Serie: Mit dem MARITIM Hotel ein kulturelles Wochenende in Würzburg, Teil 5/6

 

Claudia Schulmerich

 

Würzburg (Weltexpresso) – Ein bißchen sind Sie ja durch den Kulturspeicher vorbereitet und in der Katalogbesprechung wird auf den Sammler Peter C. Ruppert auch eingegangen, der seine Sammlung nach Würzburg gab, wo aus den 252 Werken Konkreter Kunst nun schon über 400 geworden sind. Wir nutzen jetzt die Führung durch Rudi Held, der aus den zwei Stockwerken mit den vielen Räumen gezielt für uns Werke ausgesucht hat.

 

Unumwunden sagt er als erstes, hier hätten wir zum Thema Konkrete Kunst die größte und bedeutendste Sammlung der Welt. Er erklärte unserer MARITIM Gruppe auch, weshalb sich Sammler Ruppert ziemlich schnell entschloß, seine Sammlung nach Würzburg zu geben. Hier gäbe es eben ein aufgeschlossenes Bürgertum, dem auf der einen Seite Bildung und Kunst zu bewahren wichtig sei, die aber andererseits eben nicht borniert darunter nur Kunst von gestern verstünden. Die Sammlung ist nicht abgeschlossen, es werden also weiterhin gerade entstehende Konkrete Kunst gekauft wie auch die künstlerischen Positionen ergänzt, die der Sammlung gut tun.

 

Wichtig sei die Jahreszahl ab 1945, denn der Abstraktion und der Konstruktivismus gibt es seit Anfang des 20. Jahrhunderts, aus der sich die Konkrete Kunst mit eigener Gesetzlichkeit entwickelt habe. Als aber Ruppert die Sammlung ab ca. 1970 begann, waren die älteren Werke der Konkreten Kunst nicht mehr erschwinglich, weshalb er sich strikt an die Zeit nach dem 2. Weltkrieg hielt, die für alle Künste ein Neubeginn war. Vor allem in der SCHWEIZ hat es damals eine starke Bewegung von Künstlern des Konkreten gegeben, weshalb die Sammlung hierin einen Schwerpunkt habe wie auch im anderen Zentrum, das sich gebildet hatte: in der ABSTRACTION GEOMETRIQUE in Paris.

 

Die Situation der einzelnen Künstler war unter dem Nationalsozialismus ganz unterschiedlich. Die einen konnten das den Faschisten unverständliche Zeug weitermalen, andere erhielten Malverbot. Hintergrund war nach dem Krieg eben auch, daß die Werte und Inhalte der früheren Gesellschaft durch die Machenschaften der Nationalsozialisten abgewirtschaftet waren und einer neuen Zeit auch eine neue Kunst gut tat, die nicht kontaminiert war. Konstruktive Ideen aus den 20er Jahren, in denen Deutschland vorangeschritten war, wurden wieder aufgegriffen und in den 50er Jahren weit verbreitet.

 

Rudi Held gelang es hervorragend, auch denen, die sonst mit Kunst wenig zu tun haben, die Besonderheit der Konkreten Kunst nahezubringen. Und am Schluß gefiel der Gruppe die am Boden ruhende Dreibandscheibe aus Titan von Martin Willing aus dem Jahr 1997 sogar so gut, daß sie gerne wenigstens ein kleines Modell für den Schreibtisch mitgenommen hätten. Da war dann während der Führung der Lernprozeß gelaufen, daß es sich bei der Konkreten Kunst eben um etwas ganz anderes handelt als um die MONA LISA in Paris oder die SIXTINA in Dresden oder JULIUS II. in Frankfurt, erst recht etwas ganz anderes, als der Röhrende Hirsch aus dem Kaufhof – oder die Zigeunerin.

 

In der Führung brachte Rudi Held das Anliegen der Konkreten Kunst an den einzelnen Objekten zum Sprechen, was wir auch mit eigenen Kenntnissen zusammenfassen: Seit 1924 spricht man von Konkreter Kunst, ein Begriff, den Theo van Doesburg, einer ihrer wichtigsten Vertreter, entwickelte und dann auch in die Diskussion warf, als man 1930 programmatisch in einem Manifest festhielt, daß es dabei um eine Kunst gehe, deren Grundlagen eine mathematisch-geometrische sei. Das ist fundamental verschieden vom Ansatz der Abstrakten Kunst, die einen Gegenstand entgegenständlicht und in Strukturen, in Form und Farbe auflöst. Die Konkrete Kunst dagegen hat überhaupt keine Gegenstände, Bilder, Menschenabbildungen, die sie abstrahieren könnte und will auch kein Gefühl erzeugen, wie Lyrik oder symbolisch für etwas anderes stehen, sondern besteht aus Flächen und Farben, die schon im Geist die Konzeption annehmen, die dann auf der Leinwand oder der Skulptur ihre Form und Farbe finden. Das heißt letztlich, daß ein Werk der Konkreten Kunst für nichts anderes steht als für sich selbst. Auf die Malerei bezogen, sprach man in diesem Sinne auch von 'reiner Malerei'.

