Regina Schmeken: UNTER SPIELERN – DIE NATIONALMANNSCHAFT im Gropiusbau Berlin
Claudia Schulmerich
Berlin (Weltexpresso) – Kaum einer außerhalb der Fachwelt weiß, daß eine Reihe von Kunsthistorikern und fast die gesamte Riege der Archäologen enthusiastische Fußballkenner sind und aus ihrem Bildgedächtnis heraus mühelos berühmte Tore beschreiben können. Völlig normal also, daß Kunsthistoriker beim Bilderdeuten von Fußball das Sagen haben: Willibald Sauerländer im Katalog zur Fußball-Foto-Ausstellung den Essay schreibt und Horst Bredekamp die Rede zur Eröffnung der Ausstellung hält.
Der Redner waren vier, die allesamt die Bilder der Fotografin Regina Schmeken so lobten, daß es einem fast ein wenig viel wurde – bis man die großformatigen Schwarz-Weiß-Aufnahmen dann selbst in Ruhe auf der Galerie des Gropiusbaus im Rund betrachten konnte. Es sind Fotografien, mal spannend, mal kontemplativ, immer wie komponiert, also ästhetisch leicht überhöht, immer aber auch normaler Fußball, sprich: aus Fußballsituationen heraus entstanden und trotz der Besonderheit des Blickwinkels ganz und gar nicht 'gestellt'.
Karl Rothmund, DFB-Vizepräsident, hielt fest, daß auf diesen Aufnahmen die Grenzen von Fußball und Kunst verschwänden und der DFB sehr froh sei, sich auf ein solches Projekt erstmalig eingelassen zu haben. Das führt im Katalog auch Oliver Bierhoff auf, der die Fotografin angesprochen und eingeladen hatte, die Nationalmannschaft mit der Kamera zu begleiten, was zwischen März 2011 und Juni 2012 stattgefunden hat, der Zeitraum, aus dem alle ausgestellten Bilder herrühren. Das bedeutet auch, daß den meisten Besuchern die Spieler auf den Fotografien bekannt sind, da es die aktuellen Nationalspieler sind.
Karl Rothmund stellte heraus, daß diese Bilder, „Bilder von eigener Schönheit“, direkt aufgenommen und nur ein paar Mal Szenen 'nachprobiert' worden seien. Wolfgang Kracht, Chefredaktion der Süddeutschen Zeitung, zeigte sich stolz, eine so gute Fotografin seit vielen Jahren seinem Blatt verbunden zu sehen - „Glücklich die Zeitung, die sie in ihren Reihen hat“ - und plauderte aus dem Nähkästchen einer überlasteten Foto-Redaktion, auf die täglich 10 000 Bilder einprasselten. Immerhin sind in jeder Ausgabe der Süddeutschen rund 100 Bilder täglich abgedruckt.
Horst Bredekamp schließlich begrüßte die „lieben Kunst- und Ballfreunde“ und erinnerte an die phänomenale Ausstellung DAS SPIEL im Historischen Museum anläßlich der Weltmeisterschaft, in der mittels der Fotografien eine Geschichte der Weltmeisterschaften dargestellt wurde. Für ihn gibt es keinen Unterschied zwischen Sport und Kunst, keinen qualitativen, auch was die Dokumentation von Fußball angeht. Die Fußballbilder der Regina Schmeken ergäben eben keine Dokumentation, sondern zeigten das Zwischendrinnen, Momente von Intensität, auch Absurdität, vor allem aber die Wiedergabe von Raum. Fußball werde hier auf diesen Fotos für den Betrachter Anlaß für Raumempfinden und Raumempfindlichkeit. Andererseits sprechen die Bilder auch die Sprache von Energie und Kraft, die im Moment des Innehaltens und Isolierens durch die Kamera erst recht dynamisch wahrgenommen werden könnten. Auf der einen Seite sehe man konzentrierte Mannschaftsbilder, auf der anderen Seite 'geometrische' Ereignisse.
Die Fotografin bedankte sich ob der Lobesworte und ließ ihre Bilder für sich sprechen, nachdem Hausherr Gereon Sievernich die Ausstellung eröffnet hatte. In der Tat sind es sehr eindrucksvolle Fotografien, bei denen sich im Kopf die Szenen fortsetzen, wenn man beispielsweise einen Fuß und einen Ball direkt an der Hacke sieht, der zugehörige Spieler aber keinen Kopf hat. Braucht er hier auch nicht, denn der Ball und der Fuß und die Kunst, mit dem Fuß den Ball dorthin zu bewegen, wohin er mit dem Kopf will, darum geht es. Dieses Bild allerdings läßt einen sofort an einen Ballakrobaten denken, wie sie in Varietes wie dem Tigerpalast in Frankfurt als hohe Körperkunst vorgeführt werden. Die aufgehängte Reihe beginnt mit der Nationalmannschaft und ihrem Trainer. Unglaublich viel Mensch und Fleisch und Energie auf kleinem Raum.
Dann aber interessieren die Paarsituationen, wenn zum Beispiel zwei Fußballer nur noch einen gemeinsamen Kopf haben und am allerstärksten sind die Bilder, wo einer mit dem Ball alleine ist, oder auch ohne Ball einsam auf dem Fußballfeld, das riesenhaft wirkt, wie das Meer, das den einen Spieler vor dem Tor gleich verschlingt. Obwohl es präzise Situationen sind, die der Fußballkenner sofort identifiziert, verführen die Bilder zum Weiterspinnen in ganz andere Richtungen. Einsamkeit inmitten von Masse ist beispielsweise eine Richtung, aber auch das Glück, das die Beherrschung des Balls bedeutet. Wie gut, daß es die Bilder im Katalog zu erwerben gibt, denn sie sind von zeitloser Schönheit und auch von zeitnaher Aktualität, weil man die gegenwärtigen Spieler der Nationalmannschaft alle mit Namen kennt.
P.S. Erstaunlich eigentlich, daß bei der Eröffnung keiner der Redner auf das Schwarz-Weiß der Abbildungen zu sprechen kam, wo wir doch in einer Zeit der buntesten Bilder leben. Grund ist sicherlich die künstlerische Selbstverständlichkeit, daß solche – oft grafisch komponierten - Bilder des Schwarz-Weiß bedürfen. Es ist, vor den Bildern stehend, sogar so, daß man sich diese überhaupt nicht in Bunt vorstellen kann, obwohl doch das eigene Erleben im Fußballstadion – oder eben auch im Fernsehen – die wirkliche Welt in ihren Farben abbildet. Was auf der Netzhaut – besser: dem Gehirn - aber als Erinnerung von Spielszenen zurückbleibt, ist ebenfalls Schwarz-Weiß.
Bis 6. Januar 2013
Katalog: Regina Schmeken. Unter Spielern – Die Nationalmannschaft, HatjeCantz Verlag 2012
Besprechung folgt.