IMG 8705Ein Theaterstück von Barbara Schmidtke

Sabine Zoller

Bad Liebenzell (Weltexpresso) - In Bad Liebenzell widmete sich die renommierte Regisseurin und Schauspielerin Barbara Schmidtke erneut einer historischen Persönlichkeit: Heinrich Coerper, dem Gründer der Liebenzeller Mission. Anlässlich des 125. Jubiläumsjahres dieser bedeutenden Institution hat Schmidtke ein beeindruckendes Theaterstück verfasst und inszeniert, das den Lebensweg und die Errungenschaften Coerpers eindrucksvoll belegt und in lebendigen Szenerien beleuchtet.

IMG 8652Das Theaterstück dreht sich um einen wagemutigen Pfarrer, „der Menschen Gottes Liebe weltweit weitergeben will“, so die Schlaglichter des außergewöhnlichen Theaterstücks, das damit Einblicke in die 125-jährige Geschichte der Liebenzeller Mission gibt, die auf einem Berg angesiedelt ist, der einst einer Millionärin gehörte.

Barbara Schmidtke, Leiterin des Freien Theaters, schrieb das Manuskript für das Theaterstück nach einer Idee von Cheforganisatorin Stephanie Thieser von der Liebenzeller Mission und führte auch Regie. Das Bühnenbild entwarf der ehemalige Archivar der Liebenzeller Mission, Udo Schmitt. Neben Ensemblemitgliedern des Freien Theaters waren auch Studierende und Mitwirkende der Mission dabei.

IMG 8398Unter dem Motto „Ein Funke fliegt in die Welt – Heinrich Coerper und die Anfänge der Liebenzeller Mission“ erlebten die Besucherinnen und Besucher die packende und bewegende Entstehungsgeschichte eines der größten evangelischen Missionswerke in Deutschland. Das historische Missionshaus in Bad Liebenzell, erbaut zwischen 1905 und 1907, bot den perfekten Rahmen für die Aufführungen. 

Den Auftakt bildete eine eindrucksvolle Szene, die sich laut Anekdoten zur Eröffnung des Missionshauses im Jahr 1907 so abgespielt haben soll: Alle warteten gespannt auf die Ankunft von Pfarrer Heinrich Coerper (1863-1936), da die Tür wegen Überfüllung nicht geöffnet werden konnte, stieg der sehnsüchtig Erwartete kurzerhand durchs Fenster ein und argumentierte: „Man muss ungewöhnliche Wege gehen, um die Menschen zu erreichen.“ Eine originelle Idee, die 2024 mit viel Applaus bedacht wurde.

IMG 8506In einer Art Rahmengespräch betrat zu Beginn ein „Obdachloser“ die Szenerie, weil er einen Schlafplatz suchte. Im Gespräch mit Heinrich Coerper entdeckten beide, dass sie aus Meisenheim am Glan in der Nordpfalz stammen. Aus dieser Rahmenhandlung entwickelt sich das Stück, in dem vieles über Coerpers Jugend und seinen Werdegang zu erfahren ist: Ein Junge, der gern vom Kuchenteig der Mutter schleckt und mit Freunden das Obst von den Bäumen stiehlt. Coerper, der Theologie in Halle, Tübingen, Utrecht, Berlin und Bonn studiert spielt Geige, aber – so seine Aufzeichnungen im Tagebuch „zum Studieren fehlt mir der Hunger“. Noch in Studentenzeiten steht er nach einem Duell vor der Wahl: „Entweder Gott oder die Mensur“. Er entscheidet sich für Gott: „Der Wille des Herrn ist mir wichtiger.“ Doch immer wieder plagen ihn Zweifel an seinem Glauben und seinem Lebensstil. In Bonn kommt er in Kontakt mit dem Theologieprofessor Theodor Christlieb. Eine prägende Zeit, denn von ihm erhält er entscheidende Impulse für seine spätere Missionsarbeit.

Anrührend und humorvoll ist die Verlobungsszene von Heinrich Coerper und seiner zukünftigen Frau Ruth aus der Schweiz.  Die beiden heirateten im September 1894 und bekommen vier Kinder - ihr Sohn Samuel stirbt an Tuberkulose im Alter von nur zwei Jahren.

IMG 86581899 gründet Heinrich Coerper auf Bitten des englischen Arztes Hudson Taylor (1832-1905), dem Gründer der China-Inland-Mission, deren deutschen Zweig in Hamburg. Als die Niederlassung einer Durchgangsstraße weichen muss, zieht das Missionswerk 1902 in den Schwarzwald. Dort lebt Schwester Lina Stahl, die elf Jahre lang für einen „feuerspeienden Berg“ gebetet hat, von dem aus das Evangelium in alle Welt geht.

Der Stuttgarter Textilfabrikant Friedrich Vollmöller hatte aus dem stillgelegten Rohbau einer Silberwarenfabrik auf dem heutigen Missionsberg in Bad Liebenzell ein prächtiges Landhaus errichten lassen und vermietet. Dort findet das Missionswerk in der Villa Lioba ein Zuhause, nachdem Coerper nach langen Überlegungen entschlossen hatte, der Einladung von Lina Stahl zu folgen und den Sitz seines Missionswerkes in den Schwarzwald zu verlegen. Die Millionärin und Missionsfreundin Hilda von Diest übernahmen einen großen Teil der Miete, kauften später die Villa und vermachte sie der Liebenzeller Mission.

1906 wurde der Name der neuen Heimat angenommen: es entstand die Liebenzeller Mission. Die Missionsgesellschaft leistete in den folgenden Jahren Pionierarbeit in China, Mikronesien, Papua-Neuguinea und in Japan. Am 8. Juli 1936 verstarb Heinrich Coerper. Heute arbeiten 250 Missionarinnen und Missionare in 26 Ländern der Welt. 

Das Theaterstück zeigt nicht nur die Höhepunkte im Leben von Heinrich Coerper, sondern verschweigt auch nicht seine fatalen Fehleinschätzungen. So erzählt der Theologe rückblickend, dass er zeitweise Hoffnungen in die Nationalsozialisten gesetzt und Briefe an Adolf Hitler geschrieben hat. „Er habe gehofft, die Politik des Diktators positiv beeinflussen zu können.“ – Den  wahren Charakter des NS-Regimes konnte er allerdings nicht mehr erkennen. 

Am Ende des Stückes lässt Udo Schmitt in einer beeindruckenden Szenerie alle wichtigen Stationen der Entstehungsgeschichte und des Gründervaters Revue passieren. Beeindruckend ist dazu die Inszenierung, bei der alle Schauspieler die wichtigsten Jahreszahlen und Ereignisse aus Coerpers Leben aufzeigt und sich final auf der Bühne platzieren.

IMG 8525In den Aufführungen wurde deutlich, dass der stark vom Pietismus geprägte Theologe von einem tiefen Gottvertrauen erfüllt war. Wichtig waren Heinrich Coerper das Gebet und das Studium der Bibel. Hier schöpfte er Kraft für seine Arbeit. „Vom Gründer der Liebenzeller Mission kann man lernen, was Gottvertrauen bewirken kann – gerade dann, wenn man sich einer Aufgabe nicht gewachsen fühlt.“ 

Wer sich näher für die Geschichte der Liebenzeller Mission interessiert, wird in der bald erscheinenden Biografie über Heinrich Coerper fündig. Geschrieben hat sie der ehemalige Professor für Kirchengeschichte an der Internationalen Hochschule Liebenzell, Prof. Dr. Bernd Brandl aus Schömberg. 

Fotos: Impressionen des Theaterstücks © Fotos Sabine Zoller