Bildschirmfoto 2019 05 04 um 01.44.34Die Berlinische Galerie würdigt die Malerin Lotte Laserstein

Kirsten Liese

Berlin (Weltexpresso) - Das Interesse an starken Frauenpersönlichkeiten, das seit geraumer Zeit schon das Kino erfasst hat, scheint endlich auch in der Bildenden Kunst anzukommen. Nicht, dass nicht schon hier und da in früheren Jahren Ausstellungen die Werke von Malerinnen oder Bildhauerinnen gewürdigt worden wären, denkt man an Gabriele Münter, Angelika Kaufmann, Paula Moderssohn-Becker, Sonia Delaunay oder Camille Claudel, von denen einige auch dank Spielfilm-Porträts bekannter wurden.

Aber die 1898 als Tochter eines protestantischen Apothekers mit jüdischen Wurzeln in Ostpreußen geborene Lotte Laserstein, die vor den Nazis floh und 1993 im schwedischen Exil starb, an dem Realismus eines Max Liebermann geschult war ebenso wie an dem Stil der Neuen Sachlichkeit, ist wohl selbst den wenigsten Kunstenthusiasten bislang nicht untergekommen.

Endlich präsentiert die Berlinische Galerie nun bis 12. August in Kooperation mit dem Frankfurter Städel, das sie 2018 zuvor schon zeigte, eine erste Laserstein-Ausstellung, noch erweitert um einige Skizzen und Zeichnungen sowie Bilder anderer berühmter Vorbilder und Zeitgenossen wie Liebermann, Dix, Grosz oder Schad, deren Selbstporträts interessante Vergleiche bieten.

Der Titel „Von Angesicht zu Angesicht“ referiert auf zahlreiche Selbstporträts, in denen wir als Betrachter der Malerin ins Auge schauen, wohl auch auf Bilder, in denen sich Laserstein als Malerin zusammen mit ihrem Lieblingsmodell, ihrer engen Freundin Traute Rose ins Bild rückt, steht mithin aber in keinem Kontext zu dem gleichnamigen Film von Ingmar Bergman.

Auch wenn Lotte Laserstein wohl keine feste Beziehung hatte, wie von den Kuratoren auf dem Presserundgang zu erfahren, und Traute Rose verheiratet war, mag man aus einigen dieser, weitgehend in ihrem Atelier in der Friedrichsruher Straße entstandenen Porträts doch ein intimes Verhältnis ableiten. So zeigt allen voran das 1928 entstandene Ölgemälde „In meinem Atelier“ die geliebte Freundin in einem monumentalen Akt als eine moderne Venus mit rötlicher Scham und Kurzhaarschnitt und daneben die Malerin an der ihrer Staffelei. Ungewöhnlich groß erscheint im Übrigen Lasersteins Farbpalette, in einer Vitrine als Exponat ebenfalls Teil der Ausstellung.

Das vielleicht bedeutendste „Selbstporträt mit Katze“ schuf Laserstein ebenfalls 1928. Sehr selbstbewusst, maskulin und mit kurzen Haaren tritt dem Betrachter da die Künstlerin gegenüber, mit einem wunderschön gezeichneten Tier im Arm, das mit seinem wachen Blick sehr lebendig wirkt. Überhaupt lässt sich beobachten, dass Laserstein vermutlich eine große Tierfreundin hat, finden sich doch auch auf ihren großen eindrucksvollen Gruppenbildern immer wieder Hunde mit vielsagendem Ausdruck, zu meinen Lieblingsbildern zählt auch das 1932 entstandene „Mädchen mit Katze“, bestimmt von sympathischer, subtiler Zärtlichkeit von Mensch zu Tier. Nicht zu vergessen, das 1935 in der Emigration entstandene Bild „Kühe hinter einem Zaun“, das seine tierischen Helden gleichwertig wie Menschen als schöne, liebenswerte Wesen feiert. Man könnte darin fast so etwas wie eine Grundlage für die heutigen Bilder eines Hartmut Kiewert sehen, der in seinen „Animal Utopia“-Werken aufzeigt, wie friedlicher und weniger grausam die Welt sein könnte, wenn die Tiere wie Mitbürger unter uns leben – und nicht mehr zur Schlachtbank geführt würden.

Allerdings wollte Laserstein weder künstlerisch noch politisch provozieren, war sie doch eine konservative Vertreterin der Moderne.

Vor allem aber hat sie mit handwerklicher Perfektion Frauen gemalt, und zwar in großer Natürlichkeit, ohne typisch weibliche Attribute und jedweden Voyeurismus, stets erscheinen sie, ganz gleich ob nackt oder gekleidet, elegant oder sportlich, als selbstbewusste Individuen. Das gab es bisher nicht in deutschen Museen.

Ihre große Meisterschaft vermittelt sich zweifellos auch in großen Gruppenbildern, unter denen der „Abend über Potsdam“ aus dem Jahr 1930 als Schlüsselwerk gilt, ein Sinnbild für Deutschland am Abgrund. Jeder bei diesem kargen Abendmahl schaut am anderen vorbei ins Leere, eine bedrückte Stimmung bestimmt die Szene auf einer Dachterrasse mit Blick aufs wolkenverhangene Potsdam. So betrübt und resigniert in dieser Tischszene einschließlich des am Boden liegenden Hundes Frauen und Männer dreinschauen, droht alles kaputt und verloren zu gehen, menschliche Beziehungen, Liebe, Kultur und Heimat. Für Laserstein sollten sich solche Vorahnungen tatsächlich aufs Schlimmste erfüllen: Wenngleich sie auch in Schweden überlebte, konnte sie dort nicht mehr an ihre Berliner Erfolge anknüpfen, ihre Mutter wurde im KZ Ravensbrück ermordet.

Foto:
Lotte Laserstein, Liegendes Mädchen auf Blau, um 1931, Privatbesitz Berlin,
Courtesy Das Verborgene Museum, Berlin
© VG Bild-Kunst, Bonn 2019

Info:
Berlinische Galerie. Bis 12. August.