Serie: Rembrandt.Landschaftsradierungen aus dem Städel Museum in Frankfurt am Main, Teil 1/3
Claudia Schulmerich
Frankfurt am Main /Weltexpresso) – Man muß schon genau hinschauen. Anders als opulente Malerei, die schon durch Farben und große Flächen unseren Blick anzieht, wird die Druckgraphik erst durch unsere Augen lebendig. Wie sehr das Auge zudem erst einmal für den Künstler Rembrandt wichtig ist, zeigt gleich zu Beginn der Ausstellung sein Selbstporträt von 1648 - hier ist das andere von 1639 dargestellt - mit dem forschenden intensiven Blick, der direkt in unsere schauenden Augen fällt, mit dem er aber sein Sujet fixierte.
Warum dies so wichtig ist, erweist das weitere Selbstporträt von 1634 links daneben. Da schaut uns fast ein wenig selbstgefällig ein Herr mit langer Lockenpracht an, der lässig, das Barett kess auf dem Kopf und seinen Arm auf der Steinbrüstung, uns damit eben auch sein auffällig prachtvolles Gewand zeigt. Woher wir das wissen, wo die Radierung doch nur in Schwarz Weiß wirkt? Weil Rembrandt durch Striche und Wölbungen den prachtvoll gestalteten und stofflich aufwendigen Wams so wiedergibt, wie wir ihn aus den Gemälden kennen. Also doch. Aber bei diesen beiden Porträts geht es – neben den auffallenden rein technischen Unterschieden – doch zuvorderst um die Aussage des Künstlers für sein frühes Selbstporträt als Radierung: Schaut, so ein berühmter und repräsentativer Künstler bin ich 1634, von der Welt geehrt und gekauft (!). Er ist fast auf dem Höhepunkt seines Ruhms und kauft Ende des Jahrzehnts sein großbürgerliches Haus, für das er sich gewaltig verschuldete.
Doch 1653, 19 Jahre nach dem obigen Selbstporträt, ist es mit der Herrlichkeit vorbei. Jetzt ist es nur noch der 'nackte' Künstler, der zu uns spricht und uns, den Hut auf dem Kopf, beharrlich anschaut, wobei wir uns an unserer Stelle die Landschaft und ihre Details vorstellen müssen, denen sein intensiver und forschender Blick gilt: Wie kann er sie gedanklich und in der Form erfassen, so daß ihre Wiedergabe auf der Druckplatte ihren Kern und ihre Seele trifft? Rembrandt sieht traurig aus, ist aber wahrscheinlich nur konzentriert, denn beim Zeichnen dessen, was er später dann - hier mit der Kaltnadel - auf die Druckplatte einritzt, hat er also das Innere des Landschaftsausdruckes schon erfaßt. Darüber vergißt er sich selber und seine malade Situation. So sehr man bei der psychologischen Betrachtung der beiden so unterschiedlichen Selbstbildnisse Rembrandts verweilen möchte, genauso spannend ist der stilistische Vergleich.
Im ersten Porträt streicht er seine bedeutende Künstlerposition zwar selbstbewußt, aber sehr lässig heraus. Denn im Vordergrund läßt er einfach eine gewaltige Fläche ungenutzt, die uns daraufhin als der Einfall des Lichts erscheint, in dem Rembrandt nun posiert, den weiten hellen Himmel über sich. Die wenigen Andeutungen holländischer Landschaft im Hintergrund geben nur einen Rahmen, denn hier geht es nur um die Darstellung dieser Person. Die Art der Darstellung kommt uns allerdings aus der Künstlergeschichte bekannt vor. In ähnlicher Haltung – darauf verweist Kurator Martin Sonnabend zu Recht – hatten schon Baldassare Castiglione von Raffael und Ariost von Tizian posiert, die heute im Louvre und der National Gallery London hängen, damals aber in Amsterdam zu sehen waren. Wir können noch weiter zurückgehen, denn diese Pose nimmt auch der als Timotheus bekannte Mann auf dem Gemälde von1432 ein, von Jan van Eyck (ebenfalls in der National Gallery), aber auch der im Städel ein Stockwerk höher hängende Heilige Markus von Andrea Mantegna von 1448 hatte ursprünglich den Arm auf die Steinbrüstung gelehnt. Überhaupt ist das Geländer ein antikisches und auch byzantinisches Muster.
Der auch in Literatur, Geschichte und Philosophie hochgebildete Rembrandt Harmensz. van Rijin (1606-1669) kannte sich aus in der Malerei und es ist schon richtig, daß er in erster Linie für seine Gemälde und seine Menschenmalerei weltberühmt ist. Die Landschaft allerdings, die hat er vorwiegend in Zeichnungen und der Druckgraphik dargestellt. Ganz und gar nicht, weil er sie nicht malen hätte können, sondern, weil ihm die Technik und das Ergebnis der Druckblätter für das Diffuse und Atmosphärische, das seine Landschaften in uns auslösen, besonders geeignet schien. Es kommt durchaus ein lebenspraktisches Moment hinzu. Der stets geldklamme Rembrandt hat nicht nur die Zeichnungen auf die Platten gebracht, sondern anschließend in seiner Werkstatt im großen Haus auch selbst gedruckt. Sicher war das Pekuniäre dabei nicht ausschlaggebend, sondern die künstlerische Verantwortung für das Werk. Da er aber selbst von den Kaltnadelradierungen, die besonders diffizil sind, etwa 50 Abzüge herstellen konnte, kam dann doch einiges Geld zusammen, denn schon die Sammler seiner Zeit waren 'scharf' darauf. Fortsetzung folgt.
Bis 24. November
Leider kein Katalog.
www.staedelmuseum.de