Ulrich Barnickels eiserne Mini-Skulpturen in Fulda


Hanswerner Kruse

Fulda (Weltexpresso) - In der Bibliothek des Fuldaer Priesterseminars präsentiert Bildhauer Ulrich Barnickel bis zum Ende der Fastenzeit seine neue Figurengruppe „Die sieben Todsünden“. Zur gut besuchten Vernissage brachte Komponist Franz Vorraber seine eigens für diese Skulpturen komponierten Klänge zu Gehör.


Nachdem der Tonkünstler zunächst Robert Schumanns romantische „Fantasie“ auf dem Flügel vortrug, ging er mit seinem „Klang der Todsünden“ entschieden zu Sache. Denn Barnickels kleine Sündenskulpturen sind ja nun keineswegs niedliche Modelle für größere Arbeiten. Der „Stolz“ etwa ist eine grobe Figur, die mit ihrem Körperausdruck die eigene Wichtigkeit überdehnt und rücklinks hinzufallen scheint. Vorrabers Paraphrasierung des Stolzes begann zwar mit wohlklingender, feierlicher Marschmusik, die dann jedoch kratziger, aufgeblasener und immer schriller bis zum Umfallen wurde.


In Barnickels „Wollust“ ringen zwei stark stilisierte Figuren miteinander, der Mann ergreift eine Frau von hinten, die wohl nur ungern ihren prächtigen Hintern von ihm losreißt. Der Musiker variierte zur Wollust unermüdlich einander ähnliche, zunächst angenehme Rhythmen, die allerdings immer wieder heftiger, lauter und bedrohlicher wurden. Mit geschlossenen Augen konnte man gut die Abstürze hören und spüren, die den verführerischen Lastern innewohnen.


Die Klänge, die der Musiker dem Flügel und seinen percussiven Geräten entlockte, waren eine starke Herausforderung für die Hörgewohnheiten der Besucher. Das Publikum aber war durch Erläuterungen gut eingestimmt und letztlich richtig begeistert, noch bevor es die Werke überhaupt gesehen hatte.


Metallkünstler Barnickel zeigt seine christlich inspirierten Modelle für große Skulpturen nun in Fulda, nachdem er sie vor drei Monaten in einer großen Werkschau in Gotha erstmalig vorstellte (wir berichteten Anfang Dezember 2016). Sie sind eigenständige Kunstwerke, wie schon die Kleinplastiken zu den zehn Geboten oder zum Weg der Hoffnung.


Aus künstlerischer Sicht ist die aktuelle Präsentation in der Bibliothek auf einem langen niedrigen Tisch nicht optimal. Wie viel angemessener wurden dagegen andere eiserne Modelle in der Kunststation Kleinsassen vor zwei Jahren kuratiert. Andererseits jedoch stehen die sündhaften Objekte, mit einigen weiteren Arbeiten des Künstlers, gleichsam zur rechten Zeit im Zentrum des katholischen Fuldas. Dem Glauben ist Barnickel sehr verbunden, auch wenn er wieder einmal deutlich machte: „Ich arbeite nicht für die Kirche!“


Es ist ja das Eigenartige mit den Lastern, dass sie zunächst im Alltäglichen beginnen, man isst und trinkt, chillt, liebt oder wehrt sich - doch flugs können diese alltäglichen Handlungen zu Sünden wie Völlerei, Faulheit oder Zorn werden. „Die Menschen bleiben dann im Vordergründigen stecken“, meinte Christoph Gregor Müller, Rektor der Theologischen Fakultät Fulda. In seinen „Gedanken zum Werk“ umkreiste er umfassend die Bedeutung der Todsünden:
Der Mensch ist frei sich zu entscheiden, er ist nicht getrieben, aber er hat innere Kämpfe auszustehen. Bereits sehr früh habe dieses Thema auch Künstler interessiert und ziehe sich durch die ganze Kunstgeschichte. Die österliche Fastenzeit sei die Zeit zur Nachdenklichkeit, in welche die Ausstellung ganz hervorragend passe und zur Selbstreflexion anrege: „An diesem Abend wollen die Skulpturen und Klänge uns unterstützen, die Fixierung an Vergängliches zu durchschauen.“


Link zum ersten Text: https://weltexpresso.de/index.php/kunst2/8564-ulrich-barnickels-todsuenden


Foto / Erweiterter Titel von Peter Arlt
„Wollust“: © Merz-Tricot GbR /„Von Wollust gepackt, packt der Lustvolle die Angstvolle / Ihr prächtiger Hintern reißt sich ungerne los“

INFO:
„Die sieben Todsünden“ vom 6. März bis 12. April in der Bibliothek des Priesterseminars, Domdechanei 4 in Fulda. Dazu wird ein Video mit den Skulpturen zu den Klängen Vorrabers gezeigt. Geöffnet Mo, Di, Fr 9.00 - 12.30 Uhr, Mi, Do 14.00 - 17.00 Uhr.