Hanswerner Kruse
Fulda (Weltexpresso) - Vor einer riesigen Wand aus Pappkartons tanzt ein alter Mann mit dem Kleid einer Frau. Stühle werden bereitgestellt, sieben schauspielernde Experten erscheinen auf der Bühne. Das Saallicht geht an und das Publikum erfährt, es sei nun der Ethikrat und müsse am Ende über die Erlaubnis ärztlicher Unterstützung bei einer Selbsttötung entscheiden.
Zunächst erzählt der achtundsiebzigjährige Herr Gärtner, von seiner vor drei Jahren qualvoll im Krankenhaus gestorbenen Frau, und ihrer Bitte an ihn: „Tue das Richtige!“ Er ist völlig gesund, will aber nicht mehr leben, weil ihm seine Elisabeth ständig fehlt: „Ich bin nur noch die Hälfte!“ Von seiner Hausärztin verlangte er die sanfte „Todespille“, die sie ihm aus ethischen Gründen verweigert.
In der folgenden Verhandlung vertritt Anwalt Biegler scharfzüngig gegenüber den Fachleuten das Interesse des Sterbewilligen. Zunächst fordert er nicht von Selbstmord zu sprechen, sondern von Suizid, denn man könne sich nicht selber morden. Sein Gegenspieler ist Jurist Dr. Keller, der das Recht auf staatliche Unterstützung beim Freitod radikal ablehnt. Juristische, ethische oder politische Positionen der unterschiedlichen Experten, werden durch kleine persönliche Geschichten emotional aufgeladen. Den Kirchenvertreter etwa bewegt eine Dreißigjährige, die schuldlos den Tod eines Kindes bei einem Unfall verursachte und sterben will.
Die Spielenden changieren zwischen ihrem Auftreten als Fachleute und Mimen, manchmal sind ihre Monologe in theatralischer Sprache geradezu ein Verfremdungseffekt: Das Gastspiel des „Euro-Studios Landgraf“ (Regie Miraz Bezar) ist kein Illusionstheater.
Die Spielenden changieren zwischen ihrem Auftreten als Fachleute und Mimen, manchmal sind ihre Monologe in theatralischer Sprache geradezu ein Verfremdungseffekt: Das Gastspiel des „Euro-Studios Landgraf“ (Regie Miraz Bezar) ist kein Illusionstheater.
Als erstes klärt eine Professorin für Verfassungsrecht in ihrer Befragung die aktuelle Rechtslage in Deutschland. Das Bundesverfassungsgericht hatte 2020, als Ferdinand von Schirach das Theaterstück „Gott“ verfasste, klar das absolute Recht auf Hilfe zum Suizid bekräftigt - nicht nur bei totkranken Menschen. Doch bis heute verhindern verantwortliche Politiker bewusst die völlige Umsetzung des Urteils.
Durchgehend diskutieren die Juristen Biegler und Keller, mal aggressiv, mal entgegenkommend, ihre unterschiedlichen Standpunkte mit den Fachleuten. Dabei lassen sie sich durchaus auf die Argumente ihrer Gegner ein, stehen einander nicht unversöhnlich gegenüber. Früh wird deutlich, es gibt keine eindeutigen Wahrheiten: Gerade in Deutschland ist das Thema brisant durch die Euthanasiemorde der Nazis, die ihre Opfer nach Nützlichkeit auswählten. In vielen Ländern - etwa in der Schweiz, den Niederlanden oder in Kanada - ist Unterstützung bei Selbsttötungen erlaubt. Das hat dort aber nicht zu „Dammbrüchen“ geführt, wie Kritiker meinen, dort sind die Suizidraten nicht höher als bei uns.
Der Vorsitzende der Ärztekammer besteht darauf, Mediziner müssten Leben erhalten und Leiden reduzieren, nicht aber bei Freitoden assistieren. Das Wissen, ein Arzt töte niemals, schaffe Vertrauen bei den Menschen. Ansonsten sei flächendeckende Palliativmedizin nötig, auch sie ermögliche würdevolles Sterben im Hospiz. Doch ihm widersprach Anwalt Biegler: Mediziner müssten Suizide nicht unterstützen, sollten es aber dürfen. Der Bischof warnte als Vertreter der Kirche unter anderem davor, dass die Freiheit der Selbsttötung zum Zwang werden könne, etwa bei alten Menschen. Der Respekt vor dem Leben sei in Gefahr, wenn es um dessen Nutzen gehe.
Am Ende sind die Positionen im Publikum bei dem hochaktuellen Thema wohl nicht mehr so eindeutig wie vielleicht zum Beginn des Abends: 244 Leute stimmen mit „ja“ für die ärztliche Mithilfe, 143 mit „nein“, 190 enthalten sich.
Die Diskussion geht weiter!
Jedem einzuschläferndem Hund wird die sanfte Todespille verabreicht, doch dem, durch seine schwere Krankheit querschnittsgelähmten Harald Mayer (49), wird sie in der Bundesrepublik verweigert. Sein Kampf um ein würdiges selbstbestimmtes Sterben beschäftigt immer noch die Medien, obwohl das Bundesverfassungsgericht vor einigen Jahren dieses Grundrecht ausdrücklich stützte.
Foto:
Veranstalter
Info:
Die ARD verfilmte das Schauspiel „Gott“ vor zwei Jahren mit Lars Eidinger, Barbara Auerbach, Anna Maria Mühe und anderen. Erhältlich auf DVD und online. Mehr Infos
Weltexpresso zum Thema
Jedem einzuschläferndem Hund wird die sanfte Todespille verabreicht, doch dem, durch seine schwere Krankheit querschnittsgelähmten Harald Mayer (49), wird sie in der Bundesrepublik verweigert. Sein Kampf um ein würdiges selbstbestimmtes Sterben beschäftigt immer noch die Medien, obwohl das Bundesverfassungsgericht vor einigen Jahren dieses Grundrecht ausdrücklich stützte.
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