Wesen die Welt genese. Seit den NSU-Morden und den Morden von Hanau wissen wir, daß das nicht vereinzelte Spinner oder in rechtsradikalen Parteien Sprüche Klopfende sind, sondern organisierte Mörder unter uns. Von daher wäre für diejenigen, die solchen Parolen auf den Leim gehen, eine solche Ausstellung besonders wichtig, denn es fängt mit Worten an, was blutig endet.

Forstetzung folgt

Fotos:
Auschwitzprozeß
©deutschlandfunk.de
Fritz Bauer
©bmjv.de
Oskar Schindler 
©yadvashem.org