Serie: Ein Werk des dänischen Meisters Vilhelm Hammershøi ergänzt die Kunst der Moderne im Frankfurter Städel-Direktor, Teil 1


Felicitas Schubert


Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Das ist für Kunstkenner einer kleine Sensation.  Der Städelsche Museums-Verein konnte für das Frankfurter Museum aus einer englischen Privatsammlung das Gemälde Interieur. Strandgade 30 (1901) von Vilhelm Hammershøi (Kopenhagen 1864–1916 Kopenhagen) erwerben. Hammershøis Interieurdarstellungen dieser Jahre gelten bis heute als Markenzeichen des dänischen Malers, der bereits zu Lebzeiten einer der gefeiertsten Künstler Europas war.



Das hatte sich geändert. Erst heute wird Hammershøi wieder als herausragender Künstler seiner Zeit rezipiert, wie mehrere internationale Ausstellungen in jüngerer Zeit zeigen konnten, u. a. im Musée d’Orsay (Paris), im Guggenheim Museum (New York), in der Royal Academy (London) oder zuletzt in der Hypo-Kulturstiftung (München). Weltexpresso hatte diese  Hammershøi-Ausstellung mit zwei Artikeln – siehe unten – recht begeistert besprochen. Mit dem Erwerb dieses wichtigen Hammershøi-Interieurs durch den
Städelverein kann das Städel Museum seinen sehr guten Bestand an Symbolisten weiter ausbauen, weist doch Hammershøis Œuvre Bezüge zu Edvard Munch, Max Klinger und Ferdinand Hodler auf.

Das ist aber nur die halbe Verwandtschaft des rätselhaft und quer stehenden dänischen Künstlers in der Moderne. Seine Interieurmalerei ist maßgeblich auch durch die holländische Stubenmalerei des 17. Jahrhunderts inspiriert, die im Städel ebenfalls mit hervorragenden Beispielen von Johann Vermeer oder Pieter Janssens Elinga vertreten ist. Auch diese Architekturbilder von leeren Kirchen scheinen Vorbilder zu sein. Denn Weite und Leere sind deren Merkmale ebenso. Eine Flucht von Zimmern, die doch nur die weite Welt suggeriert und eine enge begrenzte Wohnung darstellt. „Dieser spektakuläre Ankauf schlägt eine Brücke zwischen der Moderne und den alten Meistern und ist damit ein wahrer Glücksfall für das Städel. Ein lang ersehnter Wunsch geht für uns in Erfüllung“, kommentierte Städel-Direktor Max Hollein den Neuzugang.

Sylvia von Metzler, die Vorsitzende des Städelschen Museums-Vereins, freut sich sehr über den erfolgreichen Beitrag des Freundeskreises zur Erweiterung der Sammlung. „Unsere Hauptaufgabe ist es, den Ausbau der Sammlungen durch wichtige Ankäufe kontinuierlich voranzubringen. In seiner über hundertjährigen Geschichte konnte der Verein knapp 700 Exponate, darunter zentrale Werke von Lucas Cranach, Rembrandt, Jean-Antoine Watteau, Max Liebermann, Franz Marc, Max Beckmann, Pablo Picasso und vielen anderen namhaften Künstlern, erwerben und dem Museum als Dauerleihgabe übergeben. Eine breite Öffentlichkeit mit Museumsbesuchern aus Frankfurt, der
Rhein-Main-Region und aller Welt profitiert damit von unserer Arbeit. Nur
dank großzügiger Spenden von privater Seite, Stiftungen und Unternehmen ist
uns die Unterstützung mit Erwerbungen für Städel und Liebieghaus immer
wieder möglich“, erläuterte von Metzler die Ziele des Vereins.

Das ist wichtig weiterzugeben, denn wer gelobt wird, daß er privates Geld für öffentliche Kunstkäufe zur Verfügung stellt, spendet sicher auch weiter. Die kleine kunsthistorische Sensation an dieser  Hammershøi-Erwerbung ist allerdings, daß sie überhaupt gelang. Denn seit  Hammershøi auf einmal dem Vergessen entronnen ist, geht gleich eine Preiserhöhung für seine Gemälde auf dem Markt einher, wo normalerweise Museen nicht mitstreiten können.


Info I:

Mittlerweile ist das Interesse an Vilhelm Hammershøi unter Fachleuten ausgesprochen hoch. Erst jüngst hat das Metropolitan Museum in New York ein Hammershøi-Interieur erworben. In Deutschland besitzen die Alte Nationalgalerie in Berlin, das Niedersächsische Landesmuseum Hannover – ebenfalls mit dem Titel INTERIEUR, STRANDGATE 30 von 1901, aber ein völlig anderes Bild - , Schloss Gottorf und die Hamburger Kunsthalle -  ebenfalls mit dem Titel INTERIEUR, STRANDGATE 30, aber  von 1905 und erst recht ein völlig anderes Bild - Werke des Künstlers. Hammershøi-Werkschauen wurden in den vergangenen Jahren im Musée d’Orsay in Paris und im Guggenheim Museum New York (beide 1997) sowie in der Hamburger Kunsthalle (2003), der Royal Academy in London und im National Museum of Western Arts in Tokio (beide 2008) gezeigt. Zuletzt wurde der Däne mit großem Erfolg unter dem Titel „Vilhelm Hammershøi und Europa“ im Statens Museum for Kunst in Kopenhagen und in der Hypo-Kulturstiftung in München prominent ausgestellt.

Info II:

Dr. Felix Krämer, Sammlungsleiter der Kunst der Moderne im Städel, wird das
Gemälde am 30. Oktober 2012 erstmals in einem Vortrag für die Mitglieder des
Städelschen Museums-Vereins vorstellen. Anschließend wird die Arbeit in die
ständige Sammlungspräsentation des Städel integriert, wo sie ab Mitte
November zu sehen sein wird.



Info III:

zu den Bildangaben:
Vilhelm Hammershøi (1864 Kopenhagen – 1916 Kopenhagen)
Interieur. Strandgade 30, 1901
Öl auf Leinwand, 66 x 55 cm
Erworben 2012.
Eigentum des Städelschen Museums-Vereins e.V.
Städel Museum,
Frankfurt am Main

Bisherige Artikel zum Maler in Weltexpresso

http://weltexpresso.tj87.de/index.php/kunst2/812-die-stille-leere-welt-des-daenischen-malers-1864-1916

http://weltexpresso.tj87.de/index.php/kunst2/813-wieder-einmal-eine-welt-um-1900