 

Die Nachfragen aus der Gruppe, weshalb aber 'konkret', wo man doch Fläche und Farbe sehe, aber nichts Konkretes wie eine Abbildung, haben schon die Vorväter beantwortet, die äußerten, nichts auf der ganzen Welt sei konkreter, sei wirklicher als eine Linie, die ich ziehe, eine Farbe, die ich auftrage, eine Oberfläche, die ich gestalte. Aus diesen Anfängen haben sich eine ganze Anzahl von Richtungen innerhalb der Konkreten Kunst entwickelt, mathematischen Ansätzen oder auch den geometrischen Gesetzmäßigkeiten stehen Sonderentwicklungen gegenüber, die man mit Namen von Künstlern fassen kann wie mit Friedrich Vordemberge-Gildewart (“Ein Bild wird gebaut wie ein Haus“), mit Josef Albers für den die Farben die Weltordnung übernahmen u.a. Man kann nicht alle aufzählen, muß aber für Deutschland die wichtige Funktion der Hochschule für Gestaltung in Ulm nennen, wo neben Max Bill, der die Wiederbelebung des Bauhauses im Sinn hatte, auch Vordemberge-Gildewart und Josef Albers zeitweise tätig waren.

 

Das gilt für die fünfziger und sechziger Jahre in der Bundesrepublik. Aber auch in der DDR gab es mit Hermann Glöckner einen, der an seinem konstruktiv-konkreten Ansatz festhielt, was völlig gegen die Staatsstatuten einer gegenständlichen Malerei stand. Wir können der Entwicklung bis heute nicht im Detail folgen und haben auch die großen Teile außerdeutscher Künstler vernachlässigt, was sich in der Ausstellung durch die Anschauung wie von selbst ergibt. Uns ging das erste gezeigte Bild von fünfzehn systematischen Farbreihen mit vertikaler und horizontaler Verdichtung von Richard Paul Lohse nicht aus dem Sinn. Am Werk dieses Schweizers kann man den Zusammenhang von konkretem Bild und dem Weltall besonders gut erklären.

 

Man sieht ein Quadrat und je mehr man in das Bild schaut, desto mehr Quadrate und Rechtecke sieht man, die zudem farblich unterschieden, dennoch bei langem Draufschauen eine Gesetzmäßigkeit ergeben, die der Besucher sofort fortsetzt möchte, dabei den Bildrand überwinden muß, aber an der Decke der Wand nicht weiterkommt, jetzt bis zum Himmel seinen Raum bilden möchte, noch immer den mathematischen Algorithmus fortsetzend, den Richard Paul Lohse hier anfängt und der einen sehr genauen Farbauftrag und eine exakte Farbenfolge voraussetzt. Wir gehen im Geiste nach außen, aber der Besucher geht erst einmal im Bild nach innen, wo die Quadrate und Rechtecke immer kleiner werden, kaum mehr identifizierbar und diese Mitte nachgerade flirrend erscheint, wo doch die Quadrate und Rechtecke erst einmal so gesetzt und formal daherkamen. Hier die Mitte wird komplementär zur Ruhe außen, wird nervös, ist in Bewegung geraten.

 

Dabei soll es bleiben und nur in der politischen Metapher zusammengefügt werden: alles strebt zur unitaristischen Idealgesellschaft, alles hängt zusammen, jeder erfüllt eine Funktion, aber jeder ist anders. All die wichtigen Informationen und Ansichten von Max Bill, dem Urvater aus Ulm, von Victor Vasarely, von Hans-Jörg Glattfelder (!!!), Peter Weber, die tollen Faltkünstler, Manfred Mohr, Horst Bartnig, Hartmut Böhm, Leo Breuer, Günther Frutrunk (!!) Rupprecht Geiger und so viele andere, müssen Sie alleine anschauen. Oder siehe unten. Der Kulturspeicher mit diesem besonderen Angebot der Konkreten Kunst lohnt es allemal. Und so etwas sehen Sie wirklich nur in Würzburg. Wir sind überrascht.

