Emil Jakob Schindler. Poetischer Realismus im Oberen Belvedere in Wien

 

Claudia Schulmerich

 

Wien (Weltexpresso) – Schon eigenartig, wenn man nach dem Besuch des impressionistisch gestimmten Carl Schuchs (1846-1903)  mit dem poetischen Realisten Emil Jakob Schindler (1842-1892) einen Wiener Zeitgenossen hat, dessen Bilder einen anderen Atem haben, nicht unbedingt andere Inhalte, wenn man sich auf Landschaften bezieht, sonst schon, und wo man plötzlich für beide erkennt: es gibt keine Menschen auf den Bildern und wenn, dann als Staffage. Porträts gibt es auch keine.

 

Aber das bleibt die einzige Gemeinsamkeit, denn ansonsten sind diese beiden unterschiedliche malerische Kontinente, wobei Schindler sehr bewußt in der Anlehnung an Stifter seine Heimat als den Ort sieht, den er auch malen möchte. Er ist der Natur als Natur verbunden, empfindet man, und sieht die Natur nicht unter der Prämisse, wie man sie am elegantesten, eindrucksvollsten, naturalistischen auf die Leinwand bringt. Und so fühlt man, er will sich selbst mit dieser Malerei auch nichts anderes beweisen, als daß es ihm gelingt, die Landschaft und ihre seelische Verfaßtheit auf die Leinwand zu zwingen.

 

Emil Jakob Schindler ist – so denken wir – wir fast bekannter als Carl Schuch. Aber nicht genuin als Maler, sondern als leiblicher Vater von Alma Mahler-Werfel. Auch er ist in der Leopoldsstadt, dem II. Bezirk geboren, auch sein Vater stirbt, als der Knabe 4 Jahre alt war. 1860 beginnt die Malerausbildung an der Akademie, die bis 1868 mit vielen Reise-Unterbrechungen dauert. Schindler reist viel und er schließt Freundschaften und hat schon früh Schüler. Seit 1875 hat er mit Tina Blau eine Ateliergemeinschaft, mit Makart ist er befreundet und darf auch in einem von dessen Ateliers arbeiten. Er reüssiert. Der MONDAUFGANG IN DER PRATERAUE bringt ihm 1878 eine Medaille und im gleichen Jahr mit der Hamburger Sängerin Anna Bergen seine Ehefrau, die schon mit Alma Schindler schwanger ist.

 

Schindler reist wieder, hat mehrere Studienaufenthalte in östlichen Ländern, erhält Preise. Seit 1881 ist Carl Moll sein Schüler, der ihn und die ganze Familie auch auf Reisen begleitet, Schindler wird ein äußerst erfolgreicher Maler, der für den Kronprinzen arbeitet, immer wieder Ausstellungen hat und auf der XXI. Jahresausstellung 1992 im Wiener Künstlerhaus 26 Werke zeigen kann. Im selben Jahr stirbt er im Urlaub auf Westerland/Sylt an einer Blinddarmentzündung, seine Frau heiratet den Schüler Carl Moll, mit dem sie schon mehrere Jahre ein Verhältnis hatte.

 

Schindler wird im Belvedere in der Reihe IM FOKUS ausgestellt, wo in der Regel nur einige Bilder ein Schlaglicht auf den Künstler aus der eigenen Sammlung werfen sollen. Im Oberen Belvedere im zweiten Stock ist für Schindler viel Raum. Er hat seinen 170. Geburtstag, und seinen 120sten Todestag und wurde sehr lange nicht ausgestellt. Im ersten Raum findet man, daß er große Bilder malt. Das liegt bei Naturstudien nahe, rührt aber vor allem von PAX her, dem 207 x 271 Zentimeter großen Friedhofsbild, das ihm viel Ehre brachte. Sein preisgekrönter MONDAUFGANG IN DER PRATERAU hat das Interesse einer Mädchengruppe erregt, die sich an dem Mond und der Atmosphäre im Bild nicht satt sehen können. So sieht das also aus, wenn junge Leute ohne weiteren Vorkenntnisse das aufnehmen, was Schindler beabsichtigt hatte: einen direkten Kontakt mit Natur und mit ihren Stimmungen.

 

Stimmungsvoll wirken die meisten Gemälde. Wir bleiben bei DIE GOSAUMÜHLE BEI ISCHL  stehen, Öl auf Holz und 36 x 28 Zentimeter groß. Da stimmt etwas nicht. Nämlich die Benennung. Es ist die Gosaumühle, aber die liegt zwischen Steg und Hallstatt am Hallstättersee, Ischl ist 16 km entfernt, aber als kaiserlicher Sommeraufenthalt halt im ganzen Reich berühmt. Die Gosaumühle gibt es noch heute, als Landzunge in den See hinein und eine Mühle war dort, weil an dieser Stelle der Gosaubach, den man im Bild sieht, oben von Gosau her die Baumstämme durch das herabstürzende Flußbett nach unten bringt. Die Stämme sind vom Dachsteingebiet, dem Vorderen und Hinteren Gosausee und gerade diese Landschaft wird sichtbar in der jüngsten Verfilmung der Wand, nach Marlene Haushofer. Eine schöne Verfilmung und eine schöne Landschaft.

 

Von heute her hat Emil Jakob Schindler sich sehr früh nicht nur für die stimmungsvolle Landschaft, sondern auch für ihre Naturbelassenheit eingesetzt und die Landschaft nicht inszeniert in seinen Bildern, sondern sich zu ihrem abbildenden Diener gemacht. Er fand seinen Markt und dennoch schauen wir verblüfft, daß die 36 Gemälde, die dem Belvedere eigen sind und hier vor uns hängen,  tatsächlich nichts anderes denn Natur enthalten.

 

Bis 13. Januar 2013

www.belvedere.at

 

Katalog:

 

Emil Schindler. Poetischer Realismus, hrsg. Von Agnes Husslein-Arco und Alexander Klee, Hirmer Verlag 2012. Die Schindler-Ausstellung erscheint IM FOKUS und dazu gehören auch Kataloge, die kunstwissenschaftlich den betreffenden Künstler auf den ‚letzten Stand‘ bringen. Wir verdanken den Essays viele neue Erkenntnisse, vor allem über die Verbindung Stifter und Schindler, aber auch über seinen ‚fotografischen‘ Blick.