Eine Erinnerung an den Roman eines Schicksalslosen. Zum Tod des ungarischen Schriftstellers Imre Kertész
Helmut Marrat
Hamburg (Weltexpresso) - Aufmerksam wurde ich auf den Roman, wie häufig in jenen Jahren, durch das „Literarische Quartett.“ Nun finden sich viele Bücher über den Holocaust. Kertesz Roman ist eines der prägendsten.
Er ist vierzehn Jahre alt, als er aus Budapest nach Ausschwitz-Birkenau deportiert wird Mit bis zu sechzig Personen in einen Viehwagon gepfercht, bei mehrtägiger Fahrt, ohne Wasser. erreicht er das Lager. Ein Mann in Sträflingskleidung öffnet die Türen des Waggons. Der erste, den der Ich-Erzähler György zu sehen bekommt, und nicht ahnend, dass er bald dazugehören wird. Er würde nur gerne wissen, was der Mann verbrochen hat.Der Häftling schärft ihm ein, sein Alter mit sechzehn anzugeben. Warum? Um bei der anschließenden Selektion nicht aussortiert zu werden. da alle unter sechzehn und die Greise als „unbrauchbar“ eingeschätzt werden.
Kertész hält den ganzen Roman über die Perspektive des Jugendlichen durch, wenn er den Alltag im Konzentrationslager beschreibt. Staunend erlebt er all die Schrecknisse, ohne sie detailliert zu beschreiben. Dabei schildert er in einer Fast-Bewunderung sogar, wie „gekonnt“ die Deutschen Ordnung halten. Der Ton hat nichts eines Leidenden, erscheint fast heiter. Und auch ein wenig gefühllos. Das mag irritierend erscheinen, ist aber nur konsequent. Es war vermutlich Kertész' Methode, mit seinem Leid umzugehen.
Das Merkwürdige zudem: Seine Aussortierung in seiner Heimat wird fortdauern.Nach dem Krieg von den Kommunisten aus, die schon seinen Großvater ermordeten. Und bis zuletzt sollte der Autor zahlreichen Anfeindungen ausgesetzt sein.
Kertész erhielt 1982 für sein Gesamtwerk den Literatur-Nobelpreis, nicht zuletzt wegen dieses Romans.
Er starb im Alter von sechsundachtzig Jahren in Budapest