Die Jubiläumsausstellungen „20 Jahre Gegenwart“ des MMK Museum für Moderne Kunst in Frankfurt am Main, Teil 2/3
von Siegrid Püschel
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Mit Charlotte Posenenske, 1930-1985, beginnt es dann und das ist eine schöne Hommage für eine hier ansässig gewesene Künstlerin, die frühzeitig seriell in Stahlblech gearbeitet hat, auch wenn das größte Stück aus Wellpappe besteht. Poseneskes Stücke korrespondieren mit dem Abschluß der Jubiläumsausstellung im Haupthaus, dem Tortenstück von Hans Hollein, wo Donald Judd, 1928-1994, sich in Aluminium ausbreitet. War das Absicht? Wir fanden es gut. Genauso wie es mit dem Klassiker Nam June Paik weitergeht, aber nicht mit seinen vielen Monitoren, sondern mit ONE CANDLE, 1988, wo eine Kerze durch TV Projektion gelb/grün/blau/rote Lichter an der Wand projiziert. Wie das entsteht? Das können Sie verfolgen.
Sie können aber auch nebenan das köstliche Steckwerk von Thomas Bayrle, geb. 1937, betrachten, in dem kleine Chinesenköpfe zigfach dicht neben- und hinterein- und übereinander gestaffelt sind – allein wozu das dient, verhindert der nicht funktionierende Elektromotor, was auch für eine weitere, sehr anschauliche Arbeit gilt. Schade. Fotos von Juergen Teller, geb. 1964, von Models und anderen Schönen, eine brave Claudia Schiffer ist auch dabei, treffen auf Carsten Höller, geb. 1961, der mit einer Steckdose, einer Verlängerungsschnur und vier Schokobonbons „220 Volt“ erzielt.
Das war der erste Streich und über die Treppenhäuser wird man nach und nach bis zum sechsten hinaufgeschleust und folgt gerne, weil einen überall etwas anderes erwartet. Doch, sie hätte nie gedacht, daß ihr das so gefalle, das moderne Zeug, sagt die eine, durchaus mitteilsame Aufseherin, die danach sofort einer Mutter mit Kind ein Bild erklärt. In dieser Ausstellung ist irgendwie alles anders als sonst. Das Vorübergehende ist hier Prinzip geworden, der Moment ephemer und was man im Treppenhaus für eine interessante, weiß gestrichene und gebogene Metallkonstruktion hält, ist: die Heizung!
Wir waren stehen geblieben auf dem Treppenabsatz hoch in die anderen Stockwerke, über die man in einer Art Slalom geführt wird, in dem man in dem einen herrlichen Treppenhaus hochsteigt, nach Links geht, zurückkommt und dann den breiten Mittelbau entlang beim anderen Treppenhaus wieder herauskommt, dort aber die am Main gelegenen Räume natürlich auch anschaut. Wobei durchaus ein wenig Ungewohntes dabei ist, wenn durch Türen verschlossene Räume durch das Anzeigen von Künstlername sich als Ausstellungteil entpuppten, ein andermal als Ablage oder für sonstige Verwendung. In dieser Ausstellung fühlt man sich als Besucher so frei und auf eigene Art unternehmungslustig, daß gute Laune den Leuten anzusehen ist. Übrigens viel weniger Kopfschütteln als anderswo, wenn es um Moderne Kunst geht.
Hier im MainTor läßt man wirklich die Dinge von alleine wirken. Das ist nicht ganz richtig. Inszeniert und mit Absicht zusammengestellt sind die Kunstwerke bestimmter Künstler schon, aber es hat nichts Belehrendes, sondern ergibt sich so. Und so verhalten sich auch die Besucher, die erst einmal schauen und sich dann über die Künstler informieren, deren Werk in DIN A 5 Blättern näher erklärt wird. Nicht alle, aber so kommt doch ein dicker Pack an Informationen zusammen, die man mitnehmen darf.
Und weil auf diesen insgesamt sieben Etagen mit rund 4 000 Quadratmetern so viel zu sehen ist, haben wir unser Vorhaben, von einzelnen Werken zu erzählen, aufgegeben, einfach zu viele. Und von den wichtigsten zu sprechen, geht auch kaum, ebenfalls zu viele. Also sollen diejenigen erwähnt werden, wo die Menschentrauben besonders groß waren. Das ist immer wieder dieser kleine Junge, den Martin Honert 1993 „Foto“ nennt, der aber leibhaftig vor einem an einem Tisch sitzt. Einsam. Der Tisch ist groß, das Menschlein ist klein. Er sitzt so, als ob er die Familie zum Essen zum Beispiel erwartet; er sitzt aber auch so, als ob der die Hoffnung schon längst aufgegeben hat. Von ihren Interpretationen sprechen die Leute, wenn sie diesen Jungen betrachten und von ihren eigenen Erinnerungen an Kindheit mit karierten Tischdecken.
Für uns ein Wiedersehen mit Christian Boltanski, der mit “Les Suisses Morts“, eine seiner speziellen und Gänsehaut produzierenden Erinnerungsbilder an alle vier Wände gehängt hat. Es sind aus Todesanzeigen einer Schweizer Zeitung entnommene Bilder, die er genormt, zur Unschärfe vergrößert und unter Glas gesteckt hat und aus denen und ihrer Inszenierung der Tod persönlich spricht, obwohl viele der Bilder lächelnde Menschen zeigen, denn es sind ja Bilder aus dem Leben dieser Menschen. Aber wir haben eben unsere bildhaften Ausschwitzerfahrungen und diese Assoziationen hat unter anderem Boltanski mit seiner Kleiderkammer ja auch intentional gewollt. Fortsetzung folgt.
Info:
Diesmal gibt es keinen festgebundenen Katalog. In den Räumen beider Häuser wird über manche ausgestellten Künstler und ihr Werk durch erklärende Blätter zum Mitnehmen informiert. Zu Hause aber kann man die in der Jubiläumsausstellung präsentierten Werke durch einen Online-Katalog einsehen. In den kommenden Monaten wird hier schrittweise die gesamte Sammlung des MMK mit Abbildungen, Werkangaben und zum Teil Kurztexten eingestellt: www.mmk-frankfurt.de/die-sammlung
Am 29. Oktober wird ab 23 Uhr die Abschlußparty im MainTor stattfinden.