Serie: Gabriele D'Annunzio - Ein bewegtes Leben zwischen Kultur & Politik, Teil 7/15
Davide Zecca
Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Am 28. Juli des Jahres 1914 erklärt die Österreichisch-Ungarische Monarchie dem Königreich Serbien den Krieg. Nur wenige Tage später, am 1. August 1914, erklärt das Deutsches Kaiserreich dem russischen Zarenreich offiziell den Krieg. Dabei hatten die Nationen in Europa ihre militärischen Positionen schon zutiefst verbissen eingenommen – bis auf Italien, das gemäß dem Dreibundvertrag nicht zum Kriegseintritt auf Seiten der Mittelmächte verpflichtet war und im österreichisch-serbischen Konflikt keinen Verteidigungsfall erkennen konnte.
Zehn Monate lang oszillierte die italienische Politik zwischen Neutralität zu Gunsten der Mittelmächte und einem Kriegseintritt auf Seiten der Entente. Dabei verhandelte Rom parallel sowohl mit den Mittelmächten Berlin bzw. Wien, als auch mit der Entente Paris bzw. London – seine pragmatische Außenpolitik des Nationalstaates orientierte sich an der Maxime des "sacro egoismo" („Heiliger Egoismus“) und folgte dem Ministerpräsidenten Salandra bedingungslos. Das realpolitische Ziel war dabei, die "unerlösten" italienischsprachigen Gebiete vom ungeliebten Nachbarn Österreich, sprich Österreichs Provinzen in Südtirol, an der Adria und teilweise auf dem Balkan, anzugliedern, sodass die lange ersehnte irredentistische Politik des jungen italienischen Nationalstaates schlussendlich ihre „Redenzione“ („Erlösung“) finden konnte.
Dieses langjähriges Begehren eines „Panitalianismus“, vom Deutschen Kaiserreich unterstützt, wurde jedoch vom alten starrsinnigen Kaiser der Donaumonarchie, Franz Joseph I., mit den Worten: „Ich ziehe es vor, alles zu verlieren und in Ehren zugrunde zu gehen; lieber das, als daß ich mich auf diesen abscheulichen Räuberhandel einlassen soll!“, unmissverständlich abgelehnt.
Das Tauziehen zwischen den beiden Mächten um Italiens Kriegseintritt wurde dabei immer zäher, die politische Luft um die Kriegsfrage zwischen der lautstarken Minderheit der „Interventionisten“ und „Neutralisten“ auf der Halbinsel immer aufgeheizter, sodass neben Straßenscharmützeln versucht wurde, das Parlament zu stürmen. Der Poet, der sich in der Zeit des verhärteten Krieges im französischen „Exil“ befand, kehrte erst 1915 aus seinem fünfjährigen „Exil“ in sein Heimatland zurück. Eine Professur für italienische Literatur lehnte der Poet ab, dafür warf er sich lieber eifrig in den turbulenten „Maggio Radioso“ („strahlendem Mai“) als entscheidendes Sprachrohr der Kriegsbefürworter.
Unmittelbar am 5. Mai anlässlich zum 55. Jahrestag des „spedizione dei Mille“ („Feldzug der Tausend“) nutze D’Annunzio die Gunst der Stunde, um am Quarto-Denkmal vor einer Masse von 20.000 Menschen seine flammende „Discorso di Quarto“ („Rede des Quarto“) zu halten. Mit besonnener Stimme, aber dafür inspirierender Gestik, appelliert er in folgenden Worte: „Ihr wollt ein größeres Italien nicht durch Kauf, sondern durch Eroberung, nicht nach Maß, sondern um den Preis von Blut.... und Ruhm, O gesegnet sind diejenigen, die am meisten geben, denn je mehr sie geben können, desto mehr werden sie brennen können. Selig sind die jungen Menschen, die nach Ruhm dürsten, denn sie werden zufrieden sein“. Der Nerv wurde genau getroffen: Die Anwesenden jubelten frenetisch und die Beifallstürme stiegen ins Unermeßliche. Aber mit der Zeit des Krieges verschärfte sich auch die Diktion des Poeten, seine bisher heroisierende Rhetorik hatte andere Dimensionen erreichte.
Foto:
Zeichnung:
Gerd Kehrer - MEMORANDUM - 1/6
Zu den Kriegen sowie der Zerstörung der Umwelt im 21. Jahrhundert.
Kohle und Tusche auf Karton, 30 x 30 cm. (C) 2021 Gerd Kehrer
Info:
Zweitveröffentlichung vom 29. März 2024
Die bisherige Serie
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