Wilhelm Merton Gemalde von Rudolf Gudden JMF Schenkung von Andrew H. Merton Kabinettausstellung „Metall & Gesellschaft – Wilhelm Merton“ im Jüdischen Museum Frankfurt bis 7. Januar 2024, Teil 2/4 

Redaktion

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Wilhelm Merton wurde im Jahr 1848 als Sohn jüdischer Eltern in Frankfurt geboren. Seine Bank-Ausbildung brach er ab, um bei seinem Bruder im Londoner Metallhandel zu arbeiten. 1877 heiratete er in Frankfurt Emma Ladenburg, mit der er fünf Kinder bekam.


Mertons unternehmerische Karriere begann 1881 mit der Gründung der Metallgesellschaft AG, die sich schnell zu einem internationalen Konzern für den Abbau und Handel mit
Metallen – allen voran Kupfer, Blei und Zink – entwickelte. In den Jahren der elektrotechnischen Revolution und der rasanten Ausbreitung von Telefonie und Überland-Stromleitungen boomte das Geschäft. Wilhelm Merton führte Arbeitsplatzsicherheit, Gesundheitsvorsorge und Bildungsmöglichkeiten für die Mitarbeitenden ein. Durch seine sozialen Konzepte verwandelte er die Metallgesellschaft AG mit ihren vielen verschiedenen Standorten in eine modern strukturierte Industriegruppe. Merton setzte auch sein privates Vermögen zum Wohl der Arbeiter ein, baute soziale Institutionen und Bildungseinrichtungen auf und prägte mit seinem mäzenatischen Engagement die Entwicklung der Stadt Frankfurt im Kaiserreich. So gründete er beispielsweise 1890 das Institut für Gemeinwohl und 1899 die Centrale für private Fürsorge. Merton folgte damit dem jüdischen Gebot der Zedaka, der Wohltätigkeit. Dieses pflegte er auch nach seiner Konversion zum evangelisch-reformierten Bekenntnis im Jahr 1898. In seinem sozialreformerischen Wirken fand der Großunternehmer Unterstützung durch den Frankfurter Oberbürgermeister Franz Adickes oder den Mäzen Charles Hallgarten, sowie Vertreterinnen der Frauenbewegung wie Anna Edinger.

 

Bis zu seinem Tod 1916 gelangen Wilhelm Merton mehrere geschichtsträchtige Gründungen: die Akademie für Sozial- und Handelswissenschaften (1901), die Berg- und Metallbank AG (1906) und – als Mitgründer – die Frankfurter Stiftungsuniversität (1914). Für letztere stellte er ein Stiftungskapital in Höhe von 2,3 Millionen Reichsmark zur Verfügung. Die Frankfurter Universität war die erste nichtstaatliche und somit unabhängige Hochschule des Kaiserreiches und zugleich die einzige Universität in Preußen, an der jüdische Wissenschaftler auf Lehrstühle berufen werden konnten. Es war Wilhelm Merton nicht mehr vergönnt, ihre Entwicklung in der Weimarer Republik zu erleben.

Für Mertons Kinder begann mit der nationalsozialistischen Herrschaft eine Zeit der Entrechtung und Verfolgung. Sein Sohn Richard Merton wurde 1938 nach Buchenwald deportiert, überlebte die Schoa aber ebenso wie seine vier Geschwister, die rechtzeitig geflohen waren. Ihre Besitztümer wurden in weiten Teilen geraubt und arisiert. Dennoch kehrte Richard Merton nach dem Krieg nach Frankfurt zurück, um die Metallgesellschaft wiederaufzubauen. Seine Schwester, Gerta Freifrau von Bissing, wurde 1946 stellvertretende
Vorsitzende der Centrale für private Fürsorge, des heutigen Bürgerinstituts. Den Vorsitz hatte August Oswalt inne, der Vater von Reinhard Oswalt.

 

Ein Wilhelm Merton-Jubiläumsjahr

Ausstellung und Begleitprogramm rahmen das Jubiläumsjahr ein, das anlässlich des 175. Geburtstags in Gedenken an Wilhelm Merton stattfindet und unter der Schirmherrschaft der Dezernentin für Kultur und Wissenschaft Dr. Ina Hartwig steht. Das Wilhelm Merton-Jubiläumsjahr hat das Ziel, das Wirken Wilhelm Mertons in der Stadt bekannter zu machen, die nach ihm ein Viertel, eine Straße, eine Schule, ein wissenschaftliches Zentrum (Wilhelm-Merton-Zentrum für Europäische Integration und Internationale Wirtschaftsordnung an der Goethe-Universität) und einen Preis benannt hat (den alle drei Jahre vergebenen Wilhelm-Merton-Preis für Europäische Übersetzungen der Gontard & MetallBank Stiftung und der Stadt Frankfurt). 

Das vielseitige Begleitprogramm findet an verschiedenen Orten statt und widmet sich so unterschiedlichen Themen wie Social Corporate Responsibility, ökologische Unternehmensverantwortung der Rohstoff-Industrie, der Geschichte jüdischer Konversionen zum Protestantismus im 19. Jahrhundert. Das detaillierte Programm ist einem separaten Flyer zu finden. 

Fortsetzung folgt

Foto:
©Jüdisches Museum, Norbert Miguletz


Info:
Quelle: Jüdisches Museum

Zum Jubiläumsjahr erscheint bei Hentrich &Hentrich der Sammelband „Wilhelm Merton in seiner Stadt“, den Prof. Dr. Christoph Sachße herausgegeben hat.

Wilhelm Merton in seiner Stadt. Gedenkband zum 175. Geburtstag,, hrsg. von Christoph Sachße unter Mitwirkung von Reinhard Oswalt, Verlag Hentrich&Hentrich,, Berlin/Leipzig 2023
ISBN 978 3 95565 592 1