 

Unseren Führer können Sie auch buchen. Nutzen Sie die Webseite

www.rudis-kunstgeschichten.de

 

www. kulturspeicher.de

 

 

Katalog:

 

Konkrete Kunst in Europa nach 1945. Die Sammlung Peter C. Ruppert, hrsg. Museum im Kulturspeicher Würzburg, Marlene Lauter, Verlag HatjeCantz 2002, zweisprachig: Deutsch, Englisch. Das Titelbild sind FÜNFZEHN SYSTEMATISCHE FARBREIHEN MIT VERTIKALER UND HORIZONTALER VERDICHTUNG, von Richard Paul Lohse aus den Jahren 1950/57, im gewissen Sinn auch Verdichtung dessen, was KONKRETE KUNST ist. Museumsdirektorin Marlene Lauter führt in die Sammlung Ruppert ein, wobei die Differenzierung von Konkreter und Abstrakter Kunst eine notwendige Übung ist, Beate Reese befragt den Sammler, der demnach ab 1970 vorsichtig zu sammeln anfing, aus einem kulturinteressierten Elternhaus kommt und die Konkrete Kunst deshalb als Sammlungsobjekt auswählte, weil sie seinen Neigungen der „Reduktion auf das Wesentliche“ so entgegenkommt.

 

Dazu paßt, daß er wirklich derjenige ist, der seine Ankäufe selbst auswählte – nach Beratung durch seine Frau und gemeinsam mit dieser! Auffällig auch, daß Ruppert bewußt vermied, bei Künstlern direkt zu kaufen und lieber den Weg über die Galerien geht. „Welche Kriterien muß ein Kunstwerk erfüllen, um in die Sammlung Ruppert aufgenommen zu werden?“ Ruppert: „Die Qualität muß stimmen und das Exemplarische auch, exemplarisch für den Künstler und das jeweilige Land. Darüber hinaus muß der Kontext der Sammlung gewahrt sein. Das sind die wesentlichen Kriterien.“

 

Weitere Essays befassen sich mit der Situation in der Schweiz und der Hauptstadt der Kunst: Paris. Marlene Lauter untersucht den Sammlungsanteil von Deutschen in der Sammlung Ruppert, die besonders umfangreich ist und alle Sondergebiete wie Kinetikern oder plastisch Arbeitenden umfaßt, aber nicht streng von den außerdeutschen Einflüssen zu trennen ist, denn Konkrete Kunst ist wie jede Kunst im 20. Jahrhundert längst ein internationaler Austausch geworden. Um so interessanter die deutschen Schwerpunkte, die benannt werden.

 

Natürlich steht der Abdruck der Kunstwerke bei einem Katalog im Mittelpunkt. Hier ist folgendes Verfahren gewählt worden. Alle Werke haben eine eigene Seite – Henryk Stazewski vereint einmal zwei auf Seite 105 und Dóra Maurer und Zdenek Sýkora ebenfalls auf den Seite 31 und 27 -, die als Blöcke hinter den jeweiligen Essays folgen, wobei ab Seite 343 ein alphabetisches Verzeichnis der detailliert beschriebenen Werke nach Künstlern erfolgt, einschließlich der Seitenzahl ihrer Abdrucke. Sehr wichtig wurden uns ihre Biographien ab Seite 364, denn wenige kennt man so gut wie Josef Albers beispielsweise. Die Biographien sind kurz gefaßt und beschränken sich in der Art der Konkreten Kunst auf das Wesentliche, was Daten umfaßt, aber auch die Einflüsse von anderen, die sich meist auf Reisen ergaben, die genauso dokumentiert sind wie die künstlerische Entwicklung.

 

Wer sich mit Konkreter Kunst weiter beschäftigen will, braucht diesen Katalog. Und die anderen sollten ihn brauchen, denn hier wird anschaulich, um was es dem Sammler und den Künstlern geht und wie das konkret aussieht, das Konkrete.

 

Info:

Daß das MARITIM Hotel Würzburg das erste Haus am Platz ist, bemerkt man allenthalben, wenn man in der Stadt unterwegs ist und darauf zu sprechen kommt. Aber hier bedeutet 'Erstes Haus' nichts Abgehobenes, sondern weist auf die Verschränkung des Hotels mit den Aktivitäten in der Stadt hin. Wer in Würzburg auf den Bühnen auftritt, beispielsweise, hat sein Zimmer so im MARITIM, wie die Gäste, die einzelner Aufführungen oder der Festivals wegen nach Würzburg kommen. Das MARITIM liegt sehr günstig. Wir sind mit dem Wagen von der Autobahn über die Friedensbrücke gekommen, wo es gleich rechts liegt. Direkt am Main, was alle diejenigen begeistert, deren Zimmer auf dieser Seite den Blick über den Main hinauf zur Festung Marienberg möglich machen. Aber auch die anderen können dies in den öffentlichen Räumen, Terrassen und Restaurants erleben.

 

Die barocke Altstadt ist ein Katzensprung entfernt und auch der Bahnhof bleibt unter einem Kilometer entfernt. Sie können alle Sehenswürdigkeiten zu Fuß erreichen – der Kulturspeicher liegt vor der Tür - und natürlich wird der in der ganzen Welt berühmte Frankenwein hier original in den Weinkellern und auf den Weinfesten ausgeschenkt. Im MARITIM Hotel Würzburg auch!

 

MARITIM Hotel Würzburg, Pleichtorstraße 5, 97070 Würzburg

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www.maritim.de