Serie: Rembrandt.Landschaftsradierungen aus dem Städel Museum in Frankfurt am Main, Teil 2/3
Claudia Schulmerich
Frankfurt am Main /Weltexpresso) – Diese Rembrandtausstellung kann die Graphische Abteilung sozusagen mit Links machen, denn von seinen 27 bekannten Landschaftsradierungen sind allein 26 im Besitz des Städel! Dafür hatte schon der Stifter Städel gesorgt, denn die meisten Blätter sind schon sehr lange im hiesigen Besitz. Das kann man den Angaben und auch den Inventarnummern entnehmen.
Das gesamte Œuvre der Radierungen im Städel beträgt rund 350 und wenn hier 62 Blätter ausgestellt sind, sind dies insgesamt 46 seiner Radierungen sowie Grafiken von 16 anderen Künstler, was mit der Konzeption dieser Ausstellung zu tun. Diese Grafiken – Kupferstiche, Holzschnitte und Radierungen von Künstlern wie Pieter Breughel dem Älteren, Domenico Campagnola, Hendrick Goltzius, Hercules Seghers oder Claude Lorrain, haben auch die Funktion, die Rembrandtschen Radierungen mit denen seiner Zeitgenossen und Vorläufer hinsichtlich der druckgrafischen Landschaften vergleichen zu können. So ist die gesamte Ausstellung klug konzipiert, denn die Blätter zu besitzen und sie auszustellen, macht ja noch nicht von alleine eine gute Ausstellung.
Hier finden wir faszinierend, was Kurator Martin Sonnabend zusammengehängt hat. Geht man alleine mit diesem Blick durch den Raum, so findet man im Nu Ähnliches und Disparates. Nicht nur, was die Thematik angeht, sondern auch die Technik. Das fällt an den beiden Radierungen zu Hieronymus im hinteren Teil der Ausstellung direkt ins Auge. Auch hier liegen 19 Jahre zwischen beiden Blättern, wobei man konstatiert, wie sehr Rembrandt sich erst einmal wieder ein Motiv der Kunstgeschichte anverwandelt. Denn seit jeher wurde dieser Heilige besonders gerne als Bildpersonal verwendet, der mit dem Herausziehen des Dorns aus der Löwenpranke dieses wilde Tier zum zahmen Hausgenossen machte, gleichwohl als Kardinal mit der roten Tracht und dem imposanten runden Kardinalshut genauso gerne als Büßer mit dem Stein vor der Brust vor den Marterln in der Landschaft dargestellt wurde, während die Abbildungen, die ihn wie Dürer oder Cranach und viele andere „im Gehäuse“, also seiner Studierstube darstellen, darauf Bezug nehmen, daß er die Bibel übersetzt hat, die VULGATA, die lange Zeit die maßgebliche Bibelübersetzung blieb. Zugleich ist der Heilige Hieronymus, der wohl von 347 bis 420 gelebt hat, einer der vier Kirchenväter des Abendlandes.
1634 setzt ihn Rembrandt in eine holländische Landschaft, in der er in der Mitte des Blattes am Fuße eines mächtigen Baumes wie eine Vignette wirkt, also fast eine Mandorla um sich hat, während der sonnendurchflutete Vordergrund uns den reichlich zotteligen Löwen zeigt. Jedes Haar glaubt man an ihm zu erkennen, so detailliert hat Rembrandt in feinen Strichlagen jeden Zentimeter des Tieres, aber auch des ganzen Blattes gefüllt, das einem deshalb fast ein wenig voll vorkommt und sich die Ahnung eines horror vacui auftut. Und gleichzeitig ist es gerade diese Fülle, die die Radierung wirken läßt, zumal man beim genauen Betrachten sieht, daß Rembrandt hier nicht den Büßenden und Halbnackten, schon gar nicht im vegetativen Grün – natürlich, das Grün stellen wir uns nur vor angesichts der strotzenden Natur hier in Schwarz-Weiß – dargestellt hat, sondern den Gelehrten, der mit dem großen Werk und dem gewaltigen Buch auf seinen Knien beschäftigt ist.
1653 dagegen läßt er den Hieronymus in einer italienischen Landschaft sitzen. Fast skizzenhaft lagert er links unten, wiederum mit einem Buch beschäftigt und diesmal den Kardinalshut auf dem Kopf. Er lagert im Licht, denn der Radierer läßt einfach den gesamten Vordergrund hell, so daß wir glauben, direkt auf den Sonnenschein zu blicken, der in unsere Augen reflektiert und darum den Untergrund ausblendet. Und gleichzeitig hält uns die leere Fläche auf Abstand. In der arkadische Landschaft hat der Künstler mit dem Löwen, der uns sein Hinterteil zuwendet, weil er ins Bild hinein und damit auf die Gebäude in der Höhe blickt, dem wir automatisch folgen müssen, tatsächlich so etwas wie eine klassische Repoussoirfigur geschaffen. Die Radierung ist weich, sie ähnelt viel mehr einem Aquarell, als einer typischen Druckgraphik, denn ihre Gestaltung ist flächig und irgendwie malerisch.
Das hat der Künstler Rembrandt nun also auch noch gelernt. Erst kann er mit der Radierung die Vorteile der Technik zur Gestaltung nutzen und dann auf der Grundlage seines peniblen Könnens so großzügig und ingeniös damit umgehen, daß wir beim Anblick seiner Radierung eine Freiheit fühlen können, die hier in der Einöde herrscht und beim Anblicken auch in uns. Daß solche Gedanken und Gefühle beim Betrachten der Rembrandtschen Radierungen entstehen können, verlangt Verweildauer vor den Blättern. Denn tatsächlich ist unser überfliegender farbgesättigter Alltagsblick ein anderer, mit dem man beispielsweise Werbeplakate im Vorübergehen unbewußt verinnerlicht. Diese Radierungen fordern unseren Blick hinein ins Bildinnere und seine Tiefe und wie sehr sich das lohnt, haben wir an den wenigen Beispielen darzustellen versucht. Fortsetzung folgt.
Bis 24. November
Leider kein Katalog.
www.staedelmuseum.de